BGH IV ZR 73/08
Rückkaufswert bzw. höherer Verkehrswert als Berechnungsgrundlage für Pflichtteilsergänzungsansprüche bei widerruflicher Bezugsrechtseinräumung

04.05.2010

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.04.2010
IV ZR 73/08
BGH Mitteilung der Pressestelle Nr. 89/2010

Leitsatz | BGH IV ZR 73/08

Rückkaufwert bzw. höherer Verkehrswert als Berechnungsgrundlage für Pflichtteilsergänzungsansprüche bei widerruflicher Bezugsrechtseinräumung im Rahmen
von Lebensversicherungsverträgen

Sachverhalt | BGH IV ZR 73/08

In dem vorliegenden Fällen haben die Kläger jeweils als enterbte Söhne des Erblassers gegen die Erben Pflichtteilsteilsergänzungsansprüche geltend gemacht, die sie auf Grundlage der ausbezahlten Versicherungsleistungen berechnen wollten. Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 22.02.2008 – 7 U 140/07) hat die entscheidende Rechtsfrage dahingehend beantwortet, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch auf Grundlage der vollen Versicherungssumme zu berechnen ist. Dagegen ist das KG (Urt. v. 13.03.2008 – 16 U 35/07) von der – geringeren – Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien als Berechnungsgrundlage ausgegangen.

Entscheidung | BGH IV ZR 73/08

Der Bundesgerichtshof hat die bisherige, auf ein Urteil des Reichsgerichts (RGZ 128,187) zurückgehende und an der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien anknüpfende Rechtsprechung aufgegeben, und entschieden, dass es allein auf den Wert ankommt, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können.

Daher ist grundsätzlich auf den Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein – objektiv belegter – höherer Marktwert heranzuziehen sein, insbesondere wenn der Erblasser die Ansprüche aus der Lebensversicherung zu einem höheren Preis an einen gewerblichen Ankäufer hätte verkaufen können. Dabei ist der objektive Marktwert aufgrund abstrakter und genereller Maßstäbe unter Zugrundelegung der konkreten Vertragsdaten des betreffenden Versicherungsvertrags festzustellen. Die schwindende persönliche Lebenserwartung des Erblassers aufgrund subjektiver, individueller Faktoren – wie insbesondere ein fortschreitender Kräfteverfall oder Krankheitsverlauf – darf bei der Wertermittlung allerdings ebenso wenig in die Bewertung einfließen, wie das erst nachträglich erworbene Wissen, dass der Erblasser zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich verstorben ist.

Praxishinweis | BGH IV ZR 73/08

Mit dieser Entscheidung ist der BGH all denjenigen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung entgegengetreten, die – unter Berufung auf ein Urteil des BGH aus dem Jahre 2003 (BGHZ 156, 350 = NJW 2004, 214) zu einer ähnliche Fragestellung im Insolvenzrecht – bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs auf die gesamte Versicherungssumme abstellen wollen.