Miete in Zeiten der Coronapandemie

07.04.2021

 

Die Coronapandemie stellt eine weltweite gesundheitliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise dar, wie sie die Welt in näherer Vergangenheit noch nicht erlebt hat. Man liest es jeden Tag in den Zeitungen, sieht es in Reportagen oder hört es von Bekannten: viele Gewerbebetriebe aller Art stehen vor dem wirtschaftlichen Exodus. Um die Ansteckung mit dem Virus und die Bildung von Infektionsherden zu verhindern, wurde das gesellschaftliche Leben seit März 2020 durch den sog. „Lockdown“ auf ein Minimum heruntergefahren. Bundesweit mussten unzählige Gewerbebetriebe schließen und ihre Tätigkeit oft vollständig einstellen. Obwohl die Betriebe ruhten, liefen die Mietverträge für die Betriebsstätten weiter und so wurden, trotz des Lockdowns, die Mietzinszahlungen fällig. Viele Mieter von Gewerbestätten sahen es nicht ein, den ganzen Mietzins zu entrichten, wenn ihr ganzer Betrieb ruhen musste, andere waren auch schlicht und ergreifend nicht mehr in der Lage, den Mietzins zu entrichten. Und so sammeln sich seitdem vor den Zivilgerichten die Klagen der Vermieter, die weiterhin auf die Zahlung der Miete beharren.

I. Das Vorgehen der Mieter gegen die Mietzinszahlungen

Grundsätzlich ist der Vermieter ist nach § 535 I BGB verpflichtet den Gebrauch der Mietsache zu gestatten. Im Gegenzug ist der Mieter nach § 535 II BGB zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet. Viele Mieter von Gewerbestätten führen an, dass ihnen aufgrund der Verordnungen von Bund und Ländern zur Eindämmung der Coronapandemie, die vertraglich vereinbarte Nutzung aufgrund der zwanghaften Schließung nicht möglich sei.

1. Die Betriebsbeschränkungen als Mangel der Mietsache

Diese Auswirkungen stellen einen Mängel an der Mietsache nach § 536 I BGB dar, welcher die Mieter von ihrer Leistungspflicht befreie bzw. diese mindere. Eine öffentlich-rechtlich Gebrauchsbeschränkung kann grundsätzlich ein Mangel an der Mietsache sein, wenn diese die Beschaffenheit der Mietsache betrifft.

Überwiegend wird in der Rechtsprechung und in der Literatur dieser Bezug zur Beschaffenheit der Mietsache abgelehnt. Die Betriebsbeschränkungen betreffen nur die persönlichen und betrieblichen Umstände des Mieters und haben mit der Beschaffenheit der Mietsache unmittelbar nichts zu tun. Vereinzelt wird in der Betriebsbeschränkung jedoch ein Mangel gesehen, indem der vertraglich vereinbarte Mietzweck in der gewerblichen Nutzung der Mietsache nicht mehr erfüllt werden kann. Dann würde jedoch ein Mängel in der Mietsache vorliegen, den der Vermieter nicht beheben kann, denn die Verordnungen zu Betriebsbeschränkungen werden erst bei Beruhigung der Coronapandemie wieder außer Kraft treten.

2. Die Unmöglichkeit der Leistungspflicht des Vermieters

Das Argument der fehlenden Erfüllbarkeit ist der Anknüpfungspunkt dafür, dass viele Mieter die Leistungspflicht des Vermieters nach § 535 I BGB als unmöglich erachten. Daher entfalle auch die Gegenleistungspflicht der Mieter nach §§ 326, 275 I BGB. Die Unmöglichkeit der Hauptleistungspflicht des Vermieters wird nach ganz überwiegender Ansicht der Literatur und Rechtsprechung verneint, weil die Leistungspflicht des Vermieters in dem Überlassen der Mietsache bestehe, welche zumeist nach wie vor gegeben ist.

3. Die Störung der Geschäftsgrundlage

Eine weitere Möglichkeit der Mieter einer Gewerbestätte besteht in der Anpassung des Mietvertrags aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage nach
§ 313 I BGB durch die Verordnungen zur Betriebsbeschränkung. Zunächst ist jedoch fraglich, ob § 313 BGB überhaupt anwendbar ist, denn § 313 BGB ist eine subsidiäre Regelung, die erst zur Anwendung kommt, wenn die Vertragsstörung nicht bereits durch vertragliche und gesetzliche Regelungen erfasst wurde. Die Anwendung der §§ 536 I, 326, 275 I BGB als vorrangige Vorschriften wird aus den bereits genannten Gründen in der Regel nicht möglich sein. Auch Art. 240 § 2 I EGBGB enthält keine Sperrwirkung für die Anwendung von § 313 BGB. Zwar ist Art. 240 § 2 I EGBGB eine Regelung, die den Schutz von Mietern vor den Auswirkungen der Coronapandemie vorsieht, jedoch regelt diese Norm lediglich eine Aufschiebung der Mietzahlungspflicht durch eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters. Der Bestand der Mietzahlungspflicht bleibt davon jedoch unangetastet. Weitere vorrangige Regelungen kommen nicht in Betracht, weshalb § 313 BGB für die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur anwendbar ist.

Damit der Mieter eine Anpassung der Vertrags nach § 313 I BGB verlangen kann, muss eine schwerwiegende Änderung der Geschäftsgrundlage vorliegen, die für einen Teil der Vertragsparteien unzumutbar ist. Am 01.01.2021 ist der Art. 240 § 7 EGBGB in Kraft getreten, welche von Betriebsschließungen oder Betriebseinschränkungen betroffenen Unternehmern erlauben soll, ihre Verhandlungsposition in Bezug auf die Anmietung von Geschäftsräumen zu verbessern. Art. 240 § 7 I EGBGB sieht eine Vermutungswirkung der schwerwiegenden Änderung der Geschäftsgrundlage vor, wenn Betriebe ihr Gewerbe im Zuge der Coronapandemie stark beschränken oder ganz schließen mussten. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Regelung nur auf das reale Element der Änderung der Geschäftsgrundlage bezieht, denn das kann kaum die Intention des Gesetzgebers sein. Der Gesetzgeber wollte auch die Vermutung schaffen, dass die Vertragsparteien im Wissen um die Coronapandemie den Vertrag anders geschlossen hätten.

Die Zumutbarkeit des Festhaltens am Mietvertrag für die benachteiligte Partei bleibt nach wie vor abhängig vom Einzelfall. Die Unzumutbarkeit des Festhaltens Mietvertrag liegt vor, wenn der Fortbestand des unveränderten Vertrags zu einem Ergebnis führen würde, das mit Recht und Gerechtigkeit unvereinbar ist und eine unerträgliche Härte darstellt. Dabei ist die Risikoverteilung zwischen Mieter und Vermieter und die wirtschaftliche Lage der Parteien von entscheidender Bedeutung. Falls das Risiko der Verwendung der Mietsache durch eine vertragliche Vereinbarung vollumfänglich den Mieter obliegt, dann kann keine Unzumutbarkeit durch Festhalten am Mietvertrag vorliegen.

Grundsätzlich trägt der Mieter das Risiko der Verwendung der Mietsache. Einige Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung möchten es auch bei diesem Grundsatz belassen. Schließlich stehen Gewerbebetrieben staatliche Unterstützungen durch u.a. Wirtschaftsstabilisierungsfonds und dem Kurzarbeitergeld zu, um die Auswirkungen der Coronapandemie zu überbrücken. Zusätzlich den Mietzins zu senken käme einem „doppeltem Profitieren“ gleich.

Die Gegenmeinung dieser Ansicht sieht eine gleichmäßige Interessenverteilung zwischen Mieter und Vermieter vor. Immerhin konnte niemand vorhersehen, dass es zu einer weltweiten Pandemie kommt, die die Wirtschaft in großen Teilen lahmlegt. Dem Mieter dieses Risiko allein aufzubürden erscheint daher unverhältnismäßig. Daher würden dann die wirtschaftlichen Situationen der Beteiligten in den Vordergrund der Abwägung rücken. Diese sind in Verhältnis zur Dauer der Betriebsbeschränkung und zur bisherigen Dauer des Mietverhältnisses zu setzen. Zur Darlegung der Unzumutbarkeit sind Angaben über Umsatzeinbußen durch den Mieter nicht ausreichend. Der Mieter muss dezidiert existenzbedrohende Umstände darlegen.

Mit Art 240 § 7 I EGBGB hat der Gesetzgeber den Weg zur Anpassung von gewerblichen Mietverträgen aufgrund der Coronapandemie bis hin zur Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag frei gemacht. Art. 240 § 7 I BGB gilt aber nur für Mietverhältnisse, die vor März 2020 abgeschlossen wurden, denn seit März 2020 ist von dem Wissen der Mieter und Vermieter um die Coronapandemie auszugehen. Für neue Mietverträge ist eine individualvertragliche Klausel zur Risikoverteilung im Mietvertrag notwendig. Falls es zur Anwendung von § 313 I BGB kommt, kann der Mieter nicht einfach seinen Mietzins senken oder stunden, sondern es soll zu einer Anpassung des Vertrags durch Mieter und Vermieter kommen.

Der Insolvenzverwalter kann innerhalb des Insolvenzverfahrens prüfen, ob eine Mietvertragsanpassung nach § 313 I BGB in Betracht kommt, wenn eine Fortführungsmöglichkeit des Gewerbes besteht.

II. Beschleunigung von Verfahren zur Anpassung des Mietzinses

Um die Beteiligten auch im Falle einer Zivilklage schnell an den Verhandlungstisch zu bekommen, hat der Gesetzgeber § 44 EGZPO geschaffen. Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln. Dabei soll der erste Termin einen Monat nach der Klageerhebung erfolgen.

III. Kündigungsschutz bei Verzug für den Mieter

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass nicht nur gewerbliche, sondern auch private Mieter Liquiditätsprobleme infolge der Coronapandemie haben. Daher ist Art. 240 § 2 EGBGB geschaffen worden, nach welchem der Vermieter den Mieter bei Verzug der Mietzinszahlung zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 nicht allein aufgrund des Verzugs kündigen kann, wenn die Nichtleistung auf Auswirkungen der Coronapandemie beruht. Den Zusammenhang zwischen Nichtleistung und der Coronapandemie hat der Mieter nachzuweisen.

IV. Fazit

Falls ein gewerblicher Mieter gegen die Mietzinszahlungen vorgehen möchte, kommt in aller Regel allein eine Anpassung nach § 313 I BGB in Betracht. Bis auf Weiteres ist zu erwarten, dass die Gerichte bezüglich § 313 I BGB uneinheitliche Urteile fällen werden, weil die Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag eine Einzelfallentscheidung ist. Zumindest besteht für den Mieter ein gewisser Kündigungsschutz bei Verzug aufgrund der Coronapandemie. Es sind entsprechende Regelungen für weitere Lockdowns, insbesondere für das Frühjahr 2021, zu erwarten.

 

» s. hierzu auch unseren Fachbeitrag "Miet- und Pachtverhältnisse in der Corona-Krise"