OLG Brandenburg 7 U 68/13
Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 112 AktG

19.04.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
14.01.2015
7 U 68/13
DStR 2015, 187

Leitsatz | OLG Brandenburg 7 U 68/13

Ein Verstoß gegen die gesetzliche Vertretungsregelung des § 112 AktG führt nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 7 U 68/13

Die Klägerin (AG), vertreten durch den Insolvenzverwalter, macht gegen die Beklagte (GmbH), vertreten durch den geschäftsführenden Alleingesellschafter G, Bereicherungsansprüche wegen Honorarzahlungen aus Lizenz- und Studienvertrag sowie Spesenzahlung geltend. Der ehemalige Mitvorstand A der Klägerin ist der Beklagten als Streithelfer beigetreten.

Die Beklagte, damals firmierend unter i-GmbH, war Anfang 2005 zunächst aufgrund eines Beratungsvertrages als kaufmännischer Leiter der bei der Klägerin tätig. Im August 2005 wurde der Beklagten durch Änderung des Beratungsvertrages die Funktion des Finanzvorstandes der Klägerin übertragen. Unterzeichnet wurde dies vom Mitvorstand A der Klägerin und dem Geschäftsführer G der Beklagten. Im weiteren Verlauf des Jahres bestätigte der Aufsichtsrat der Klägerin die Verlängerung dieses Vertrages „zu gleichen Konditionen“. Kurz hierauf erfolgte im Dezember 2005 nebst Anstellungsvertrag die Bestellung des G zum Finanzvorstand durch den Aufsichtsrat mit Wirkung zum 01.01.2006.

Unmittelbar danach wurde noch im Dezember 2005 zwischen der Klägerin, vertreten durch A, und der Beklagten, vertreten durch G, ein Lizenzvertrag geschlossen, in dem die Beklagte für die Klägerin ein EDV-gestütztes Controlling-System erstellen sollte und als Ausgleich ab 01.01.2006 monatliche Lizenzzahlungen von brutto 5.960,00 € erhalten sollte. Ein Beschluss des Aufsichtsrates der Klägerin zum Abschluss dieses Vertrages lag nicht vor. Der Lizenzvertrag wurde jedoch im September 2007 vom Aufsichtsrat der Klägerin bis November 2011 verlängert. Im Juni 2009 hoben die Vertragsparteien, die Klägerin wiederum vertreten durch Mitvorstand A, den Lizenzvertrag zum 30.08.2009 gegen eine Abstandszahlung von brutto 124.950,00 € auf.

Die Klägerin zahlte an die Beklagte von Januar 2006 bis Juni 2009 monatlich 5.950,00 € sowie den Abstandsbetrag von 124.950,00 €. Außerdem berechnete die Beklagte Spesen von Februar 2007 bis März 2009 in Höhe von 6.131,12 €, welche die Klägerin ebenfalls ausglich.

Neben dem Lizenzvertrag unterzeichnete die Klägerin, wieder vertreten durch Mitvorstand A, mit der Beklagten, vertreten durch Geschäftsführer G im Oktober 2006 einen Vertrag über eine Studie, die die Auswirkungen des Emissionshandels auf die Produktion von Biodiesel untersuchen sollte. Das Honorar betrug brutto 71.400,00 €.

Zum 30.06.2009 legte der Geschäftsführer G der Beklagten sein Vorstandsamt bei der Klägerin nieder.

Entscheidung | OLG Brandenburg 7 U 68/13

Das OLG Brandenburg hat der Klage des Insolvenzverwalters überwiegend stattgegeben. Die Forderungen an die Beklagte sind jedoch zum Teil verjährt. Im Ergebnis kann die Klägerin Erstattung von 77.897,25 € verlangen.

Die Änderung des Beratungsvertrages vom 09.08.2005, der Lizenzvertrag vom 20.12.2005 und der Studienvertrag vom 05.06.2006 fallen alle gemäß § 112 AktG unter die Vertretungszuständigkeit des Aufsichtsrates der Klägerin, da in allen Fällen hinter der Beklagten als Vertragspartner wirtschaftlich ein Vorstandsmitglied der Klägerin steht. Nach Meinung des Gerichts hat ein Rechtsgeschäft, dass unter Verstoß der Vertretungsregeln aus § 112 AktG erfolgt, die anfängliche Nichtigkeit nach § 134 BGB zur Folge. Hierauf gerichtete Zahlungen wurden rechtsgrundlos geleistet. Auch ohne Rechtsgrund erbracht wurden die von der Beklagten abgerechneten Spesen. Für sie finden sich keine ausreichende Grundlage und auch keine Nachweise für deren Anfall.

Wirksam sind dagegen die spätere Verlängerung des Lizenzvertrages im September 2007 sowie dessen Aufhebung und die Vereinbarung von Ablösezahlungen, da diesen Verträgen Aufsichtsratsbeschlüsse vorangingen.

Die von der Beklagten vertretene Meinung der schwebenden Unwirksamkeit und deren (konkludente) Genehmigung durch den Aufsichtsrat greifen nicht durch, da sie mit der ratio der Norm und der Organstellung, bzw. Funktion des Aufsichtsrates nicht zu vereinbaren sind. Nach § 112 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern. Normzweck ist es, eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen, welche von sachfremden Erwägungen unbeeinflusst ist und sachdienliche Gesellschaftsbelange wahrt. Dies Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats besteht auch gegenüber einer Person, die erst, wie im vorliegenden Sachverhalt, noch Vorstandsmitglied werden soll (OLG Saarbrücken v. 11.10.2012 – 8 U 22/11). Ferner ist die Regelung anwendbar bei der Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber einem Unternehmen, das nicht rechtlich, wohl aber wirtschaftlich mit dem Vorstandsmitglied identisch ist, z.B. bei einer GmbH mit dem Vorstandsmitglied als Alleingesellschafter und Geschäftsführer. Hier besteht in gleicher Weise eine Interessenkollision wie bei einem Vertrag mit dem Vorstandsmitglied selbst. In diesen Fällen kann sich der Aufsichtsrat nicht durch den Vorstand vertreten lassen. Der Vorstand kann lediglich als Bote fungieren, was sich aber eindeutig aus den Vertragsunterschriften ergeben muss.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 7 U 68/13

Zweck des §112 AktG ist es Konflikte im Vorstand zu lösen. Der Normzweck folgt dem Gedanken des grundsätzlichen Verbotes des Insichgeschäfts aus § 181 BGB und soll dem Missbrauch der Vertretungsmacht auf Organebene vorbeugen. Für einen wirksamen Rechtsschutz ist der nur den Vorstand erfassende Wortlaut zu eng gefasst. Inwieweit die Norm für dem Vorstand nahestehende Personen sowie Dritte gilt, ist nicht abschließend geklärt.

Diese richtige, der ratio von der Norm folgende Entscheidung zeigt, dass es keinen Unterschied machen kann, ob das Vorstandsmitglied selbst oder ein Dritter, der seine Ansprüche daraus ableitet, Rechte gegenüber der AG geltend macht. Die Interessenslage, bzw. Interessenskollision, in der sich der (amtierende) Vorstand befindet, ist dieselbe.

Die Entscheidung folgt einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Sachverhaltes, so dass § 112 AktG auch auf dem Vorstand wirtschaftlich gleichgestellte Personen (wie im vorliegenden Fall) anwendbar ist. Die harte Sanktion der Nichtigkeit bei Verstoß gegen § 112 AktG verhindert ein Leerlaufen des Normzwecks. Der vorgebrachte Einwand der „nur“ schwebenden Unwirksamkeit der Rechtsgeschäfte bei Verstoß gegen § 112 AktG greift nicht, da dies anderweitig in solchen außerhalb des Wortlautes liegenden Fällen zu einer faktischen Umgehung der Vertretungsregelung führen würde.

Beim BGH wurde Revision eingelegt, Az. III ZR 38/15.