BGH II ZB 4 /14
Keine Bestellung eines Notgeschäftsführers für eine GbR

17.11.2014

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
23.09.2014
II ZB 4 /14
BeckRS 2014, 20191

Leitsatz | BGH II ZB 4 /14

Für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich kein Notgeschäftsführer zu bestellen.

Sachverhalt | BGH II ZB 4 /14

Bei einer Familien-GbR zwischen den zwei Eltern und ihren 4 Kindern zum Zwecke der Bewirtschaftung dreier Hausgrundstücke, war der Vater alleiniger Geschäftsführer. Schon zu Lebzeiten hat er die laufenden Geschäfte auf eines seiner Kinder (Beteiligte zu 1) übertragen und dieses entsprechend bevollmächtigt. Nach seinem Tod kam es zum Streit, wer über die laufenden Mieten verfügungsbefugt und zur Vertretung der Gesellschaft befugt sei und in dessen Folge zu einer Vielzahl von Gerichtsprozessen. Der Beteiligte zu 4 erstritt ein Urteil infolge dessen ein Konto auf den Namen der GbR mit gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung aller Gesellschafter eingerichtet werden sollte, verbunden mit der Anweisung an die Mieter, nur noch auf dieses Konto zu zahlen. Danach wurde der Beteiligte zu 4 mit Beschluss aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Beteiligte zu 1 beantragt daher, mit dem Ziel trotz der familiären Streitigkeiten die Handlungsfähigkeit der GbR zu gewährleisten, analog § 29 BGB die Bestellung eines Notgeschäftsführers.

Entscheidung | BGH II ZB 4 /14

Der Antrag auf Bestellung eines Notvorstands eines Vereins nach § 29 BGB kann von einem Vereinsmitglied als Beteiligtem gestellt werden, da das einzelne Mitglied ein rechtlich geschütztes Interesse an der Handlungsfähigkeit des Vereins hat und insofern, falls die Satzung nichts Abweichendes regelt, zur Mitwirkung bei der Bestellung des Vorstands berufen ist. Bei einer analogen Anwendung der Notvorstandsbestellung auf einen anderen Verband gilt Entsprechendes.

Allerdings lehnt hier der BGH – wie zuvor bereits das OLG Frankfurt am Main (v. 30.01.2014, 20 W 368/13, NZG 2014, 418) – die Bestellung eines Notgeschäftsführers für die Gesellschaft entsprechend § 29 BGB ab. Für eine GbR ist grundsätzlich kein Notgeschäftsführer zu bestellen, jedenfalls dann nicht, wenn sie keine Publikumsgesellschaft ist. Für eine Analogie fehlt es vorliegend bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Notvorstand überbrückt bei der juristischen Person eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit beim Fehlen eines ordentlich bestellten Vorstands. Der Wegfall der Geschäftsführungsbefugnis bei einem geschäftsführenden Gesellschafter oder sein Wegfall machen die GbR dagegen auch beim Fehlen von Vorkehrungen im Gesellschaftsvertrag nicht handlungsunfähig, weil dafür Regelungen im Gesetz vorhanden oder von der Rechtsprechung entwickelt worden sind.

Der Wegfall des (einzigen) geschäftsführungsberechtigten Gesellschafters durch Tod führt zur Gesamtgeschäftsführungsbefugnis der verbliebenen Gesellschafter (§ 709 Abs. 1 BGB). Bei Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder Amtsniederlegung gilt Entsprechendes; ggf. bleibt es bei der Geschäftsführungsbefugnis der übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter. Dass sich die verbleibenden Gesellschafter blockieren können, ist in der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis als dem gesetzlichen Regelfall bei der GbR angelegt und begründet daher keine Regelungslücke.

Soweit etwa im Hinblick auf den Ausschluss des geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafters rechtliche Unsicherheiten bestehen, kann die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis durch eine einstweilige Verfügung vorläufig geregelt werden. Wenn ein dringender Handlungsbedarf wegen einer Gefahr für die Gesellschaft oder ihr Vermögen besteht, die keinen Aufschub bis zu einer Entscheidung der Gesellschafter duldet, bedarf es ebenfalls keines Notgeschäftsführers. Jeder Gesellschafter hat entsprechend § 744 Abs. 2 BGB die Befugnis zu den Maßnahmen, die zur Erhaltung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes oder der Gesellschaft selbst notwendig sind.

Auch die – behauptete – zeitweilige Geschäftsunfähigkeit des weiteren Gesellschafters führt nicht zu einer ungeregelten Situation. Der Gefahr der Mitwirkung eines Mitgesellschafters, die sich nachträglich als unwirksam herausstellt, kann durch die Bestellung eines Betreuers für den geschäftsunfähigen Gesellschafter und einen Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) begegnet werden. Wenn in gerichtlichen Verfahren wegen der Eilbedürftigkeit ein Zuwarten mit Nachteilen verbunden wäre, kann vor der Betreuerbestellung ein Prozesspfleger nach § 57 ZPO bestellt werden.

Praxishinweis | BGH II ZB 4 /14

Der Entscheidungssachverhalt zeigt, wie wichtig – im Falle der Abweichung vom gesetzlichen Leitbild der gemeinschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis – gesellschaftsvertragliche Regelungen für den Todesfall sind. Ggf. empfiehlt sich, in einem Fall wie dem Vorliegenden, die Gründung einer Kommanditgesellschaft mit gesellschaftsvertraglichen und erbrechtlichen Gestaltungen, die die Rechtsnachfolge eines Erben in die Komplementärstellung und damit die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sichern.