LG Frankfurt a.M. 20-2010
Anfechtbarkeit der Entlastung von Commerzbank- Vorstand und -Aufsichtsrat aufgrund der Nichteinbeziehung der Hauptversammlung bei Übernahme d. Dresdner Ban

26.05.2010

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Frankfurt a.M.
15.12.2009
20-2010
ZIP 2010, 429

Leitsatz | LG Frankfurt a.M. 20-2010

Ist voraussehbar, dass es durch den vorgesehenen Erwerb einer Beteiligung zu einer wesentlichen Veränderung der Unternehmensstruktur kommt, d.h. einer erheblichen Änderung der Kapitalstruktur, insbesondere der Erhöhung des Verschuldungsgrades sowie wegen des erforderlichen Einstiegs des Rettungsfonds SoFFin zu Änderungen der Leitungsstruktur, ist für die Frage des Beteiligungserwerbs eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung gegeben. (amtlicher Leitsatz)

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 15.12.2009 – 3-5 O 208/09, ZIP 2010, 429 = BB 2010, 618
Nicht rechtskräftig; Berufung ist anhängig beim OLG Frankfurt a. M. unter Az. 5 U 29/10

Sachverhalt | LG Frankfurt a.M. 20-2010

Die Kläger sind Aktionäre der Commerzbank AG. Sie fechten die von der Hauptversammlung am 15. und 16.05.2009 gefassten Beschlüsse zur Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008 an. Grund dafür ist die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank. Der Vorstand und Aufsichtsrat hätten bei der Übernahme der Dresdner Bank kaufmännische Sorgfaltspflichten nicht beachtet. Durch die Übernahme sei es zu einer wirtschaftlichen Schieflage der Commerzbank AG gekommen, die so weit gegangen sei, dass nur durch den Einstieg des staatlichen Rettungsfonds SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) eine Insolvenz habe verhindert werden können. Nach den „Holzmüller“-Grundsätzen hätte eine Zustimmung der Hauptversammlung zur Übernahme der Dresdner Bank eingeholt werden müssen. Dies sei aber nicht geschehen.

Entscheidung | LG Frankfurt a.M. 20-2010

Das LG Frankfurt a. M. folgt der Auffassung der Kläger. Die Entlastungsbeschlüsse haben keinen Bestand. Der Beteiligungserwerb an der Dresdner Bank wurde nur durch den Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats beschlossen, obwohl hierfür eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung bestand. Eine solche Zuständigkeit der Hauptversammlung ist nach dem BGH gegeben, wenn „tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren Vermögensinteressen“ eingegriffen wird oder wenn „wichtige Grundlagenentscheidungen getroffen werden, die sich auf die eigene Rechtsstellung der Aktionäre nachhaltig auswirken können“. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Umstände muss festgestellt werden, inwieweit die Entscheidung sich auf die Aktionäre auswirkt. Durch den Beteiligungserwerb ist es zu einer wesentliche Veränderung der Unternehmensstruktur der Commerzbank gekommen. Die Kapitalstruktur hat sich wesentlich geänderte. Die Verschuldung ist so weit gestiegen, dass die Commerzbank (erneut) staatliche Hilfe aufgrund des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (FMFStG) in Anspruch nehmen musste. Dies hatte zur Folge, dass der SoFFin Großaktionär der Commerzbank wurde, es zu Auflagen der EU-Kommission, insbesondere zur Auflage des Verkaufs der Tochtergesellschaft Eurohypo AG kam und die Beklagte aufgrund der Regelungen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG) sowie der Begleitgesetze in ihrer Geschäftspolitik entsprechende Vorgaben beachten muss. Z.B. darf es für eine gewisse Zeit keine Auszahlung von Dividenden an die Aktionäre geben. Da es sich um solch einschneidende Änderungen in der Unternehmensstruktur handelt, kommt es auf die Frage der Quote der Werte der Gesellschaften nicht mehr an.

Praxishinweis | LG Frankfurt a.M. 20-2010