Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht in Zeiten der Corona-Krise

28.04.2020

 

 

Einführung

Mit einer Patientenverfügung macht jede Person, die in Zukunft durch unvorhersehbare Ereignisse ihre Einwilligungsfähigkeit verlieren könnte, von ihrem Selbstbestimmungsrecht für den Fall Gebrauch, in dem sie zu dessen Ausübung selbst nicht mehr in der Lage, sondern auf Dritte angewiesen sein wird. Die Bedeutung der Patientenverfügung wird erst dann wirklich deutlich, wenn sie fehlt. In diesem Falle, in dem es oft genug auch an einer Vorsorgevollmacht fehlen wird, hat der Patient sein Selbstbestimmungsrecht aus der Hand gegeben. Denn anders als nach weitverbreiteter Vorstellung bestimmen nicht etwa die Angehörigen, was in einer derartigen Situation zu geschehen hat, sondern der vom Gericht bestellte Betreuer und der behandelnde Arzt (und ggf. das Betreuungsgericht), § 1904 BGB. Dabei kann es sich bei dem Betreuer um eine völlig fremde Person handeln. Das kann niemand wollen. Gleichwohl haben viele Menschen in Deutschland keine Patientenverfügung und keine Vorsorgevollmacht. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise sollte das überdacht werden. Daneben kann das Coronavirus Anlass sein, auch bei bestehenden Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten an eine Aktualisierung zu denken.

Inhalt und Voraussetzungen von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

 

 

Die Patientenverfügung ist in § 1901a BGB geregelt. Mit ihr erklärt ein einwilligungsfähiger Volljähriger die Einwilligung bzw. Nichteinwilligung in medizinische Maßnahmen in bestimmten Behandlungssituationen für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit. Ungeachtet der Regelung der Patientenverfügung im Betreuungsrecht und der missverständlichen Formulierung des § 1901a BGB, die eine Verbindlichkeit der Patientenverfügung nur gegenüber dem Betreuer nahelegt, bindet die Patientenverfügung sämtliche Personen, die in der jeweiligen Behandlungssituation den Willen des Patienten zu beachten haben. Damit gilt sie u.a. für Ärzte, Pfleger, Familienangehörige, Betreuer und das Betreuungsgericht. Darin liegt gerade ihr großer Wert: Sie stärkt die Selbstbestimmung des Patienten, der damit die Entscheidungen von Betreuer, behandelndem Arzt und auch der Angehörigen steuern kann. Letztere sind nämlich bei der Ermittlung des Patientenwillens nach § 1901b Abs. 2 BGB hinzuzuziehen; die damit verbundene Bürde wird aber wohl niemand seinen Angehörigen auferlegen wollen. Im besten Falle macht die Patientenverfügung gemeinsam mit einer Vorsorgevollmacht die Bestellung eines Betreuers überflüssig. Eine Vorsorgevollmacht ist neben der Patientenverfügung dringend zu empfehlen, um sich einer Vertrauensperson gewiss zu sein, die dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Patienten insbesondere gegenüber dem behandelnden Arzt zur Durchsetzung verhilft. Die formalen Voraussetzungen für eine Patientenverfügung sind gering. Insofern setzt § 1901a Abs. 1 BGB nur Schriftlichkeit voraus, d.h. die Unterschrift unter der Erklärung. Gleichwohl bietet es sich an, neben dem Ort insbesondere das Datum festzuhalten, um die Aktualität der Erklärung überprüfbar zu machen.

Deutlich verschärfter stellen sich dagegen die Anforderungen an die Formulierung der Verfügungen dar. Diese Anforderungen wurden dabei vor allem durch eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2016 konkretisiert (BGH, Beschl. v. 06.07.2016 – XII ZB 61/16, NJW 2016, 3297). Erforderlich ist danach die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen und die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen. Hierdurch soll erkennbar werden, was in bestimmten Behandlungssituationen gewünscht wird. Damit kann nur von der Abfassung allzu vager Patientenverfügungen gewarnt werden, die sich oft auf unbestimmte Richtlinien und Wünsche beschränken, wie etwa die Ermöglichung eines würdevollen Sterbens.

Ergänzt wird die Patientenverfügung durch eine Vorsorgevollmacht. Nur durch beide Maßnahmen kann verhindert werden, dass ein dem Patienten möglicherweise unbekannter Dritter zum Betreuer bestellt wird (vgl. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Daher ist sowohl die Patientenverfügung als auch die Vorsorgevollmacht dringend zu empfehlen. Mit der Vorsorgevollmacht bestimmt der Vollmachtgeber eine Person seines Vertrauens zu seinem Vertreter in den Fällen, in denen er selbst zu rechtsgeschäftlichem Handeln oder gar überhaupt zu einer natürlichen Willensbildung und -äußerung außerstande ist. Sie führt dazu, dass nicht ein fremder Dritter als Betreuer, sondern die Vertrauensperson als Vorsorgebevollmächtigte den in der Patientenverfügung niedergelegten Willen durchsetzt. Damit die Vertrauensperson auch zu weitreichenden Entscheidungen in der Lage ist, wenn die Patientenverfügung etwa unklar ist oder der Arzt die Behandlung oder ihre Einstellung verweigert, muss die Vorsorgevollmacht allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Hierzu gehört nach § 1904 Abs. 5 S. 2 BGB die Schriftform und die ausdrückliche Erklärung, dass der Vorsorgebevollmächtigte auch zu Einwilligung bzw. Nichteinwilligung in Maßnahmen berechtigt ist, deren Entscheidung zum Tod oder einem schweren und länger andauernden gesundheitlichen Schaden des Vollmachtgebers führen kann. Nur eine diesen Anforderungen genügende Vorsorgevollmacht sorgt für die nötige Verstärkung der Patientenverfügung.

Neue Dringlichkeit für Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht angesichts der Infektionsgefahr durch den Coronavirus?

Die Ausbreitung des Corona-Virus und seiner gesundheitlichen Folgen dürfte bei vielen Menschen das nötige Bewusstsein hervorgerufen haben, für den Fall in Selbstbestimmung vorzusorgen, in dem sie zu selbstbestimmtem Handeln nicht mehr in der Lage sind. Insofern können die gesundheitlichen Auswirkungen des Coronavirus gerade bei Risikogruppen zu einer Situation führen, wie sie durch Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten geregelt wird. Gleichwohl sollte auch vor einer Überdramatisierung gewarnt werden: Ein großer Teil der Patienten wird bei Bewusstsein in das Krankenhaus eingeliefert, kann also für den anstehenden Behandlungsverlauf konkrete Vorgaben machen. Der Patientenverfügung bedarf es nur dann – aber dann umso dringender! -, wenn die Einwilligungsfähigkeit weggefallen ist. Die erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung infolge einer Infektion kann eine Beatmung des Patienten erforderlich machen, zu deren zweckmäßiger Durchführung der Patient ggf. sediert werden muss, sodass also durch den Einsatz von Medikamenten das Nervensystem heruntergefahren wird, was wiederum eine künstliche Ernährung erforderlich machen kann. Beides, Beatmung wie künstliche Ernährung, sind u.a. Gegenstand von (sorgfältig formulierten) Patientenverfügungen. Allerdings ist jedem klar, dass sich die Behandlungsverläufe unterscheiden können, in dem einen Fall eine Heilung also in Aussicht steht, in dem anderen Fall dagegen aussichtslos wird. In der Regel wünschen Patienten aber nicht schlechthin keine Beatmung oder keine künstliche Ernährung, sondern nur unter ganz bestimmten Umständen, in der Regel nämlich dann, wenn keine Aussicht auf Besserung besteht. Diese und ähnliche Differenzierungen müssen in der Patientenverfügung selbstverständlich nachvollzogen werden. Dann bedarf es auch keiner zusätzlichen Verfügung, die speziell auf die Behandlungssituation einer Infektion mit dem Coronavirus abzielt.

Demgemäß besteht für die Menschen kein Handlungsbedarf, die bereits über eine solchermaßen ausdifferenzierte Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht verfügen. Allerdings mag die Corona-Krise ein Anlass sein, veraltete Patientenverfügungen, die in keinem Fall, unabhängig von der aktuellen Situation, den Anforderungen des Gesetzes und der Rechtsprechung gerecht werden, anzupassen. Letztlich kann der Anpassungsbedarf rechtssicher aber nur durch fachkundige Berater beurteilt werden. Eine Aktualisierung sollte jedenfalls, unabhängig von der derzeitigen Situation, immer dann in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Lebens- oder Gesundheitssituation geändert hat, um sicherzustellen, dass die nach § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Abgleichung der Festlegungen in der Patientenverfügungen mit der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation nicht dazu führt, dass der niedergelegte Patientenwille als nicht mehr aktuell und die Patientenverfügung als solche als unmaßgeblich beurteilt wird.

Fazit

Die Gefahren einer Infektion mit dem Corona-Krise sollten jeden veranlassen, eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht durch fachkundige Berater zu erstellen. Bereits vorhandene Patientenverfügungen sollten unbedingt auf ihre Aktualität geprüft werden. Insofern es kaum eine wichtigere Erklärung als die Patientenverfügung geben kann, sollte hierzu auch unbedingt ein Notar oder Rechtsanwalt hinzugezogen werden. Bei Patientenverfügungen, die der aktuellen Rechtslage entsprechen, besteht anlässlich der Corona-Pandemie kein Handlungsbedarf.