Zur Gesamtrechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Positionen bei Unternehmensübertragungen

Unter einer Gesamtrechtsnachfolge versteht man den Übergang von Rechten und Pflichten eines Rechtssubjekts auf ein anderes Rechtssubjekt. Diese kann nur vom Gesetzgeber gewährt werden und nicht durch schuldrechtliche Verträge übergehen und soll verhindern, dass Rechte und Pflichten nicht klar zuzuordnen sind. So gibt es beispielsweise im Todesfall oder auch bei Anwachsungen im Personengesellschaftsrecht eine Gesamtrechtsnachfolge. Im Gesellschaftsrecht ist der wichtigste Fall einer Gesamtrechtsnachfolge die Umwandlung einer Gesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz. Hierbei sollen den Unternehmen größtmögliche Flexibilität gewährt werden und gleichzeitig die Interessen der Vertragspartner und Gläubiger berücksichtigt werden. Dabei ergeben sich weder aus dem Gesetzestext noch auf den Gesetzesmaterialien Einschränkungen für den Umfang der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gesamtrechtsnachfolge. So ist auch im neuen Umwandlungsgesetz die Gesamtrechtsnachfolge zwingend vorgeschrieben und der BGH hat in Entscheidungen von 2014 und 2021 die Gesamtrechtsnachfolge für das Amt des Wohnungsverwalters erkannt und bestätigt. Demnach sei eine (partielle) Gesamtrechtsnachfolge nur ganz ausnahmsweise nicht möglich, wenn die Rechtsposition höchstpersönlich sei.

 

1. Ausnahmen im Privatrecht

Dennoch gibt es durch Rechtsprechung und Literatur vielseitige Ausnahmen in der Gesamtrechtsnachfolge. Die Position des Testamentsvollstreckers ist nach Literatur und Rechtsprechung eine solche Ausnahme, da sie eine höchstpersönliche Rechtsposition darstellt, bei der somit keine Gesamtrechtsnachfolge möglich ist. Dies gilt jedoch nur bei einem Formwechsel und bei einer Verschmelzung zur Aufnahme, wenn der aufnehmende Zielrechtsträger Testamentsvollstrecker ist. Bei einer Verschmelzung zur Neugründung, ist das Amt des Testamentsvollstreckers nicht im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge übertragbar. Ebenso wenig soll eine Gesamtrechtsnachfolge beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten, bei dem Anteilsübergang einer GbR und Vereinsmitgliedschaften möglich sein. Teilweise wird im Vergaberecht vertreten, dass die Gesellschaft bei Umwandlungsmaßnahmen automatisch aus einem Vergabeverfahren ausscheidet, da keine Gesamtrechtsnachfolge existieren soll.

 

2. Ausnahmen im öffentlichen Recht

Die Ausnahmen im öffentlichen und Steuerrecht sind extremer und restriktiver als die des Privatrechts. Hierbei wird unterschieden, ob die Genehmigung/Erlaubnis objektbezogen, dann geht diese im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über, oder personenbezogen ist, dann geht diese nicht über. Es gehen also Genehmigungen mit Bezug zu einem konkreten Vermögensgegenstand oder sachbezogene Genehmigungen ohne weiteres im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Rechtsnachfolger über. Je mehr personale Elemente im Vordergrund des zu übertragenden Rechts stehen, desto weniger geht dieses durch die Gesamtrechtsnachfolge auf den Rechtsnachfolger über. So würde eine Baugenehmigung im Zuge einer Umwandlung fortbestehen, während eine Genehmigung zum Krankentransport eines Pflegedienstleisters erlischt, auch wenn diese nötig ist, um einen wesentlichen Teil seiner Dienstleistungen zu erbringen. Diese fehlende Gesamtrechtsnachfolge der Genehmigung erschwert eine rasche Umstrukturierung, rechtssichere Gestaltung und Nachfolgesicherung gerade im Pflegesektor. Im Steuer- und Ordnungswidrigkeitenrecht ist nahezu unstreitig, dass Verpflichtungen, wie eine Geldbuße, uneingeschränkt über gehen.
Auch durch die Reform des Umwandlungsgesetz hat sich an der Rechtslage wenig geändert, obwohl mit Streichung des § 132 UmwG zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine die Gesamtrechtsfolge einschränkende Regelung bei Spaltungs- und Ausgliederungsmaßnahmen schädlich und nicht vom Gesetzgeber gewollt ist. Ferner gibt es die Möglichkeit eine Genehmigung oder Erlaubnis von öffentlicher Seite zu widerrufen statt diese mit der Umwandlung komplett zu entziehen.


3. Folgen für die Praxis

In der Praxis sind die Einschränkungen der Gesamtrechtsfolge häufig entweder unbekannt oder werden zu spät erkannt, womit eine Umwandlung verzögert oder komplett gestoppt werden muss. Und selbst dort, wo sie erkannt werden, be- oder verhindern die Einschränkungen die Umwandlung von Gesellschaften. Sollte eine für das Unternehmen wesentliche Rechtsposition bei einer Umwandlung verloren gehen, ohne dass dies vorher bekannt war, löst das eine Haftung des Beraters aus und kann das Unternehmen zusätzlich in einer Krise führen, wenn es seinem eigentlichen Geschäftszweck nicht mehr nachgehen kann, da die Rechtsposition fehlt. Weiterhin ist die Gesamtrechtsnachfolge in vielen anderen Ländern nicht bekannt, womit hier die Rechtspositionen bei einer grenzüberschreitenden oder innerstaatlichen Umwandlung nicht übergehen. Es empfiehlt sich folglich nicht nur bei Unternehmenskäufen, sondern auch bei einer Umwandlungsmaßnahme eine due diligence durchzuführen, bei der besonderes Augenmerk auf die Existenz, den Weiterbestand und etwaige Rücknahme- und Widerrufsgefahren von öffentlich-rechtlichen Bescheiden und einer change-of-control-Klausel gelegt werden sollte. Dies ist zwar im ersten Schritt ein zeitlicher und finanzieller Mehraufwand, beugt jedoch einem solchen nach der Umwandlung vor und deckt eventuelle Probleme bei der Umwandlung vorher auf. Sollte es sich somit bei der Bewertung herausstellen, dass eine bestehende Genehmigung nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen kann, kann frühzeitig eben jene, oft mit dem Geschäftszweck verbundene Genehmigung wieder beantragt werden.


4. Nachholbedarf beim Gesetzgeber

Es zeigt sich, dass die eigentlich als flexible Hilfe für Umstrukturierung gedachte (partielle) Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen von Unternehmensumwandlungen sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht erheblich eingeschränkt ist und damit teilweise im Widerspruch zum Gesetzgeberwille steht. Die gedachte partielle Gesamtrechtsnachfolge wird somit massiv eingeschränkt, was wiederum die Unternehmer in ihren Möglichkeiten sich auf veränderte Marktbedingungen einzustellen einschränkt und weiterführend die Regelung der Unternehmensnachfolge erschwert. Dabei würde es ausreichen eine Genehmigung oder Erlaubnis widerrufen zu können oder im Falle einer Umwandlung mit Organwechsel eine Pflicht zur Anzeige der bestehenden Genehmigung einzuführen, sodass die zuständige Behörde von der Umwandlung unterrichtet ist und daraufhin den Widerrufsbedarf der Genehmigung prüfen kann.

Zur Vertiefung und für Fallbeispiele siehe auch Heckschen, „Gesamtrechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Positionen bei Unternehmensübertragungen“ in Schriften zum Notarrecht, Bd. 61, 2023 und Heckschen, „Inhalt und Umfang der Gesamtrechtsnachfolge – sog. Vertrauensstellungen und Mitgliedschaften“ in GmbHR 2014, 626 – 638.

 

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