Steigende Belastung durch Erbschaftsteuer: Jahressteuergesetz 2022

I.    Einleitung

Erben und Schenkungsempfänger von Immobilien könnten bald mit einer erhöhten Steuerbelastung konfrontiert sein. Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums für das Jahressteuergesetz 2022 sieht dabei zwar keine direkten Erhöhungen der Erbschaftssteuersätze vor. Eine erhöhte Belastung von Erben bzw. Schenkungsempfängern ergibt sich jedoch mittelbar aus den angestrebten Änderungen des Bewertungsgesetzes. Denn diese führen zu gesteigerten Immobilienwerten, aus denen dann eine erhöhte Steuerlast folgt. Hintergrund der Änderungen ist die Anpassung des Bewertungsgesetzes an die Immobilienwertermittlungsverordnung der Bundesregierung vom 14. Juli 2021. Einige Experten gehen in Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf besorgt davon aus, dass die beabsichtigten Änderungen zu einer Steigerung der Steuerbelastung von bis zu 30 %, in einigen Fällen sogar bis zu 100 % führen werden.

 

II.    Zu den Änderungen

Der Gesetzesentwurf des Bundesfinanzministeriums vom 10. Oktober 2022, der durch die Bundesregierung in den Gesetzgebungsprozess eingebracht wurde, bedarf zwar noch der Zustimmung des Bundesrats und der Verabschiedung durch den Bundestag. Hier zeichnet sich jedoch aktuell kein erheblicher Gegenwind ab. Überwiegend stößt der Entwurf auf Zustimmung im Bundestag. Nach erfolgter erster Beratung am 14. Oktober 2022, wurde der Entwurf an den parlamentarischen Finanzausschuss überwiesen.

Das Jahressteuergesetz 2022 enthält in den Artikeln 12 und 13 Änderungen der §§ 153, 177, 181, 183-185, 187-191, 193-195, 256, 265, 266 BewG, sowie der Anlagen 15, 22, 23, 25, 39, 43 zum BewG. Die Änderungen betreffen insbesondere das Ertrags- und Sachwertverfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke und der Bewertung in Erbbaurechtskonstellationen. Damit sind sowohl Mietwohnobjekte (die im Ertragswertverfahren bewertet werden), als auch Einfamilienhäuser (die im Sachwertverfahren bewertet werden) von der Änderung betroffen. Mit den Änderungen soll sichergestellt werden, dass die von den Gutachterausschüssen auf Grundlage der ImmoWertV ermittelten Daten, die für die Wertermittlung erforderlich sind, auch entsprechende Berücksichtigung in der Bewertung finden. Die erhöhten Bewertungen folgen daher insbesondere aus geänderten Bezugszahlen, die an das aktuelle Marktniveau des Immobilienmarktes angepasst sind. Außerdem wird die Gesamtnutzungsdauer der Gebäudearten „Ein- und Zweifamilienhäuser“, „Mietwohngrundstücke“, „Wohnungseigentum“ sowie „Gemischt genutzte Grundstücke“ von 70 auf 80 Jahre erhöht, woraus sich ein höherer Nutzungswert ergibt.

 

III.    Steuerliche Freigrenzen

Der Steuerfreibetrag für Schenkungen kann gemäß § 16 Abs. 2 ErbStG alle zehn Jahre erneut ausgeschöpft werden und gilt für jede schenkende Person einzeln. Das heißt beispielsweise bei Schenkungen von Eltern an Kinder, dass von jedem Elternteil alle zehn Jahre Vermögen im Wert von 400.000,00 EUR schenkungssteuerfrei an jedes Kind übertragen werden kann (zusammen also 800.000,00 EUR alle zehn Jahre). Die Freibeträge für Erbschaften und Schenkungen betragen gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG:

  • Für Übertragungen an Ehegatten / Lebenspartnern: 500.000,00 EUR
  • Für Übertragungen an Kinder und Stiefkinder: 400.000,00 EUR
  • Für Übertragungen an Enkel, deren Eltern verstorben sind: 400.000,00 EUR
  • Für Übertragungen an Enkel: 200.000,00 EUR
  • Für Übertragungen an Eltern und Großeltern: 100.000,00 EUR
  • Für alle sonstigen Übertragungen: 20.000,00 EUR

 

IV.    Handlungsempfehlung

Eine erhöhte steuerliche Belastung, die im Rahmen einer Übertragung von Immobilienvermögen anfällt, kann – insbesondere in Erbfällen – zu Notverkäufen führen, denn ein Steuerschuldner, der kein ausreichendes liquides Vermögen zur Begleichung der Steuerschuld besitzt, muss sich die notwendigen Barmittel beschaffen. Eine vorausschauende Nachfolgeplanung ist daher in jedem Falle empfehlenswert.

Mehrfamilien- und Geschäftshäuser sollten nach Möglichkeit noch vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 1. Januar 2023 schenkweise übertragen werden. So können die alten Bewertungsverfahren angewendet und die Steuerlast des Schenkungsempfängers optimiert werden. Denn nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht die Steuerschuld am Tag der Ausführung der Schenkung (Zuflussprinzip). Bei Eigentumswohnungen, Ein- und Zweifamilienhäusern gilt das Vergleichswertverfahren schon jetzt und auch in Zukunft. In den Ballungsgebieten, wie z. B. in Dresden, können die Gutachterausschüsse dem Finanzamt ausreichende Vergleichswerte zur Verfügung stellen, die dann Grundlage der Besteuerung jetzt und in Zukunft sind. Nur wenn Vergleichswerte nicht ausreichend zur Verfügung stehen, gilt das Sachwertverfahren, bei dem es ab dem 1. Januar 2023 wegen der geplanten Änderungen dann auch zu erhöhten Erbschaftsteuerwerten kommen wird.

Unter Hinzuziehung eines fachkundigen Steuerberaters sollte jedoch zuvor geprüft werden, wie hoch die konkrete (objektabhängige) Ersparnis durch eine Übertragung vor dem 1. Januar 2023 ist und ob diese im Verhältnis zu den sonstigen Aufwendungen einer verfrühten Übertragung steht. Außerdem sollte überprüft werden, ob eine Übertragung zu Lebzeiten im Einklang mit den sonstigen (nichtsteuerlichen) Interessen der Parteien steht.

In Erbfällen kann bezüglich begünstigtem Vermögen auch auf eine Stundung der Steuerschuld nach § 28 ErbStG zurückgegriffen werden. Diese wird dem Steuerschuldner auf Antrag gewährt. Begünstigtes Vermögen sind beispielsweise vermieteter Wohnraum und selbstgenutzte Ein- und Zweifamilienhäuser (§§ 28 Abs. 3, 13d Abs. 3 ErbStG). Unberührt von den Änderungen des BewG bleibt außerdem die Möglichkeit des Betroffenen, einen niedrigeren Wert der Immobilie nachzuweisen (§ 198 BewG).

 

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