Probleme rund ums Ehegattentestament: Ausfüllen eines Blanketts und Nachweis des Erbrechts bei verschwundenem Original

I. Form des Testaments

Bei privatschriftlichen Testamenten von Eheleuten kann es zu verschiedenen Problemen kommen. Entscheidend ist erst einmal die richtige Form des Testaments. Das Gesetz sieht vor, dass der Erblasser sein Testament durch

  • eine eigenhändig geschriebene und
  • unterschriebene Erklärung (Vornamen und Nachname)

errichten kann.

Dabei soll der Erblasser in dem Testament angeben,

  • zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und
  • an welchem Ort

er sie aufgeschrieben hat.

Jeder Ehepartner kann ein eigenes Testament schreiben (und unterschreiben) und seine Ehefrau/Ehemann als Erben einsetzen. Haben die Ehegatten getrennte Testamente geschrieben, ist es sinnvoll, diese gemeinsam und miteinander verbunden, z.B. zusammengeheftet, aufzubewahren. So ist dann im Todesfall klar, dass es sich um gemeinsame Verfügungen handelt.
Wollen die Eheleute aber ein „Berliner Testament“ errichten, so muss dies in einem einzigen Schriftstück erfolgen, d.h. einer der beiden Erblasser schreibt alle Regelungen nieder und der andere Ehepartner unterschreibt. Auch in diesem Fall soll der Ehepartner angeben, zu welcher Zeit und an welchem Ort er seine Unterschrift beigefügt hat.

 

II. Beispielsfall: Streit ums Berliner Testament

Ein Ehepaar möchte sich in einem gemeinsamen privatschriftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben und als Schlusserben – für den Längerlebenden frei abänderbar – zwei der drei Kinder eingesetzt. Die Beiden schreiben das Testament handschriftlich und unterschreiben beide ordnungsgemäß. Das Problem: Das Testament sieht nicht so ordentlich aus, wie sie es sich vorstellen. Deshalb vereinbarten die beiden, dass die Ehefrau es neu schreiben soll. Hierfür gibt der Ehemann ihr ein unterschriebenes Blatt Papier, auf dem die Ehefrau das ursprüngliche Testament noch einmal Wort für Wort abschreibt und unterschreibt.
Die Eheleute bewahren das erste Testament trotzdem auf. Der Ehemann verstirbt.

Die Erblasserin und ihre drei Kinder streiten um die Wirksamkeit des von ihr auf das zuvor unterschriebene Blankette abgeschriebene Testament.
Das ursprüngliche Testament ist verschwunden, seit ein Kind in Abwesenheit der Mutter in der Wohnung war.

 

1. Ausfüllen eines Blanketts

Schon 1993 hat das OLG Hamm (NJW-RR 1993, 269) entschieden, dass die Unterschrift des mitunterzeichnenden Ehepartners nicht vorweg blanko geleistet werden dürfe. Der Ehegatte, der nicht selbst schreibt, müsse seine Unterschrift zeitlich nach dem Verfassen des Testaments leisten. Andere Ansichten werden hierzu nicht vertreten.

Dies bedeutet, dass das zweite Schriftstück aus dem Beispielsfall kein formwirksames Testament ist.

Besonders ist an dem geschilderten Fall aber, dass alle Beteiligten wussten, dass die Erblasserin das erste Testament noch einmal abgeschrieben hatte. Liegt in einem Erbfall ein gemeinschaftliches Testament von Eheleuten vor – handschriftlich mit zwei Unterschriften, so spricht eine tatsächliche Vermutung erst einmal dafür, dass die Unterschriften in der gesetzlich vorgesehenen Reihenfolge geleistet wurden.

 

2. Wirksamkeit des ersten Testaments

Im Beispielsfall wurde das erste privatschriftliche Ehegattentestament formwirksam errichtet: eigenhändige Niederschrift und Unterschriften der beiden Ehegatten unter der gemeinsamen Erklärung in der richtigen Reihenfolge.

Erblasser möchten vielleicht kein „unordentliches“ Testament hinterlassen. Es ist aber trotzdem formwirksam, egal wie oft Durchstreichungen vorgenommen werden, Rechtschreibfehler enthalten sind oder die Handschrift krakelig ist.

Die Ehefrau könnte also das erste Testament vorlegen um einen Erbschein zu beantragen.

Im Beispielsfall ist es aber verschwunden, nachdem ein Kind alleine in der Wohnung war. Sollte sich beweisen lassen, dass das Kind das Testament mitgenommen hat, so könnte eine strafbare Urkundenunterdrückung vorliegen (§ 274 StGB). Das Kind könnte dadurch erbunwürdig sein (§ 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB)!

 

3. Nachweis des Erbrechts im Erbscheinsverfahren

Um seine Erbenstellung Dritten gegenüber (z.B. Banken, Versicherungen, Grundbuchamt) zu beweisen benötigt der Erbe einen Erbschein. Diesen muss er beim Nachlassgericht (in Baden-Württemberg beim Notar) beantragen. Bei jedem Antrag muss u.a. zum Nachweis des testamentarischen Erbrechts das Original-Testament vorgelegt werden.

Es gibt allerdings eine Ausnahme, nämlich dann, wenn die vorzulegenden Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen sind. In diesem Fall reichen auch die Angaben anderer Beweismittel. Ein Testament verliert eben nicht seine Wirksamkeit, wenn es ohne den Willen und das Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder nicht auffindbar ist. Vor Gericht wird nicht vermutet, dass bei einem unauffindbaren Testament der Erblasser das Testament beseitigt oder vernichtet hat, weil er es widerrufen wollte. Der Erbe kann nach allgemeiner Ansicht das Vorhandensein, die formgerechte Errichtung und den Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln nachweisen. Es dürfen daher vorhandenen Durchschrift, Abschrift, Fotokopien, Fotos, PDFs oder auch die Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen vorgelegt werden.

 

III. Ergebnis

Im Beispielsfall ist damit zwar die von der Ehefrau angefertigte „Reinschrift“ des gemeinschaftlichen Testaments formunwirksam. Sie kann aber im Erbscheinsverfahren als Beweis dafür vorgelegt werden, welchen Inhalt das wirksame erste „unordentliche“ Testament hatte. So kann die Ehefrau ihr Erbrecht noch beweisen.

 

» Zum Fachgebiet "Testament und Erbvertrag"

» Zur Startseite