Mitbestimmung in der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea – SE)

Die Europäische Gesellschaft (SE) gewinnt in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Zum heutigen Stand sind ca. 500 Unternehmen in Deutschland in der Rechtsform der SE organisiert. Diese Zahl mutet zwar im Vergleich zu etwa 1,4 Mio. GmbH und knapp 14.000 Aktiengesellschaften gering an. Es handelt sich aber zu einem gewichtigen Teil um große, börsennotierte Gesellschaften wie die Allianz, MAN, Porsche, Zalando etc. (vgl. dazu Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand: April 2019, Anhang 14 Rz. 18 ff.; Heckschen, in: FS Westermann, 2008, S. 999 ff.). Als Vorteil für die SE werden aber nicht nur von großen Unternehmen, sondern auch von mittelständischen Unternehmen, vor allem ihre europäische Ausrichtung und ihr internationales Image, ihre Seriosität, die Möglichkeit, zwischen monistischem und dualistischen Verwaltungssystem zu wählen, die Option für eine weitgehend einheitliche Konzernstruktur in Europa und nicht zuletzt die Option, eine bisher bestehende Mitbestimmungsfreiheit oder die sog. Drittelmitbestimmung einzufrieren (vgl. nachstehend), genannt. Insgesamt wächst in Europa die Zahl der SE, auch wenn man konstatieren muss, dass diese von der Bedeutung her die größte Ausprägung erfahren hat. Tschechien weist zwar ebenfalls eine hohe Zahl von SE aus, vielfach handelt es sich hier jedoch um reine Vorratsgesellschaften.

Seit Schöpfung der Rechtsform der supranationalen Societas Europaea (SE) im Jahr 2004 erfreut diese sich großer Beliebtheit bei international tätigen, großen- und mittelständischen Unternehmen. Bei dieser Rechtsform handelt es sich um eine Gesellschaftsform des europäischen Rechts, die einer Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Ein wesentliches Motiv für die Rechtsform der SE ist, dass mit ihr die unternehmerische Mitbestimmung vermieden oder eingefroren werden kann. Seit jeher werden daher die europäischen Regelungen zur Mitbestimmung in der SE von vielen Seiten, insbesondere von Gewerkschaften, als ihr wunder Punkt angesehen. Kritisiert wird insbesondere, dass die SE in vielen Fällen dazu eingesetzt werde, Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte, die bei der Wahl einer deutschen Kapitalgesellschaft bestünden, vorzuenthalten. Obwohl die Rechtsprechung sich schon mehrfach mit diesem Themenkomplex beschäftigt hat und das Mitbestimmungsrecht der SE ein Dauerbrenner in der Literatur ist, sind weiterhin viele Fragen offen, die in der Praxis für Rechtsunsicherheit sorgen.
 

1. Grundlagen

Die Ursache, wieso es im Hinblick auf die unternehmerische Mitbestimmung häufig zu Streitigkeiten kommt, ist im Internationalen Privatrecht zu suchen. Das Recht der unternehmerischen Mitbestimmung richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut. Für deutsche Gesellschaften kommt daher deutsches Mitbestimmungsrecht zur Anwendung. Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen ein Drittel im Aufsichtsrat mit Vertretern der Arbeitnehmer besetzen (§ 1 Abs. 1 DrittelbG). Für Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern besteht eine Quasi-Parität im Aufsichtsrat: Der Aufsichtsrat ist gleichermaßen mit Vertretern der Gesellschafter und der Arbeitnehmer zu besetzen (§ 1 Abs. 1 MitbestG). Bei einem Stimmengleichgewicht kommt dem Aufsichtsratsvorsitzenden aber doppeltes Stimmrecht zu. Damit hat Deutschland die europaweit höchsten Anforderungen an die unternehmerische Mitbestimmung. Vielen Ländern ist das Konzept der Teilhabe von Arbeitnehmervertretern an unternehmerischen Entscheidungen fremd. Andere Länder kennen zwar die unternehmerische Mitbestimmung, diese ist aber deutlich geringer ausgeprägt als in Deutschland.

Die SE wird von den deutschen Mitbestimmungsgesetzen, ebenso wie die Personengesellschaften, nicht erfasst. Darüber hinaus gibt es auch kein originäres europäisches Mitbestimmungsrecht, das zur Anwendung kommen könnte. Die Harmonisierung der unternehmerischen Mitbestimmung scheitert an den unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Vorstellungen und Traditionen zu dieser häufig emotional geführten Thematik. Während Gewerkschaften die unternehmerische Mitbestimmung als wichtigen Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft schätzen, wird sie von vielen Unternehmen als Bürde empfunden. Hieraus erwächst mitunter der Wunsch, sich einer in diesem Punkt liberalen Rechtsordnung zu unterstellen.


2. Mitbestimmung in der SE

Die SE-VO schreibt keine Voraussetzungen für die unternehmerische Mitbestimmung entsprechend dem DrittelbG oder dem MitbestG fest, sondern ist von den Prinzipien der Gestaltungsfreiheit und dem Bestandsschutz geprägt. Auch wenn es keine europäischen Schwellenwerte zur unternehmerischen Mitbestimmung gibt, bedeutet dies nicht, dass die SE per se mitbestimmungsfrei ist. Regelungen zur Mitbestimmung in der SE mit Sitz in Deutschland finden sich in der (europäischen) SE-VO und dem (deutschen) SEBG, das auf der (europäischen) Richtlinie zur Mitbestimmung in der SE beruht. Diese schreibt die sogenannte „Verhandlungs- und Auffanglösung“ bei Gründung einer SE fest, die auch für die grenzüberschreitende Verschmelzung gilt und Ausdruck eines politisch schwer erkämpften Kompromisses ist. Ziel dieser Vorschrift ist es, der Gefahr der Mitbestimmungsvermeidung durch Gründung einer nicht originär mitbestimmungspflichtigen SE zu begegnen, indem jedenfalls der mitbestimmungsrechtliche status quo aufrechterhalten wird.

Eine SE kann durch Verschmelzung, durch Gründung einer Holding-SE, durch Gründung einer Tochter-SE oder durch Umwandlung (Formwechsel) gegründet werden (vgl. Art. 2 SE-VO). Im Gründungsprozess ist auf erster Stufe die Verhandlungslösung anzuwenden. Danach sind zunächst zwingend Verhandlungen über das zukünftige Maß an Mitbestimmung zwischen der Gesellschaft und den Arbeitnehmern durchzuführen. Diese Verhandlungen können bis zu sechs Monate andauern und gegebenenfalls nochmal um sechs Monate verlängert werden. Ohne vorangegangene Mitbestimmungsverhandlungen kann eine SE nicht in das Register eingetragen werden (Art. 12 Abs. 2 SE-VO) und die Satzung darf einer etwaigen Mitbestimmungsvereinbarung auch nicht zuwiderlaufen. Für die Verhandlungen muss auf Arbeitnehmerseite ein sogenanntes Besonderes Verhandlungsgremium (BVG) errichtet werden, welches die Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite führt. Dieses setzt sich aus Arbeitnehmern und Gewerkschaftsmitgliedern zusammen.
Scheitern die Mitbestimmungsverhandlungen oder läuft die Verhandlungsfrist ohne Ergebnis ab, so kommt subsidiär die Auffanglösung zur Anwendung. Dies bedeutet, dass das geltende Mitbestimmungsrecht perpetuiert wird („Vorher-Nachher-Prinzip“). Auf diese Weise wird verhindert, dass nach Gründung der SE ein niedrigeres Mitbestimmungsniveau als zuvor besteht. Eine SE unterfällt daher bei Anwendung der Auffanglösung nur der unternehmerischen Mitbestimmung, wenn die Gesellschaft, aus der sie hervorgeht, bereits mitbestimmt war oder wenn die Gesellschaft mit den Arbeitnehmern freiwillig eine Mitbestimmung vereinbart. Dies bedeutet aber auch, dass eine SE, die aus einer mitbestimmungsfreien Gesellschaft hervorgeht, nicht mitbestimmungspflichtig ist, wenn die Aktionäre dies nicht wollen. Dasselbe gilt für die Verstetigung eines niedrigeren Mitbestimmungsniveaus, wenn eine SE kurz vor Erreichen einer mitbestimmungsrelevanten Schwelle gegründet wird. Man spricht insoweit vom „Einfrieren“ des Mitbestimmungsstatus. Ein nachträgliches Hineinweinwachsen in die unternehmerische Mitbestimmung ist ausgeschlossen, da es gerade keine originären Schwellenwerte für die SE gibt und die nationalen Schwellenwerte nicht (mehr) anwendbar sind. Es fehlt den Arbeitnehmern an einem Hebel, ein höheres Mitbestimmungsniveau durchzusetzen. Da die Mitbestimmungsverhandlungen immer im Schatten des Ergebnisses bei Scheitern der Mitbestimmungsverhandlungen geführt werden (Auffanglösung = Mitbestimmungsfreiheit), haben die Arbeitnehmer in den Verhandlungen eine schlechte Verhandlungsposition. Sie können den Vorstellungen der Gesellschaft zur zukünftigen Mitbestimmung in der SE in den Verhandlungen nur ihre Macht, die Verhandlungen zu verzögern und damit Effizienzeinbußen zu erzeugen, entgegensetzen. Bevorzugt die Gesellschaft jedoch die Mitbestimmungsfreiheit, sind die Arbeitnehmer machtlos, da sie die Anwendung der Auffanglösung nicht verhindern können. Das Mitbestimmungsrecht, dass durch die Verhandlungs- und Auffanglösung (bzw. „Vorher-Nachher-Prinzip“) gefunden wird, besteht „auf ewig“ dort.


3. Gründung einer SE als Vehikel zur Mitbestimmungsvermeidung

Wie bereits angedeutet kann die Umwandlung einer bestehenden mitbestimmungsfreien Gesellschaft in eine SE zum dauerhaften „Einfrieren“ des mitbestimmungsrechtlichen status quo genutzt werden. Ein Wechsel in die Rechtsform einer SE bietet sich damit insbesondere an, wenn ein „Hineinwachsen“ in die unternehmerische Mitbestimmung oder die Überschreitung der Schwelle zur paritätischen Mitbestimmung (2000 Arbeitnehmer) in nächster Zeit zu erwarten ist. Dies stellt eine legale und legitime Vermeidung der unternehmerischen Mitbestimmung dar. Für die Praxis erweist sich die Gründung einer SE damit als wichtiges Gestaltungsinstrument zum dauerhaften „Entfliehen“ aus dem hohen deutschen Mitbestimmungsniveaus. Auch kann eine arbeitnehmerlose Vorrats-SE eingesetzt werden, um die Mitbestimmungsfreiheit zu perpetuieren.

In Deutschland haben solche Gestaltungen angesichts des hohen Mitbestimmungsniveaus eine große praktische Bedeutung. Gleichwohl ist die Gründung einer SE angesichts des komplizierten Gründungsverfahrens mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden (z.B. Mindestkapital von 120.000 €) und setzt darüber hinaus auch ein grenzüberschreitendes Element voraus. Angesichts der vielen weiteren Vor- und Nachteile einer SE kann die Mitbestimmungsvermeidung damit immer nur eins von vielen Motiven der Rechtsformwahl darstellen (ausführlich dazu Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand: April 2019, Anhang 14: Europäische Gesellschaft, Rn. 18.0 ff.). Nichtsdestotrotz gibt es auch paritätisch mitbestimmte SE. Nicht jede SE-Gründung kann daher mit dem Motiv der Mitbestimmungsmodifikation begründet werden. Darüber hinaus kann die SE auch zur Verkleinerung des Aufsichtsrats – unabhängig von dem Verhältnis der darin vertretenen Arbeitnehmer – genutzt werden.
Um solche Gestaltungen zu bekämpfen statuiert § 43 Abs. 1 SEBG einen Missbrauchstatbestand. Danach darf eine SE nicht dazu missbraucht werden, den Arbeitnehmern Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten. Ein Missbrauch wird vermutet, wenn ohne Durchführung eines Verfahrens nach § 18 Abs. 3 SEBG innerhalb eines Jahres nach Gründung der SE strukturelle Änderungen stattfinden, die bewirken, dass den Arbeitnehmern Beteiligungsrechte vorenthalten oder entzogen werden. Dieser Tatbestand vermag das „Einfrieren“ der Mitbestimmung durch Gründung einer SE jedoch nicht wirksam zu verhindern und hat keine Praxisrelevanz.

Zu beachten ist auch, dass die SE monistisch strukturiert sein kann (keine Trennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, es besteht nur ein Verwaltungsrat) während sich die deutsche unternehmerische Mitbestimmung auf dualistisch geprägte Gesellschaften bezieht (Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat). Hier lässt sich eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer noch viel weniger begründen als im Aufsichtsrat, da sie in einem monistischen System direkt an unternehmerischen Entscheidungen mitwirken würden und sich nicht primär auf die Überwachung der Vorstandstätigkeit beschränken würden. Die Mobilitätsrichtlinie erkennt dies für grenzüberschreitende Formwechsel, Verschmelzungen und Spaltungen zur Neugründung an, indem sie Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, die Mitbestimmung bei monistischen Gesellschaften auf Drittelparität zu begrenzen.


4. Rechtsprechung

Die Mitbestimmung in der SE ist seit vielen Jahren regelmäßig Gegenstand der deutschen Rechtsprechung. Schon mehrfach ist der Versuch unternommen worden, durch ein Statusverfahren die Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu rügen. Streitgegenständlich ist häufig, ob für die Bestimmung der Auffanglösung der mitbestimmungsrechtliche „Istzustand“ oder der „Sollzustand“ maßgeblich ist. Diese Frage wird relevant, wenn eine Gesellschaft keinen mitbestimmten Aufsichtsrat hat, obwohl sie hierzu verpflichtet wäre, z.B. eine nicht mitbestimmte Aktiengesellschaft mit durchschnittlich 600 Arbeitnehmern. Hier hat sich in Rechtsprechung und Literatur noch kein einheitliches Meinungsbild herauskristallisiert. Verschiedene Obergerichte vertreten hier unterschiedliche Auffassungen. Das OLG München (RNotZ 2020, 583) hat im Jahr 2020 den Soll-Zustand für maßgeblich erachtet. Das LG Frankfurt a.M. (NZG 2018, 1254) sowie das LG Berlin (ZIP 2019, 2057) halten den Ist-Zustand für maßgeblich. Hierfür spricht, dass es gerade Sinn und Zweck der SE ist, bestehende Mitbestimmungsrechte nicht zu vermindern, sondern zu schützen. Hierdurch wird auch Rechtssicherheit vermittelt. Dies gilt nach dem BGH (NZG 2019, 1157) aber nicht, wenn bereits ein Statusverfahren in der alten Rechtsform eingeleitet worden ist. In diesem Fall kann man mit guten Gründen vertreten, dass die Arbeitnehmer anderenfalls ihrer wohlerworbenen Mitbestimmungsrechte durch die „Flucht“ in eine SE „beraubt“ würden.


5. Aktuelle Entwicklungen

Seit ihrer Einführung im Jahr 2004 sind die Mitbestimmungsregeln für die SE im Wesentlichen unangetastet geblieben. Nun ist neuer Schwung in die Diskussion gekommen. Die neue Bundesregierung hat sich auf die Fahne geschrieben, der „Flucht aus der Mitbestimmung in die SE“ einen Riegel vorzuschieben. Im Koalitionsvertrag wurde ausdrücklich das Ziel festgehalten, die unternehmerische Mitbestimmung „weiterzuentwickeln“ und das „Einfrieren“ der unternehmerischen Mitbestimmung sowie die missbräuchliche Umgehung des Mitbestimmungsrechts zu unterbinden. Hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung allein hier wenig ausrichten kann, da die SE-VO auf europäischem Recht beruht und nicht zu erwarten ist, dass Deutschland sich auf dieser Ebene mit seinen europaweit einzigartig hohen Vorstellungen zur Mitbestimmung durchsetzen kann.

Eine zweite Entwicklungslinie ist die Verabschiedung der sogenannten Mobilitätsrichtlinie. Durch diese wird das Recht der grenzüberschreitenden Verschmelzungen novelliert. Gleichzeitig werden erstmals grenzüberschreitende Formwechsel sowie grenzüberschreitende Spaltungen zur Neugründung harmonisiert. Für die unternehmerische Mitbestimmung kommt hier grundsätzlich wie bei der SE die Verhandlungs- und Auffanglösung zur Anwendung. Es gilt jedoch eine Besonderheit gegenüber der SE-VO: Nach der Mobilitätsrichtlinie sind Mitbestimmungsverhandlungen bereits zu führen, wenn die Gesellschaft eine Anzahl an Arbeitnehmern beschäftigt, die vier Fünfteln eines mitbestimmungsrelevanten Schwellenwerts entspricht. Diese Inkohärenz zwischen Mobilitätsrichtlinie und SE-VO sollten behoben werden, um Ausweichkonstellationen zu vermeiden. Denkbar ist hier zum einen die Übertragung der vorgelagerten Verhandlungsschwelle auf die SE. Vorzugswürdig wäre jedoch hier wie dort eine nachgelagerte Verhandlungspflicht: Verhandelt werden muss nur, wenn nachträglich ein mitbestimmungsrelevanter Schwellenwert des Wegzugsstaates erreicht wird. Dies würde auf der einen Seite eine Flucht vor dem Hineinwachsen in die unternehmerische Mitbestimmung effektiv vermeiden und auf der anderen Seite auch diejenigen Gesellschaften vor zeit- und kostenintensiven Verhandlungen bewahren, die die SE nicht aus mitbestimmungsrechtlichen Gründen errichten.

Teilweise wird die Frage gestellt, ob es der unternehmerischen Mitbestimmung in ihrer derzeitigen Form überhaupt noch bedarf. Durch die betriebliche Mitbestimmung könnten Arbeitnehmer weiter auf die Arbeitsabläufe o.ä. Einfluss nehmen. Soweit Gewerkschaften behaupten, die unternehmerische Mitbestimmung führe zu Wohlstands- und Effizienzsteigerungen müsse man dem mit der (rhetorischen) Frage begegnen, wieso Gesellschaften, die nicht der unternehmerischen Mitbestimmung unterliegen, insbesondere ausländische Gesellschaften, nicht freiwillig einen mitbestimmten Aufsichtsrat einrichten. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass sich der deutsche Sonderweg bei der unternehmerischen Mitbestimmung angesichts der vom EuGH in der Rechtssache „Polbud“ anerkannten freien Rechtsformwahl innerhalb der europäischen Union ohnehin auf dem absteigenden Ast befindet, da ohne weiteres mit Scheinauslandsgesellschaften von Deutschland aus operiert werden kann.


6. Fazit

Die Regelungen zur Vermeidung der unternehmerischen Mitbestimmung durch Wahl einer SE erweisen sich als wenig effektiv. Sie können zuverlässig nur die Flucht „aus“ der Mitbestimmung vermeiden, nicht aber die Flucht „vor“ unternehmerischer Mitbestimmung. Im Schatten der Auffanglösung werden die Mitbestimmungsverhandlungen häufig furchtlose ablaufen. Empirische Daten untermauern, dass viele SE mit Sitz in Deutschland, die angesichts ihrer Anzahl an Arbeitnehmern unter nationalem Recht der unternehmerischen Mitbestimmung unterfallen würden, mitbestimungsfrei sind und ihre Anzahl stetig ansteigt. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die geltenden Regelungen in vielen Punkten als reformbedürftig, unabhängig davon, ob man mit den Gewerkschaften eine Verhinderung des „Einfriereffekts“ fordert, oder ob man mehr auf die Effizienz für die Gesellschaften bedacht ist.

 

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