Immobiliengeschäfte mit transmortalen Vollmachten

Die transmortale Vollmacht ist eine Vollmacht, die eine Person vor seinem Tod erteilt und die sowohl vor als auch über den Tod hinaus gelten soll. Eine Tendenz zur befürwortenden Akzeptanz jener Vollmacht ist aus Sicht der Beurkundungspraxis zu begrüßen. So steigt einerseits ohnehin die Erteilung von Vorsorgevollmachten. Andererseits stellt die Ausstellung eines Erbscheins ein kostspieliges Unterfangen dar, indem sich die Kosten gemäß § 40 GNotKG nach dem Wert des Gesamtnachlasses berechnen.

§ 40 GBO befreit mithin Erben von der Pflicht das Grundbuch zunächst berichtigen zu lassen, wofür das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins verlangen wird, um anschließend das Eigentum an einer zum Nachlass gehörenden Immobilie an den Erwerber übertragen zu können.

§ 40 GBO ist nach einer Entscheidung des BGH (Beschluss v. 05.07.2018) auch auf die Auflassungsvormerkung anzuwenden. Zwar spricht der Wortlaut von Übertragungen und Aufhebungen eines Rechts, worunter die Vormerkung nicht zu fassen ist. So sei es jedoch vom Gesetzgeber nicht gewollt, nur Übertragungen auf Vertrauensbasis mit zugleich erklärter Auflassung von der Voreintragungspflicht zu befreien.
Einher mit der Übereignung von Immobilien gehen in den meisten Fällen Finanzierungsgeschäfte. So wird der Erwerbspreis bei einer Vielzahl von Verträgen finanziert und für die Immobilie anschließend eine Finanzierungsgrundschuld zur Sicherung der Forderung eingetragen. Dies wäre ohne eine Voreintragung des Erben allerdings nur möglich, wenn sich der Anwendungsbereich des § 40 GBO auch auf die Finanzierungsgrundschuld erstreckt. Nachdem diese Ausweitung des Anwendungsbereichs von der bisherigen Rechtsprechungspraxis abgelehnt wurde, sprach sich die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung in der jüngsten Vergangenheit zunehmend gegen ein Voreintragungsdogma bei Finanzierungsgrundschulden aus. Bei den angestellten Überlegungen wird über eine Erweiterung des zweiten Hauptsatzes des § 40 Abs. 1 GBO nachgedacht. Demnach ist der Erbe auch dann von der Voreintragungspflicht befreit, wenn der Eintragungsantrag durch die Bewilligung des Erblassers oder eines Nachlasspflegers begründet wird. Der transmortal Bevollmächtigte solle dem Nachlasspfleger rechtskonstruktiv gleichzusetzen sein, da dieser nicht als Amtsträger, sondern ebenfalls als Vertreter auftritt. Das OLG Frankfurt (Beschl. v. 27.06.2017 – 20 W 179/17) führt darüber hinaus an, zwischen der Auflassungsvormerkung und der Finanzierungsgrundschuld liege eine vergleichbare Interessenlage.

Gegner einer Subsumtion der Finanzierungsgrundschuld unter den Wortlaut des § 40 GBO führen an, die Subsumtion der Auflassungsvormerkung sei schon eine weite Auslegung des Wortlauts. Sollte eine weitere Ausdehnung gewollt sein, müsse dies vom Gesetzgeber durch eine Gesetzesänderung in Angriff genommen werden. Zudem lehnen sie sowohl eine vergleichbare Interessenlage als auch die Vergleichbarkeit zwischen dem Nachlasspfleger und dem transmortal Bevollmächtigten ab.

Dem wird entgegengehalten, eine Vergleichbarkeit liege sehr wohl auch mit Blick auf die Geltungsdauer wegen der Widerrufs- und Evokationsrechte der Erben, welche potenziell auf die Zeit begrenzt sei, in welcher eine Ungewissheit über die Rechtsnachfolge bestehe. Zudem würden beide alsbald nach ihrer Bestellung das vom Bucheigentümer abgeleitete Eigentum des Erwerbers belasten.

Das KG (Beschl. v. 22.10.2020 – 1 W 1357/20) knüpft die zugelassene Analogie nicht an den Inhalt der einzutragenden Verfügung, sondern an die Person des Verfügenden an. Indem der Wortlaut ausdrücklich auch eine Bewilligung der Verfügung durch andere Personen erlaubt, die für und gegen den Erben bindend ist, seien keine Anhaltspunkte ersichtlich dem transmortal Bevollmächtigten diese Befugnis abzusprechen.
Handelt es sich bei der transmortal bevollmächtigten Person um den Alleinerben, könnte die Vollmacht mit Eintritt des Erbfalls aufgrund Konfusion erlöschen. In einem aktuellen Beschluss hat das KG auf einen Erbnachweis im Sinne des § 35 GBO bei einem bevollmächtigten Alleinerben verzichtet. Mit Blick auf die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung sei gesichert, dass die transmortale Vollmacht auch dann grundbuchtauglich ist, wenn der Bevollmächtigte ein als solcher festgestellte Miterbe ist, sowie auch wenn die Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten nicht beim Grundbuchamt offenkundig oder im Wege des § 35 GBO nachgewiesen wurde. Zwar sei beim Zusammenfall von Vollmacht und Rechtsinhaberstellung im eigentlichen Sinne keine Konfusion gegeben, es sei allerdings angemessen, eine ins Leere gehende Vollmacht als materiell unwirksam ansehen zu wollen. Dies würde im Ergebnis die Übereignung einer Nachlassimmobilie durch den Bevollmächtigten an einen Dritten ermöglichen, ohne einen Erbnachweis erbringen zu müssen.

Anders sieht das OLG Stuttgart die Ermöglichung der Übereignung von Nachlassimmobilien durch Miterben untereinander. Denn dies würde auf eine Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft hinauslaufen. Die transmortale Vollmacht könne sich nur auf das Vermögen des Erblassers, nicht jedoch auf das Eigenvermögen der Miterben beziehen. Letzteres würde allerdings tangiert, wenn die Erbauseinandersetzung aus den Erbteilen der Miterben erfolge.

Die Schlussfolgerungen des OLG sind aber zu undifferenziert: Das Abstraktionsprinzip verlange eine Differenzierung zwischen dem schuldrechtlichen Erbauseinandersetzungsvertrag und der Auflassung als reinem Erfüllungsgeschäft. Die Vollmacht beziehe sich auf all diejenigen Geschäfte, die der Vollmachtgeber selbst hätte vornehmen können. Der Erblasser kann nicht Teil der schuldrechtlichen Erbauseinandersetzung sein, wohl aber einer Immobilienübereignung durch Auflassung. Da das Grundbuchamt gemäß § 20 GBO lediglich das Vorliegen einer dinglichen Einigung zu überprüfen hat, könne es keinen Unterschied machen, ob der Bevollmächtigte an einen Miterben oder einen unabhängigen Dritten übereignet.

Insgesamt sei damit grundsätzlich eine Tendenz hin zur erweiterten Auslegung des § 40 GBO und mithin einem erleichterten Prozess hinsichtlich der Übereignung und Belastung von Nachlassimmobilien zu erwarten. Einer endgültigen höchstrichterlichen Klärung bedarf es jedoch hinsichtlich der „Konfusion“, der Erbauseinandersetzung und der Anwendbarkeit des § 40 GBO bei der Bestellung von Finanzierungsgrundpfandrechten. Bis dahin nehme der Notar sicherheitshalber den sicheren Weg und setze eine Voreintragung des Verfügenden voraus.

 

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