"Grenzüberschreitende Sitzverlegung"

Die Umstrukturierung über nationale Grenzen hinaus hat Hochkonjunktur. Der EuGH hat mit seinen Entscheidungen in Sachen VALE (EuGH v. 12.07.2012 - Rs. C-378/10) und Polbud (EuGH v. 25.10.2017 - Rs. C-106/16) für praktisch alle Gesellschaftsformen den Weg über die Grenze von einem Staat in den anderen eröffnet. Soweit der Zielstaat an die Sitzverlegung dorthin / dortige Gründung keine besonderen Anforderungen stellt, ist es damit den Gesellschaften ermöglicht, sich die Rechtsform auszusuchen, die ihnen im Bereich Europa/EWR am besten gefällt. Lediglich die Staaten der EU/des EWR, die zwingend vorsehen, dass nicht nur der Satzungssitz, sondern auch der Verwaltungssitz in ihrem Land liegen müssen, lassen die Sitzverlegung nur dann zu, wenn auch gleichzeitig die Verwaltung des Unternehmens dorthin verlegt wird. Es ist demnach zulässig, sowohl von einer bestimmten Rechtsform eines Staates der EU/des EWR (z.B. der GmbH) in die dementsprechende Rechtsform des Zielstaates zu wechseln (z.B. GesmbH in Österreich) als auch eine andere Rechtsform, z.B. die einer Personengesellschaft, zu wählen (homogener oder heterogener Wechsel der Rechtsform). Mit dem Beitrag in der GWR 2020, 449 zeige ich nicht nur die Rechtsentwicklung kurz auf, sondern beleuchte auch, welche Anforderungen insbesondere bei der Sitzverlegung nach Deutschland und von Deutschland aus gelten. Sehr kritisch gehe ich auf eine Entscheidung des OLG Saarbrücken ein, mit der das Gericht schon jetzt verlangt, dass die Grundsätze, die die Mobilitätsrichtlinie vorsieht, zu beachten sind. Dies lehne ich ab, da die Umsetzungsfrist für diese Richtlinie noch bei weitem nicht abgelaufen ist und eine Vorwirkung für Richtlinien jedenfalls nicht zu Lasten der Bürger und Unternehmen anerkannt werden kann (vgl. dazu auch ausf. Heckschen/Stelmaszczyk, BB 2020, 1734). Darüber hinaus gehe ich auf die Voraussetzungen für die Sitzverlegung von Personengesellschaften ein und beleuchte kurz eine aktuelle Entscheidung des OLG Oldenburg (v. 30.06.2020 – 12 W 23/20).

Die Sitzverlegung über die Grenze hinaus wird in der Zukunft immer mehr man Bedeutung gewinnen und beschäftigt uns mittlerweile im täglichen Beurkundungsgeschäft. Allein im vergangenen Jahr wurden bei uns fast 20 Sitzverlegungen innerhalb der EU/des EWR begleitet.

 

Quelle:

Autor: Prof. Dr. Heribert Heckschen

Fundstelle: GWR 2020, 449

 

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