"Fehler und Berichtigungsmöglichkeiten der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung einer AG"

Abstract

"Der zwingende Inhalt der Niederschrift einer Hauptversammlung ist sehr allgemein gehalten. § 130 II 1 AktG beschränkt sich auf die Vorgabe, die Art und das Ergebnis der Abstimmung sowie die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung anzugeben. Die Hauptversammlungsniederschrift besitzt daher ein hohes Fehler- und für den Notar ein hohes Haftungspotenzial. Die Folgen eines mangelhaften Protokolls sind gravierend. Nach § 241 Nr. 2 AktG ist ein fehlerhaft protokollierter Beschluss nichtig bzw. schwebend unwirksam. Teilweise stellt sich die Nichtigkeit der Beschlüsse erst Monate oder Jahre nach der Hauptversammlung im Rahmen einer – insbesondere Vendor – Due Diligence heraus. Berater und Notar werden vor die Frage gestellt, wie damit umzugehen ist und ob eine Heilung möglich oder etwa auf Grundlage eines nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses Empfangenes zurückzuzahlen ist. Der II. Zivilsenat des BGH hat sich mit seiner Entscheidung vom 10.10.2017 (NZG 2017, 1374) ua mit Fragen des zwingenden Protokollinhalts, aber vor allem eingehend mit der Nichtigkeitsfolge des § 241 Nr. 2 AktG und den Möglichkeiten des Notars auseinandergesetzt, ein mangelhaftes Protokoll zu berichtigen."

 

Fazit

"Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 10.10.2017 wichtige Fragen zum Inhalt der notariellen Niederschrift über eine Hauptversammlung beantwortet. Es sind aber längst nicht alle Fragen geklärt. Das Hauptversammlungsprotokoll bleibt damit fehleranfällig. Umso bedeutsamer sind die Ausführungen des II. Zivilsenates zum Umgang mit wirksamkeitsrelevanten Mängeln. Insbesondere die Ausführungen zur Heilung solcher Fehler durch Protokollberichtigung dürften für großes Aufatmen sorgen. Um auf die Möglichkeiten des § 44a II 3 BeurkG ohne weiteres und ohne Wiederholung der Versammlung zurückgreifen zu können, sollte der Notar eine Niederschrift grundsätzlich nur als Tatsachenprotokoll errichten. In jedem Falle sollte er den nach wie vor bestehenden Unsicherheiten bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmales „offensichtliche Unrichtigkeit“ ausweichen und stets eine Nachtragsniederschrift über die Hauptversammlung erstellen. Der Notar sollte umgehend reagieren, wenn er einen Mangel erkennt, und er sollte die AG veranlassen, das korrigierte Protokoll zu veröffentlichen und es selbst zum Handelsregister einzureichen. Der BGH hat ausdrücklich offengelassen, ob eine Protokollberichtigung auch dann noch in Betracht kommt, wenn ein Aktionär Klage aufgrund der Nichtigkeit erhoben und insoweit Dispositionen getroffen hat. Nach hier vertretener Ansicht ist auch dann noch eine Protokollberichtigung zulässig. Die Handlungsmöglichkeiten der prozessualen Erledigung dürften das Interesse des klagenden Aktionärs ausreichend befriedigen. Es ist festzuhalten, dass die Erstellung eines fehlerfreien Hauptversammlungsprotokolls selbst für den Notar keine einfache Aufgabe ist. Insoweit ist es allerdings überraschend, dass der II. Senat in einer jüngeren Entscheidung auch ausländische Notare für die Beurkundung einer Hauptversammlung geeignet hält. Während deutsche Notare sich mit der sehr diffizilen Rechtsprechung auseinandersetzen müssen, wenn sie diese Aufgabe übernehmen, kann diese Kenntnis von einem ausländischen Notar nicht erwartet werden. Der Vorstand einer deutschen AG sollte in diesem Zusammenhang bedenken, dass für die Frage, ob Protokollfehler berichtigt werden können, das ausländische Beurkundungsrecht maßgeblich ist. Versammlungsleiter, die nicht im Aktienrecht geschult sind, sollten sich externer Hilfe bedienen, wenn sie anstatt des Notars bei der nicht zwingend zu beurkundenden Hauptversammlung die Protokollierung übernehmen."

 

Quelle: 

Autoren: Prof. Dr. Heribert Heckschen / Dr. Matthias Kreußlein
Fundstelle: NZG 2018, 401

 

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