Entscheidung des EuGH zur Mitbestimmung von Gewerkschaften nach Umwandlung von Unternehmen in SE

Im Streit darum, wie weit die Rechte der Gewerkschaften nach einer Umwandlung eines Unternehmens in eine Societas Europaea (SE) reichen, hat es nun eine wegweisende Entscheidung des EuGH gegeben (EuGH, Urt. v. 18.10.2022 – C-677/20).

Der Softwarekonzern SAP, der ursprünglich eine Aktiengesellschaft des deutschen Rechts war, wandelte sich 2014 in eine SE um. Es wurde infolgedessen festgelegt, dass der Aufsichtsrat von 16 auf 12 Mitglieder verkleinert werden und das Wahlprozedere angepasst werden solle. Die Gewerkschafter hatten vor der Umwandlung das Recht zwei Mitglieder vorzuschlagen, die in einem separaten Wahlgang gewählt wurden. Dies garantierte, dass die Gewerkschaften im Aufsichtsrat vertreten waren. Nach den neuen Regelungen sollten die Gewerkschaften zwar noch eigene Vorschläge einbringen können, jedoch sollte es für sie keinen eigenen Wahlgang mehr geben. Dadurch war nicht mehr sichergestellt, dass im Aufsichtsrat auch Gewerkschaftsvertreter auf Seiten der Arbeitnehmer sitzen.

IG Metall und ver.di klagten gegen die Änderungen vor dem Bundesarbeitsgericht, welches sich im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH richtete, um Klarheit bezüglich der genauen Regelungen für die SE Umstrukturierungen zu erhalten. Zumindest, so die Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, dürfe der Einfluss der Gewerkschaften als Arbeitnehmervertretungen durch die Umwandlung eines Unternehmens in eine SE in Deutschland nicht verringert werden (BAG, Beschl. v. 18.08.2020, Az. 1 ABR 43/18 (A)).

Der EuGH urteilte nun, dass sofern das nationale Recht dies für die umzuwandelnde Gesellschaft vorsieht, ein getrennter Wahlgang für die Wahl der Arbeitnehmervertreter, welche durch die Gewerkschaften vorgeschlagen werden, beibehalten wird. Im konkreten Fall von SAP sei nach dem neuen Wahlprozedere nicht mehr sicher gewesen, dass auch ein Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat sitzen würde. Die Entscheidung der Europarichter ist also so zu verstehen, dass ein einheitliches Schutzniveau auf Europaebene hergestellt werden muss, sieht das nationale Recht jedoch ein höheres Schutzniveau vor als das Europarecht (in diesem Falle die EU Richtlinie 2001/86), so ist dieses einzuhalten. Insbesondere hinsichtlich der Beteiligungsrechte soll so ausgeschlossen werden, dass mit der Umwandlung eines Unternehmens in eine SE die Arbeitnehmervertreter/Gewerkschaften weniger Rechte genießen als zuvor. Allerdings, so das Urteil des EuGH weiter, müsse dies dann auch für andere europäische Gewerkschaften gleichermaßen gelten.

Damit stellt der EuGH klar, dass durch die Umwandlung eines Unternehmens keinesfalls Rechte der Arbeitnehmer beschnitten oder, wie in diesem Fall, die Mitbestimmung der Gewerkschaften behindert werden sollen. Will ein Unternehmen künftig die Beteiligung der Gewerkschaften am Aufsichtsrat verhindern, so müsste die Umwandlung in eine SE geschehen, wenn noch keine Gewerkschaftsvertreter als Arbeitnehmervertreter in dem Kontrollgremium sitzen.

 

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