Das Wachstumschancengesetz auf der Zielgeraden

Nach dem gegenwärtigen Stand sieht es so aus, dass Ende Februar eine Einigung im Vermittlungsausschuss zum Wachstumschancengesetz gefunden werden kann. Im Folgenden stellen wir Ihnen die aus unserer Sicht besonders relevanten voraussichtlich kommenden Änderungen kurz vor:

 

1.    Steuerfreigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung

Für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung wird eine Steuerfreigrenze von 1.000,00 € eingeführt. Die Regelung soll zur Bürokratientlastung führen. Sofern die Ausgaben die mit ihnen in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Einnahmen übersteigen, können die Einnahmen auf Antrag als steuerpflichtig behandelt werden. Der Antrag soll bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides gestellt werden können.

 

2.      Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern

Zukünftig sollen Anschaffungs- oder Herstellungskosten geringwertiger Wirtschaftsgüter mit einem Wert von bis zu 1.000,00 € sofort vollständig abgezogen werden können. Bisher lag der Wert bei 800,00 €. Dies gilt für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern nach dem 31.12.2023.

Bisher kann ein Sammelposten für bewegliche Wirtschaftsgüter gebildet werden, wenn die jeweiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zwischen 250,00 € und 1.000,00 € liegen. Der Betrag soll auf bis zu 5.000,00 angehoben und die Auflösungsdauer beträgt zukünftig 3 Jahre anstatt 5 Jahre. Die in einem Sammelposten zusammengefassten Wirtschaftsgüter müssen darüber hinaus nicht in einem Sammelposten zusammengefasst, sondern es muss lediglich eine buchmäßige Erfassung erfolgen.

 

3.    Befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Abnutzung (AfA) für Wirtschafsgüter

Die befristete degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter soll fortgeführt und zukünftig auch für Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden können, die nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind. Bei der degressiven AfA bleibt der Abschreibungsprozentsatz immer gleich.

 

4.    Befristete Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude

Für Gebäude, die Wohnzwecken dienen und die vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind, sollen degressiv in Höhe von 6 % abgeschrieben werden können. Im Jahr der Anschaffung oder Herstellung soll die Abschreibung zeitanteilig erfolgen. Der Steuerpflichtige soll ein Wahlrecht erhalten, zur linearen Abschreibung für Abnutzung wechseln zu können.

Solange die degressive Abschreibung für Absetzung vorgenommen wird, sollen keine Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen vorgenommen werden können. Wenn diese eintreten, soll jedoch zur linearen AfA gewechselt werden können.

 

5.    Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau

Ab dem Veranlagungszeitraum 2023 soll eine Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau in Anspruch genommen werden können, wenn durch Baumaßnahmen auf Grund eines nach dem 31.08.2018 und vor dem 01.01.2022 oder nach dem 31.12.2022 und vor dem 01.10.2029 gestellten Bauantrags oder in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige neue, bisher nicht vorhandenen, Wohnungen hergestellt werden, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 5.200,00 € je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. In diesem Fall kann dann eine Sonderabschreibung in Höhe von 4.000,00 € zukünftig in Anspruch genommen werden.

 

6.    Erweiterter Verlustrücktrag

Der bisher auf zwei Jahre beschränkte Verlustrücktrag soll um ein weiteres auf drei Jahre ausgedehnt werden. Die bisher ab dem Veranlagungszeitraum 2020 geltenden Betragsgrenzen von 10 Mio. € bzw. 20 Mio. € (Ehegatten) sollen ab dem Veranlagungszeitraum auf 5 Mio. € und 10 Mio. € (Ehegatten) gesenkt werden. Dies soll ab dem Veranlagungszeitraum 2024 gelten.

 

7.    Erweiterter Verlustvortrag

Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist es so, dass bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. € bzw. 2 Mio. € (Ehegatten) der Verlustvortrag für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich. Für den Teil, der den Sockelbetrag überschreitet, ist der Verlustvortrag auf 60 % des Gesamtbetrages der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Für den Veranlagungszeitraum 2024 bis 2027 wird dieser Prozentsatz auf 75 % angehoben. Dies gilt dann entsprechend auch für die Körperschaftssteuer.

 

8.    Anhebung der Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte

Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften soll zukünftig steuerfrei sein, wenn der im Kalenderjahr erzielte Gesamtgewinn weniger als 1.000,00 € beträgt. Bei gemeinsamer Veranlagung von Eheleuten steht dieser Beitrag beiden einzeln zu.

Für Grundstücksveräußerung wird die Anhebung keine größere Rolle spielen. Die Anhebung kann jedoch insbesondere für Personen, die gelegentlich auf Internetplattformen Gegenstände veräußern, relevant werden, sodass Veräußerungsgewinne zukünftig auch bei einem Gewinn von 600,00 € bis 1.000,00 € steuerfrei sind.

 

9.    Energetische Sanierungsmaßnahmen

Für energetische Maßnahmen an einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude  können zukünftig, mit deren Durchführung nach dem 31.12.2023 begonnen wurde und die vor dem 01.01.2026 abgeschlossen sind, eine Steuermäßigung im Kalenderjahr des Abschlusses der Maßnahme und im nächsten Kalender je 10 % (bisher 7 %) Aufwendungen, höchstens jedoch je 14.000,00 € und im übernächsten Kalenderjahr weitere 10 % (bisher 6 %) der Aufwendungen, höchstens jedoch 12.000,00 €, in Anspruch genommen werden.

 

10.    Option zur Körperschaftsbesteuerung für alle Personengesellschaften

Nunmehr erhalten alle Personengesellschaften die Optionsmöglichkeit, zur Körperschaftsbesteuerung zu optieren. Dies war bisher nur für Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften möglich. Diese Optionsmöglichkeit soll ab dem Tag der Verkündung möglich sein.

Mit der Ausdehnung der Optionsmöglichkeit wird eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft aus ausschließlichen steuerlichen Gründen danach nicht mehr notwendig sein. Eine Umwandlung einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft kann jedoch weiterhin dann sinnvoll sein, wenn in das gesellschaftsrechtliche Haftungsregime der Kapitalgesellschaft gewechselt werden soll.

Im Unterschied zu einer echten Kapitalgesellschaft, bei der ein Zufluss bei einem beherrschenden Gesellschafter bereits mit dem Ausschüttungsbeschluss fingiert wird, ist bei Personengesellschaften ein solcher Beschluss gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehen. Aus diesem Grund soll auch bei beherrschenden Gesellschaftern einer optierenden Personengesellschaft ein kapitalertragssteuerpflichtiger Zufluss erst bei der tatsächlichen Entnahme anzunehmen sein.

Dies bietet einen Vorteil gegenüber der Kapitalgesellschaft, da der Besteuerungszeitpunkt erst auf den tatsächlichen Kapitalzufluss abstellt und dadurch dann die Liquidität bei dem beherrschenden Gesellschafter tatsächlich dann schon eingetreten ist. Bei dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschluss ist die Liquidität zur Zahlung der Kapitalertragssteuer noch nicht zwangsläufig eingetreten.


11.    Umsatzsteuervoranmeldung

Auf die Übermittlung einer Umsatzsteuervoranmeldung wird bei Kleinunternehmen i.S.v. § 19 UStG grundsätzlich verzichtet. Zusätzlich sind Unternehmen von der Pflicht zur Einreichung einer Umsatzsteuervoranmeldung befreit, wenn die Umsatzsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000,00 € betragen hat. Bisher galt dies lediglich für Betriebe von 1.000,00 €. Dies soll ab dem Besteuerungszeitraum 2024 gelten.

 

12.    Umsatzsteuererklärung von Kleinunternehmen

Kleinunternehmer soll zukünftig grundsätzlich von der Übermittlung von Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr befreit sein. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Finanzamt zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung auffordert oder ein Fall des § 18 Abs. 4a UStG vorliegt.  

 

13.    Erbschaft- und Schenkungsteuer im Hinblick auf rechtsfähige Personengesellschaften

Im Hinblick auf die mit dem Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) eintretenden Rechtsänderungen wird durch das Wachstumschancengesetz klargestellt, dass das Transparenzprinzip und das Gesamthandsprinzip auch im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer fortgeführt werden. Bei einer Zuwendung an eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als Erwerber. Bei einer Zuwendung durch eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als Zuwendende.

 

14.    Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen

Bisher bestand eine Anzeigepflicht lediglich bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Diese Anzeigepflicht wird jetzt auch auf bestimmte inländische Steuergestaltungen ausgedehnt. Zur Mitteilung verpflichtet ist grundsätzlich die Person, die die Steuergestaltung konzipiert, bereitstellt, vermarktet, organisiert oder managet. Dies kann grundsätzlich jeder sein. In der Gesetzesbegründung zur grenzüberschreitenden Steuergestaltung wurden Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Banken oder Family Offices ausdrücklich genannt.

Diese Mitteilungspflicht geht dann jedoch auf den Nutzer dieser Steuergestaltung über, wenn die grundsätzlich mitteilungspflichtige Person der Verschwiegenheit unterliegt und der Nutzer der Steuergestaltungen die oben benannte Person nicht von seiner Verschwiegenheit entbunden hat.

Die Verletzung dieser Mitteilungspflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Der Nutzer wird von dieser Mitteilungspflicht regelmäßig nichts wissen. Die grundsätzlich verpflichtende Person wird den Nutzer deshalb auf diese Mitteilungspflicht bzw. die Entbindungsmöglichkeit von der Verschwiegenheitsverpflichtung hinweisen müssen.

Diese Regelung gilt zukünftig auch für Gestaltungen im Bereich der Erbschaft- oder Schenkungssteuer, wenn durch Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung Vermögen übertragen wird, dessen Wert nach Abzug von Nachlassverbindlichkeiten voraussichtlich mindestens 4.000.000,00 € betragen wird.

Diese Mitteilungspflicht kann deshalb zukünftig auch Notare treffen, wenn sie bei der Testamentsgestaltung oder vorweggenommenen Vermögensübertragung steuerliche Gestaltungen konzipiert, die der Steuerersparnis dient und den genannten Betrag in Höhe von 4.000.000,00 € übersteigt.

Da die Mitteilungspflichten unterschiedlicher Personen nebeneinander bestehen, sollten deshalb Notare zukünftig zu mindestens einen entsprechenden Hinweis an die Urkundsbeteiligten mitaufnehmen, wenn eine in dem geplanten § 138l Abs. 3 AO genannten Steuergestaltungen vorliegen könnte.

 

15.    Buchführungspflicht

Zukünftig müssen nur noch gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte, die für den einzelnen Betrieb einen Gesamtumsatz von mehr als 800.000,00 € erzielen bzw. einen Gewinn von mehr als 80.000 € erwirtschaften, Bücher führen. Bisher lag die Grenze bei 600.000,00 € Gesamtumsatz bzw. 60.000,00 € Gewinn.

Diese Regelung gilt für das Wirtschaftsjahr ab dem 31.12.2023.

 

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