Ausschluss der Vermögenssorge im Zusammenhang mit der Nachfolgegestaltung in Familienunternehmen

I. Einführung

Der Ausschluss der elterlichen Vermögenssorge bei Zuwendungen von Todes wegen und Schenkungen an Minderjährige nach § 1638 BGB kann vorteilhaft zur Nachfolgegestaltung in Familienunternehmen eingesetzt werden.    

Als Motive dienen dabei häufig, Liquiditätsabflüssen bzw. Liquiditätsengpässen insbesondere aus dem Unternehmen zu vermeiden und bei dem betreffenden Minderjährigen ein Interesse und Pflichtbewusstsein für das Unternehmen zu entwickeln.

 

II. Gestaltung und Auswirkungen

1. Gründe für die Beteiligung Minderjähriger

Im Vordergrund derartiger Überlegungen steht häufig, dass zukünftigen Liquiditätsproblemen aufgrund den bei einem Erwerb von Todes wegen anfallenden Erbschafts- und Schenkungsteuer vorgebeugt wird. Daneben spielen zudem das Pflichtteilsrecht und das eheliche Güterrecht eine maßgebliche Rolle.

Da gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG die Freibeträge alle zehn Jahre neu zur Verfügung stehen, können auf diesem Weg durch frühzeitige Zuwendung die Freibeträge (§ 16 ErbStG) mehrfach ausgenutzt werden (vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3687); Nitze, Der minderjährige Gesellschafter in Familienunternehmen, 2017, 24 f.).

Neben diesen wirtschaftlichen Gründen (vgl. Bürger, RNotZ 2006, 156 (157)) spielen auch persönliche Gründe eine Rolle, namentlich die Vorbereitung des Minderjährigen darauf, was ihn künftig im Unternehmen erwarten könnte. Wird er frühzeitig in das Unternehmen eingebunden, kann dies sein Pflichtbewusstsein sowie Interesse an dem Unternehmen fördern und auf etwaig künftige Leitungsaufgaben vorbereiten. Auch die Weitergabe von Tradition und der Vorbeugung von Konflikten zwischen Kindern im Wege einer Nachfolgesituation können Auslöser für eine Schenkung an Minderjährige zu Lebzeiten sein [vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3687)].

 

2. Handlungsfähigkeit des Minderjährigen

Hinsichtlich der Umsetzung der Schenkung und der daraus resultierenden möglichen Handlungsfähigkeit des Minderjährigen können sich rechtliche Hürden ergeben. Dazu zählen die allgemeinen Regeln des BGB zum Minderjährigenrecht (§§ 104 ff. BGB), die Regeln über Insichgeschäfte (§ 181 und
§ 1795 BGB) und die familiengerichtlichen Genehmigungserfordernisse (§ 1822 Nr. 3 BGB). Nach diesen Regelungen entscheidet sich, ob der Minderjährige allein oder nur durch Mitwirkung seiner Eltern als gesetzliche Vertreter handeln kann bzw. ob ein Ergänzungspfleger bestellt werden muss und ein Beteiligungserwerb nur mit Genehmigung des Familiengerichts möglich ist.    

Trotz Erwerb der Gesellschaftereigenschaft bedarf die Ausübung der Gesellschafterrechte grundsätzlich immer der Vertretung oder Zustimmung durch die Eltern. Da es sich beispielsweise bei der Ausübung des Stimmrechts um eine Willenserklärung gem. §§ 104 ff. BGB handelt, kann diese nach §§ 104, 105 BGB bereits nicht wirksam abgeben. Die Ausübung des Stimmrechts ist zudem als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft (§ 107 BGB) einzustufen, sodass auch beschränkt geschäftsfähige Minderjährige dieses jedenfalls nicht ohne Mitwirkung ihrer gesetzlichen Vertreter ausüben können [vgl. Flume, NZG 2014, 17 (17)].    

Die Mitwirkung ist auch bei allen anderen Gesellschafterrechten grundsätzlich erforderlich, was gem. § 51 ZPO ebenso für Prozesshandlungen gilt, mithin ist die Wahrnehmung von Gesellschafterrechten bei Minderjährigen Bestandteil der elterlichen Vermögenssorge [vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3687 f.)].

 

3. Ausschluss des elterlichen Einflusses

In denjenigen Fällen, in denen die Eltern mit dem betreffenden Unternehmen keine Berührungspunkte haben oder ein Familienstreit besteht, kann es erwünscht sein, den Einfluss der Eltern zu vermeiden, d.h. die elterliche Vermögenssorge hinsichtlich des zugewendeten Vermögens auszuschließen.
    
Nach § 1638 Abs. 1 BGB hat der Erblasser bzw. Schenker die Möglichkeit, einen Ausschluss eines Elternteils/beider Eltern von der Ausübung der Gesellschafterrechte herbeizuführen. Er kann zudem eine seiner Ansicht nach geeignete Person bestimmen, die die Gesellschafterrechte des Minderjährigen bis zu dessen Volljährigkeit wahrnimmt (Zuwendungspflegschaft, § 1909 Abs. 1 S. 2 BGB). Im Gegensatz zur Ergänzungspflegschaft ist die Zuwendungspflegschaft auf Dauer angelegt [vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3688)]. Die Eltern sind gem. § 1809 BGB verpflichtet, das Erfordernis der der Pflegschaft unverzüglich dem Familiengericht anzuzeigen.

 

4. Voraussetzungen Sorgerechtsbeschränkung des § 1638 BGB

Erforderlich ist, dass es sich um gegenwärtig vorhandene Vermögenswerte handelt, d.h. keine künftigen Erwerbschancen oder Verwertungsrechte. Somit ist die schenkweise Zuwendung von Vermögenswerten durch testamentarische, erbvertragliche und gesetzliche Erbfolge sowie durch ein Vermächtnis und aufgrund einer Pflichtteilsberechtigung erfasst. Seit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts sind neben dem Erwerb von Todes wegen und der unentgeltlichen Zuwendung unter Lebenden auch die unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall erfasst.

Die betreffende Zuwendung kann dabei von Familienmitgliedern (z.B. Eltern) als auch außenstehenden Dritten vorgenommen werden (vgl. Staudinger/Heilmann, § 1638 Rn. 3; MüKo/Huber, § 1638 Rn. 9). Auch der Ausschluss der eigenen Vermögenssorge ist zulässig und bei der Zuwendung von Beteiligten ggf. sogar sinnvoll. Im Fall der Zuwendung und Ausschluss der Vermögenssorge durch die Eltern selbst wird lediglich die Vermögenssorge des anderen Elternteils ausgeschlossen (§ 1638 Abs. 3 BGB) [vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3688)].

Um die Vermögenssorge wirksam ausschließen zu können, ist eine entsprechende Willenserklärung in einem Testament oder einem Erbvertrag, jedoch nicht notwendigerweise in der derselben Erklärung wie die Zuwendung, erforderlich. Bezüglich Zuwendungen zu Lebzeiten bestehen keine besonderen Formerfordernisse, sodass auch ein konkludenter Ausschluss möglich ist. In jedem Fall muss die Ausschlusserklärung jedoch bei der Zuwendung erfolgen und darf nicht früher oder später erfolgen (vgl. Staudinger/Heilmann, § 1638 Rn. 12, 14). Daneben bestehen keine weiteren Voraussetzungen für die Erklärung des Ausschlusses der Vermögenssorge, d.h. er kann beispielsweise auch aufschiebend oder auflösend bedingt erklärt werden. Allein die gesetzlichen Genehmigungstatbestände dürfen müssen gewahrt bleiben und dürfen nicht überzogen werden. Es findet zudem keine Kontrolle durch das Familiengericht statt, mithin kann es die getroffenen Bestimmungen des Zuwendenden nicht aufheben bzw. beschränken (vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3689); Staudinger/Heilmann, § 1638 Rn. 27, 31).

Nehmen die Eltern entgegen dem Ausschluss der Vermögenssorge hinsichtlich des zugewendeten Vermögens Verwaltungsmaßnahmen vor, liegt im Innenverhältnis zum Kind eine Geschäftsführung ohne Auftrag vor, im Außenverhältnis Vertretung ohne Vertretungsmacht mit den Rechtsfolgen der
§§ 177 ff. BGB (vgl. BGHZ 106, 96 = NJW 1989, 984).

 

5. Die Zuwendungspflegschaft

Ein Zuwendungspfleger ist zu bestellen, wenn durch Ausschluss der Elternteile ein verwaltungsfreies Vermögen entsteht. Der Zuwendende kann daneben grundsätzlich jede beliebige Person, insbesondere sich selbst, als Zuwendungspfleger benennen. Eine Ausnahme gilt hierbei für den Testamentsvollstrecker, der beide Ämter nicht zur selben Zeit bekleiden darf, wenn dadurch eine mangelnde Wahrnehmung der Interessen des Kindes droht (vgl. BGH NJW-RR 2008, 963). Die Eltern haben die Möglichkeit, im Namen des Kindes gegen die Auswahl des Zuwendungspflegers Beschwerde einzulegen. Eine eigene Beschwerdebefugnis besteht nur, wenn sie die Wirksamkeit des Ausschlusses und damit die Erforderlichkeit der Pflegerbestellung angreifen (vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3690) m.w.N.; MüKoBGB/Huber, § 1638 Rn. 16).

Vorteilhaft an der Zuwendungspflegschaft ist in diesem Zusammenhang, dass diese als Dauerpflegschaft spätestens mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes endet und somit auch die Vermögenssorge der Eltern entfällt. Dies führt dazu, dass der Zuwendungspfleger nicht für jede einzelne Maßnahme, wie z.B. die Ausübung des Stimmrechts, jedes Mal neu bestellt werden muss, was auch für die Fälle einer Zuwendung durch ein anderes Familienmitglied gilt (vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3690) m.w.N.).


6. Möglichkeiten der Eltern zur Verhinderung der Zuwendung

In diesem Zusammenhang wird die Frage diskutiert, ob die Eltern die mit dem Ausschluss der Vermögenssorge verbundene Erbschaft des Kindes ausschlagen können, mithin den Erwerb von Todes wegen verhindern können.
    
Nach einer Entscheidung des BGH im Jahr 2016 umfasst der Ausschluss der Vermögenssorge auch die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft (vgl. BGH NJW 2016, 3032). Begründet wird die Entscheidung damit, dass das Ausschlagungsrecht wie auch die Erbschaft eine vermögensrechtliche Natur hat und somit der Sorgerechtsbeschränkung nach § 1638 I BGB unterfällt. Da der Ausschluss mit Anfall der Erbschaft wirksam wird, haben die Eltern von Anfang an keine gesetzliche Vertretungsmacht, um rechtsgeschäftlich für das Kind handeln zu können. Im Ergebnis ist somit die gesamte Vermögenssorge bezüglich des Erwerbs von Todes wegen und somit auch die elterliche Vertretungsmacht für die Ausschlagung ausgeschlossen.

Die Argumentation des BGH ist auf lebzeitige Zuwendungen (Erwerb durch Schenkung) hingegen nicht anwendbar, da es in diesem Fall nicht darum geht, einen eingetretenen Rechtserwerb rückgängig zu machen, sondern darum, dass dieser erst noch durch eine dafür erforderliche Mitwirkungshandlung der Eltern vollzogen werden muss. Somit verbleiben bestehende Mitwirkungserfordernisse bezüglich des „Ob“ des Vermögenserwerbs bei den Eltern, anstatt dass sie vom Zuwendungspfleger ausgeübt werden. Auch an anderer Stelle (z.B. bei familiengerichtlichen Genehmigungserfordernissen) werden diese beiden Erwerbsformen unterschiedlich behandelt, sodass kein dogmatischer Bruch besteht [vgl. Staake, NJW 2021, 3687 (3691 f.); BGH NJW 2016, 3032 (3034)].

 

III. Fazit

Insbesondere bezogen auf die Nachfolgegestaltung in Familienunternehmen stellt der Ausschluss der Vermögenssorgen bei Zuwendungen von Todes wegen sowie lebzeitigen Schenkungen ein geeignetes Mittel dar, um unter anderem künftigen Konflikten insbesondere innerhalb der Familie vorzubeugen, die dem Unternehmen schaden können.

Autor: Prof. Dr. Heribert Heckschen, Notar, Dresden

 

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