OLG München 33 U 1473/21
Zur Auslegung der Zuwendung des „vorhandenen Bargeldes“ in einem privatschriftlichen Testament

10.05.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
05.04.2022
33 U 1473/21
ZEV 2022, 462

Leitsatz | OLG München 33 U 1473/21

  1. Zur Auslegung des Begriffes „vorhandenes Bargeld“ in einem privatschriftlichen Testament.
  2. Wendet der Erblasser im Wege des Vermächtnisses mehreren Vermächtnisnehmern das bei seinem Tode „vorhandene Bargeld“ zu, ist eine Auslegung, dass dieses Bargeld auch „leicht verfügbare Bankguthaben“ erfasst (OLG Karlsruhe, ZEV 2007, 380) möglich, aber nicht zwingend.
  3. Es gibt keine Regel, nach der unter dem Begriff „Bargeld“ zwangsläufig auch das auf Bankkonten liegende Geld umfasst wird.
  4. Umstände, die im Rahmen der Testamentsauslegung herangezogen werden sollen, müssen entweder unstreitig oder zuvor vom Gericht festgestellt worden sein.

Sachverhalt | OLG München 33 U 1473/21

Die vermögende Erblasserin hinterließ ein Testament, in dem sie festlegte, dass der Kläger 1/19 des vorhandenen Bargeldes erhalten solle. Der Kläger als Vermächtnisnehmer ging davon aus, dass mit dem Begriff „Bargeld“ das gesamte Geldvermögen gemeint sei. Also nicht nur das physische Bargeld, sondern auch private Bankkonten und Edelmetalle sowie Aktien, Immobilien und Fondsanteile. Auf Grundlage dessen errechnete der Vermächtnisnehmer einen Anspruch in Höhe von 1 Million Euro und machte diesen gerichtlich vor dem zuständigen Nachlassgericht geltend. Dieses entschied, dass nur das physisch vorhandene Bargeld von der Formulierung im Testament umfasst sei. Der Kläger legte beim OLG München Berufung ein.

Entscheidung | OLG München 33 U 1473/21

Das OLG München wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts. Was genau mit dem Begriff „vorhandenes Bargeld“ gemeint ist, ist immer wieder umstritten in gerichtlichen Auseinandersetzungen. In der Rechtsprechung wie auch in der juristischen Literatur ist es anerkannt, dass sich Barvermögen und vorhandenes Bargeld auch auf leicht verfügbare Bankguthaben erstrecken können. Durch Auslegung des Testaments müsse von Fall zu Fall entschieden werden was genau mit den Begriffen gemeint ist. Vorliegend war es ausschlaggebend, dass die Erblasserin sehr kleinteilige Verfügungen vorgenommen hatte und diese in absteigender Bedeutung im Testament geregelt worden waren. Das Bargeld sowie der Schmuck wurden am Ende des Testaments geregelt, wobei der Schmuck mit Würfelwurf unter den Erben verteilt werden sollte. Dies lege nahe, dass die Erblasserin mit dem Begriff „vorhandenes Bargeld“ auch tatsächlich nur das physisch vorhandene Bargeld in Form von Scheinen und Münzen meinte – jedoch nicht das Guthaben auf ihren Konten oder andere Vermögenswerte. Zudem sei die Erblasserin eine wirtschaftlich erfahrene Person gewesen, die den Begriff nicht unabsichtlich verwendet haben dürfte.

Praxishinweis | OLG München 33 U 1473/21

Zwar kann der Begriff „vorhandenes Bargeld“ durchaus auch leicht verfügbare Kontoguthaben umfassen, jedoch muss im Einzelfall jeweils auf den Willen des Erblassers abgestellt werden und damit das Testament ausgelegt werden. Dabei sollten das gesamte Testament und auch die anderen geregelten Verfügungen in Betracht gezogen werden.