OLG Hamm 22 W 24/22
Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Grundstückskäufers durch Gemeinde beim Doppelkauf

26.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamm
23.02.2023
22 W 24/22
BeckRS 2023, 2715

Leitsatz | OLG Hamm 22 W 24/22

  1. Gläubiger eines Berichtigungsanspruchs ist, wer durch die Unrichtigkeit unmittelbar beeinträchtigt ist. Dies ist nur der wirkliche Rechtsinhaber. Ein deliktischer Eigentumsverschaffungsanspruch, den der Käufer eines Grundstücks nach Verkauf des Grundstücks an einen Dritten gegen den Verkäufer geltend macht, wird durch § 894 BGB nicht geschützt.
  2. Erforderlich für die Annahme eines Anwartschaftsrechts ist, dass der Erwerber nach bindender Erklärung der Auflassung und Bewilligung der Eigentumsumschreibung unter Vorlage der Auflassungsurkunde Antrag auf Umschreibung des Eigentums beim Grundbuchamt gestellt hat.
  3. Die bloße Beteiligung an einem fremden Vertragsbruch begründet keinen Anspruch aus Delikt. Neben der positiven Kenntnis des Dritten von der vertraglichen Bindung müssen besondere Umstände vorliegen. Hierbei ist stets eine Gesamtbetrachtung aller Umstände anzustellen.

Sachverhalt | OLG Hamm 22 W 24/22

Der Antragsteller kaufte mit notariellem Vertrag ein Hausgrundstück. Zu seinen Gunsten war im Kaufvertrag eine Vormerkung bewilligt worden, deren Eintragung aber nicht erfolgte. Nach Kaufpreiszahlung nutzte der Antragsteller das Ladengeschäft als Parteibüro für eine Partei, die rechtsextremistische Ansichten vertritt und vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Die Antragsgegnerin – die Gemeinde, in deren Gemeindegebiet das streitgegenständliche Grundstück belegen ist – verweigerte die Erteilung eines baurechtlichen Negativattests und teilte mit, sie werde den dinglichen Vollzug des Kaufvertrags mit allen Mitteln verhindern. Entgegen eines ihr vorliegenden Rechtsgutachtens beschloss die Antragsgegnerin eine Satzung zur Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts nach § 25 BauGB sowie die Änderung der Nutzungsart des streitgegenständlichen Grundstücks. Nach dem erfolglosen Versuch der Ausübung des Vorkaufsrechts, schloss die Antragsgegnerin einen eigenen Kaufvertrag über das streitbefangene Grundstück mit dem Verkäufer und wurde als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Daraufhin begehrte der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Verfügung die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch des Grundstücks sowie hilfsweise die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung an dem Grundstück. Gegen den zurückweisenden Beschluss des Landgerichts erhob der Antragsteller sofortige Beschwerde.

Entscheidung | OLG Hamm 22 W 24/22

Das OLG Hamm befand die zulässige sofortige Beschwerde hinsichtlich der Hilfsanträge, gerichtet auf die Sicherung deliktischer Ansprüche, für begründet.

Die auf die Eintragung eines Widerspruchs gerichteten Hauptanträge hielt das OLG für unbegründet, weil dem Antragsteller kein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gem. § 894 BGB zusteht. Inhaber des Berichtigungsanspruchs ist lediglich, wer durch die Unrichtigkeit des Grundbuchs unmittelbar beeinträchtigt ist. Das ist nur der wirkliche Rechtsinhaber. Als solcher ist Gläubiger eines eventuellen Berichtigungsanspruchs nur der Verkäufer, da der Antragsteller mangels Eintragung im Grundbuch nie Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks geworden ist. Auch eine eigentümerähnliche Stellung aufgrund eines Anwartschaftsrechts des Antragstellers scheidet aus, weil es dafür eines Antrags auf Umschreibung des Eigentums beim Grundbuchamt durch den Antragsteller fehlte.

Das OLG sah hingegen einen durch eine Vormerkung sicherbaren Anspruch auf Eigentumsverschaffung gegen die Antragsgegnerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB für gegeben.

Die bloße Beteiligung an einem fremden Vertragsbruch begründet allerdings keinen Anspruch aus Delikt. Neben der stets erforderlichen positiven Kenntnis des Dritten – hier der Antragsgegnerin – von der vertraglichen Bindung müssen besondere Umstände vorliegen. Als Fallgruppen sind insoweit anerkannt: die Verleitung des Schuldners zum Vertragsbruch, insbesondere in Kombination mit der Freistellung von Ersatzansprüchen, das kollusive Zusammenwirken von Schuldner und Drittem zum Nachteil des Vertragsgläubigers und der Bruch besonderer Treuepflichten. Hierbei ist stets eine Gesamtbetrachtung aller Umstände anzustellen. Die öffentliche Hand – wie vorliegend die Antragsgegnerin – darf dabei die Verfolgung ihrer eigenen Interessen nicht mit denselben Mitteln durchsetzen, wie sie für eine Privatperson noch als hinnehmbar gehalten werden. Sie darf ihre mit ihrer amtlichen Autorität verbundene Vertrauensstellung nicht missbräuchlich einsetzen.

Auch wenn der konkrete Fall nicht eindeutig einer der dargestellten Fallgruppen zugeordnet werden kann, habe das Vorgehen der Antragsgegnerin anhand des für die öffentliche Verwaltung anzulegenden Maßstabs in der Gesamtschau überwiegend wahrscheinlich – was für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ausreicht – ein sittenwidriges Gepräge. Die Antragsgegnerin habe Kenntnis von der vertraglichen Bindung zwischen dem Antragsteller und dem Verkäufer gehabt. Trotz dieser Kenntnis und entgegen dem eingeholten Rechtsrat versuchte sie rückwirkend, und damit offensichtlich rechtswidrig, ein Vorkaufsrecht zu begründen. Nachdem dieser Versuch gescheitert war, sah das Gericht in den geheim gehaltenen Verhandlungen und dem Abschluss eines Kaufvertrags zwischen der Antragsgegnerin und dem Verkäufer überwiegend wahrscheinlich ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil des Antragstellers.

Allein die Tatsache, dass der Antragsteller im Ladenlokal des streitgegenständlichen Objekts ein Bürgerbüro einer rechtsextremistischen Partei betreibt, steht der Sittenwidrigkeit nicht entgegen. Solange eine Partei nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verboten ist, darf sie sich an der politischen Meinungsbildung beteiligen.

Praxishinweis | OLG Hamm 22 W 24/22

Im vorliegenden Fall wurde dem Erstkäufer zum Verhängnis, dass er nicht rechtzeitig die Eintragung der Vormerkung herbeigeführt hatte. Die Gründe dafür sind nicht bekannt, er verzichtete dadurch aber auf das einfachste Mittel zur Sicherung seines Eigentumsübertragungsanspruchs gerade gegen das Risiko eines Doppelverkaufs des Grundstücks.

Auf die Herbeiführung der Eigentumsumschreibung auf den Erstkäufer im Wege der einstweiligen Verfügung aufgrund eines deliktischen Anspruchs sollte man sich anstelle einer Vormerkungseintragung auch nach der Entscheidung des OLG nicht verlassen. Das Gericht hat betont, dass die bloße Beteiligung an einem fremden Vertragsbruch für die Begründung eines solchen Ersatzanspruchs gegen den Zweitkäufer gerade nicht genügt. Hier trat vielmehr die politisch motivierte Verhinderungstaktik der Gemeinde als besonderer Umstand hinzu.

Das effektivste Sicherungsinstrument gegen einen Doppelverkauf ist und bleibt die Eintragung einer Vormerkung. Selbst wenn diese nicht bereits bewilligt wurde, kann sie noch im Wege einer einstweiligen Verfügung bewirkt werden. Versäumt der Erstkäufer dies und hat vor seinem Eintragungsantrag schon der Zweitkäufer einen Antrag auf Eigentumsumschreibung gestellt, kommt eine nachträgliche Eigentumsübertragung auf den Erstkäufer aus deliktischen Ansprüchen nur in Ausnahmefällen zu Hilfe.