OLG Koblenz 15 U 1098/22
Fehlende Beschaffenheitsvereinbarung über Fehlende Beschaffenheitsvereinbarung über Fehlende Beschaffenheitsvereinbarung über „Anteil“ an Instandhaltungsrücklage für verkaufte Eigentumswohnung

29.04.2024

Leitsatz | OLG Koblenz 15 U 1098/22

  1. Vereinbaren die Parteien eines notariellen Wohnungskaufvertrages, der Anteil an der „nach Angaben“ in näher genannter Höhe bestehenden Instandhaltungsrücklage sei „im Kaufpreis enthalten“, liegt darin keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.
  2. Der Umstand, dass die Instandhaltungsrücklage Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft ist, spricht gegen die Annahme, der Verkäufer einer Eigentumswohnung wolle mit der Angabe einer bestimmten Höhe seines Anteils an der Instandhaltungsrücklage zu einem vor dem Beurkundungszeitpunkt liegenden Stichtag die Gewährleistung für das Vorhandensein der Rücklage bei Gefahrübergang übernehmen.

Sachverhalt | OLG Koblenz 15 U 1098/22

Die Klägerin kaufte im Jahr 2019 von dem Beklagten eine Eigentumswohnung „unter Ausschluss sämtlicher Ansprüche und Rechte wegen eines Sachmangels“. Zudem regelte § 3 des Kaufvertrages folgendes: „Der Anteil an der Instandhaltungsrücklage beträgt nach Angaben zum 10.5.2019 rund 31.530 €, ist im Kaufpreis enthalten und geht mit Besitzübergang über.“ Auf dem (einzigen) Konto der WEG war zum 10.05.2019 ein Betrag von 52.550,76 € verbucht. Der Anteil des streitgegenständlichen Wohnungseigentums an der zweigliedrigen Eigentümergemeinschaft von 597/1.000 entspricht rechnerisch einem Betrag von 31.530,46 €. Zum Zeitpunkt der Beurkundung lag kein Beschluss der Eigentümergemeinschaft über die Verwendung des auf dem Konto vorhandenen Geldes vor.

Die vom Beklagten beauftragte Maklerin hatte der Klägerin zuvor ein Exposé mit Stand 01.05.2019 übergeben, in dem es auf Seite 10 u.a. hieß:

"Anstehende Investitionen:
Dachsanierung ca. 30.000 €; Rücklagen vorhanden
Reparatur Freitreppe bzw. Geländer Freitreppe; Rücklagen vorhanden.
Rücklagen Hausverwalterkonto:
ca. 50.000,00 € per 08-2017 - derzeit geparkt für o.g. anstehende Investitionen.“


In Wirklichkeit handelte es sich bei dem Betrag auf dem Konto der WEG nicht um eine „freie“ Instandhaltungsrücklage, die u.a. für die geplante Dachsanierung vorgesehen war. Vielmehr resultierte der Kontostand aus beglichenen Schadensersatzforderungen gegen Bauunternehmen und wurde für die entsprechende Schadensbeseitigung benötigt.

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten u.a. die Zahlung eines Betrages in Höhe von 31.530 €. Aufgrund des Exposés und des Vertrages sei sie davon ausgegangen, dass dieser Betrag als Instandhaltungsrücklage vorhanden sowie beim Verkauf eingepreist worden sei und für die erforderliche Sanierung des Daches zur Verfügung stehe.

Der Beklagte wand dagegen ein, dass mit dem in der notariellen Urkunde als Instandhaltungsrücklage angegebenen Betrag in untechnischer Weise das Guthaben gemeint gewesen sei, welches sich zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses auf dem WEG-Konto befand und rein rechnerisch auf den Anteil des Beklagten an der Wohnungseigentümergemeinschaft entfiel. Den Beteiligten sei bewusst gewesen, dass die Regelung des § 3 des Notarvertrags sich auf dieses Guthaben des WEG-Kontos bezog, das auf die Klägerin übertragen werden sollte.

Das LG hat der Klage weitestgehend stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hin hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Entscheidung | OLG Koblenz 15 U 1098/22

Nach Auffassung des OLG Koblenz habe die Klägerin keinen Anspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB in der auf das Rechtsverhältnis der Parteien anwendbaren, vom 01.01.2002 bis 31.12.2021 geltenden Fassung vom 02.01.2002.

Für einen Zahlungsanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB aF sei erforderlich, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Instandhaltungsrücklage gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB aF getroffen wurde bzw. dass die Klägerin gem. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB aF nach den öffentlichen Äußerungen des Beklagten eine bestimmte Eigenschaft erwarten durfte und hiervon nachteilig abgewichen wurde. Eine Beschaffenheit der Kaufsache hinsichtlich der Instandhaltungsrücklagen sei – entgegen der Auffassung des LG – jedoch nicht vereinbart worden.

Eine Vereinbarung über die Beschaffenheit in § 3 des Kaufvertrages könne objektiv betrachtet nicht festgestellt werden, da es sich lediglich um eine Wissenserklärung oder -mitteilung handle, mit welcher der Verkäufer die Angaben eines Dritten wiedergibt. Seit der Schuldrechtsmodernisierung werde die Annahme einer Vereinbarung über eine bestimmte Beschaffenheit nicht mehr „im Zweifel“, sondern nur noch in eindeutigen Fällen angenommen. Ein solcher eindeutiger Fall läge hier nicht vor. Die Einschränkung „nach Angaben“ deute vielmehr darauf hin, dass der Beklagte nicht für die inhaltliche Richtigkeit der Angabe haften wolle.

Gegen die Annahme, dass der Verkäufer einer Eigentumswohnung eine vertragliche Beschaffenheit für eine bestimmte Höhe der Instandhaltungsrücklage zu einem Zeitpunkt nach dem angegebenen Stichtag wolle, spreche auch eine interessengerechte Auslegung. Die anteilige Instandhaltungsrückstellung gehöre nicht zum Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern eines anderen Rechtssubjekts. Denn unabhängig von einem Eigentümerwechsel bleibe der Verband der Träger des Vermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Rücklage sei ein Teil des Gemeinschaftsvermögens nach § 9a Abs. 3 WEG. Vor diesem Hintergrund wäre eine Verpflichtung zur rechtsgeschäftlichen Übertragung gem. § 275 BGB unwirksam. Der Wille der Parteien sei im Zweifel jedoch nicht auf ein unmögliches Verhalten gerichtet.

Zudem müsse der Käufer einer Eigentumswohnung stets mit einer bereits erfolgten Verwendung von Instandhaltungsrücklagen rechnen, sodass er nicht erwarten kann, dass im Vertrag erwähnte Gemeinschaftsmittel im späteren Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch vorhanden seien. Darüber hinaus betont das OLG Koblenz, dass aus der Eigenschaft des Gemeinschaftsvermögens als wertbildender Faktor für den Kaufpreis allein keine Beschaffenheitsvereinbarung abzuleiten sei.

Weiter stellte das OLG Koblenz fest, dass die Klägerin nach den öffentlichen Äußerungen der Beklagten auch keine weiteren Rücklagen als den rechnerischen Anteil an dem auf dem Gemeinschaftskonto vorhandenen Guthaben erwarten konnte (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB aF). Bei verständiger Würdigung aus der objektiven Sicht eines durchschnittlichen Erwerbers sei ersichtlich, dass es sich bei den „Rücklagen“ im Exposé (ca. 50.000 €) und die anteilige „Instandhaltungsrücklagen“ im Kaufvertrag (31.530,46 € von 52.550,76 €) um den gleichen Vermögensbestandteil der Gemeinschaft handle und nicht etwa um zusätzliche Rücklagen.

Abschließend erklärte das OLG Koblenz es für unbeachtlich, dass es sich bei dem auf dem Gemeinschaftskonto verbuchten Guthaben nicht um eine echte Instandhaltungs- bzw. Erhaltungsrücklage i.S.d. WEG gehandelt habe. Selbst für den Fall, dass eine Widmung dieses Guthabens aufgrund der Herkunft aus der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen bereits erfolgt sei, stehe der Betrag faktisch frei für die Instandhaltung zur Verfügung.

Praxishinweis | OLG Koblenz 15 U 1098/22

Das OLG Koblenz weist ausdrücklich darauf hin, dass die Instandhaltungsrücklage kein (anteiliges) Vermögen der Sondereigentümer ist. Vielmehr ist sie Verwaltungsvermögen der WEG, worüber ein Wohnungseigentümer allein nicht verfügen kann. Folglich ist ein rechtsgeschäftlicher Erwerb des Anteils ausgeschlossen, was auch der Bundesfinanzhof (BFH) im Rahmen der Grunderwerbsteuerfestsetzung festgestellt hat (BFH v. 16.09.2020 – II R 49/17, NZM 2021, 364).

Das OLG Koblenz weist zutreffend darauf hin, dass die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine Beschaffenheitsvereinbarung stellt, hoch sind. Wenn eine Eigenschaftsangabe mit dem Zusatz „nach Angaben“ versehen ist, wird darin regelmäßig keine Vereinbarung der Beschaffenheit zu sehen sein, wonach der Verkäufer für die Richtigkeit dieser Angabe unbedingt verantwortlich sein möchte. Für die notarielle Praxis bedeutet dies, dass die vom Notar gewählten gewöhnlichen Formulierungen (z.B. „nach Angaben der Hausverwaltung“) nach wie vor verwendet werden können, ohne dass eine Haftung des Verkäufers für die Richtigkeit der Angaben zur Höhe der Instandhaltungsrücklagen begründet wird. Eine Haftung des Verkäufers kommt in diesen Fällen lediglich noch für die zuverlässige Weiterleitung der Informationen in Betracht.

Für den Käufer empfiehlt es sich, sofern ihm nicht die letzte Jahresabrechnung der Immobilie oder andere Dokumente vorliegen, aus denen er die anteilige Instandhaltungsrücklage entnehmen kann, eine entsprechende Auskunft des Verkäufers zu verlangen und diese im Kaufvertrag zu dokumentieren.