OLG Frankfurt a. M. 5 U 116/22
§ 179a AktG ist nur bei einer aktienähnlich ausgestalteten Publikums-KG analog anwendbar

25.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a. M.
12.09.2023
5 U 116/22
DStR 2023, 2863 = GWR 2023, 377 (Kittner)

Leitsatz | OLG Frankfurt a. M. 5 U 116/22

§ 179a AktG ist nicht analog auf eine Publikums-KG anwendbar, wenn die Gesellschafter der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens zustimmen müssen.

(amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | OLG Frankfurt a. M. 5 U 116/22

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer Publikums-KG. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass Grundstücksverkäufe der Zustimmung der Gesellschaft bedürfen, wobei eine einfache Mehrheit genügt, während Auflösung oder Vertragsänderungen eine Mehrheit von über 75 % erfordern. Ein Beschluss zur Veräußerung der einzigen Immobilie wurde mit ca. 2/3 Mehrheit gefasst. Der Kläger, selbst Kommanditist der betreffenden KG, argumentiert, dass dieser Beschluss konkludent eine Auflösung der Gesellschaft beinhalte und daher eine qualifizierte Mehrheit von 75 % erfordere. Außerdem gehe mit der Veräußerung eine Änderung des Unternehmensgegenstands einher, weshalb es einer Abänderung des Gesellschaftsvertrags bedurft hätte. Zumindest sei jedoch in diesem Fall §179a AktG analog anwendbar, der ebenfalls eine qualifizierte Stimmenmehrheit von 75% fordert (OLG Frankfurt a. M., 5. Zivilsenat, Urteil v. 12.9.2023 – 5 U 116/22 § 179a AktG; Leuering/Rubner: Übertragung des gesamten Vermögens einer Publikums-KG NJW-Spezial 2024, 48; Kittner, GWR 2023, 377, beck-online).

Entscheidung | OLG Frankfurt a. M. 5 U 116/22

Die Klage des Kommanditisten wurde jedoch abgewiesen. Grund dafür ist, dass der Gesellschaftsvertrag der Publikums-KG keine qualifizierte Mehrheit für den Beschluss über den Verkauf einer Immobilie vorsieht. Es wird betont, dass der Verkauf nicht zwangsläufig eine Auflösung der Gesellschaft oder eine Änderung des Geschäftsgegenstands mit sich bringt. Zudem hatte die KG auch nach dem Verkauf genügend Kapital, um ihren Geschäftszweck fortzuführen. Eine analoge Anwendung des §179a AktG ist ebenfalls nicht gerechtfertigt, da die Publikums-KG strukturell nicht mit der AG vergleichbar ist und die Gesellschafter ausreichende Einflussmöglichkeiten haben. Der Schutzgedanke von §179a AktG ist bei einer Publikums-KG daher nicht relevant, da die Beteiligung der Gesellschafter an der Übertragung des Gesellschaftsvermögens gesichert ist, wodurch eine planwidrige Regelungslücke für eine analoge Anwendung fehlt (OLG Frankfurt a. M., 5. Zivilsenat, Urteil v. 12.9.2023 – 5 U 116/22 § 179a AktG; Leuering/Rubner: Übertragung des gesamten Vermögens einer Publikums-KG NJW-Spezial 2024, 48; Kittner, GWR 2023, 377, beck-online).

Praxishinweis | OLG Frankfurt a. M. 5 U 116/22

Mit der Entscheidung ist die analoge Anwendbarkeit des § 179a AktG auf Publikums-KGen nun für solche Fälle ausgeschlossen. Es genügt die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag, dass die Zustimmung der einfachen Mehrheit der Gesellschafter für die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens ausreicht.

Das entspricht zunächst einmal dem Rechtsgedanken des § 179a AktG, der das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit als Ausnahme statuiert. Denn wird der Rechtsgedanke des § 179a AktG in einen Gesellschaftsvertrag aufgenommen, so kann der Paragraf nicht mehr analog anwendbar sein. Das Resultat erscheint auch interessengerecht, da es der Publikums-KG unbenommen sein sollte, Mehrheitsverhältnisse zu regeln und interessengerecht auszugestalten. Vielmehr sollte die Publikums-KG sich flexibel ausgestaltet und nicht der Normenstrenge des Aktiengesetzes unterwerfen müssen, da sie ansonsten als Investitionsvehikel unattraktiver werden würde (Kittner, GWR 2023, 377, beck-online).

Zudem stellt sich bei einer Publikums-KG die Frage einer analogen Anwendung des § 179a AktG nur, wenn diese eine strukturelle Nähe zur AG aufweist und den Kommanditisten eine vergleichbar geringe Einwirkungsmöglichkeit wie Aktionären einer AG zukommt. Der hier zugrunde liegende Gesellschaftsvertrag sieht aber stets die Zustimmung der Gesellschafter zu Fragen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs vor. Außerdem müssen die Gesellschafter der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens zustimmen. Schutzzweck des § 179a AktG ist es hingegen, die Aktionäre vor einer Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens, ohne ihre Beteiligung zu schützen, indem sowohl ein mit Außenwirkung verbundener Beschlussvorbehalt vorgesehen ist als auch dem Vorstand Informationspflichten auferlegt werden. Dieser Schutz ist bei einer Publikums-KG angesichts des zuvor Gesagten nicht erforderlich. (Leuering/Rubner: Übertragung des gesamten Vermögens einer Publikums-KG NJW-Spezial 2024, 48).

Ungeachtet dessen, dass Gesellschaftsbeschlüsse Auflösungen vorbereiten können, wenn beispielsweise das gesamte Vermögen veräußert wird, sind dies jedoch noch keine Liquidationsbeschlüsse. Der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken sind zustimmungsbedürftige Geschäfte, ohne insoweit eine Ausnahme vom Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit darzustellen (Leuering/Rubner: Übertragung des gesamten Vermögens einer Publikums-KG NJW-Spezial 2024, 48). Die KG verfügte auch nach der Veräußerung noch über ausreichend Kapital, um ihren Geschäftszweck weiter zu verfolgen (Kittner, GWR 2023, 377, beck-online) etwa unter Verwendung des Veräußerungserlöses (Leuering/Rubner: Übertragung des gesamten Vermögens einer Publikums-KG NJW-Spezial 2024, 48).

Das OLG Frankfurt a. M. musste im vorliegenden Fall nicht entscheiden, ob ausnahmsweise § 179a AktG analog anwendbar ist, da es bereits an der strukturellen Ähnlichkeit zur AG fehlte. (Leuering/Rubner: Übertragung des gesamten Vermögens einer Publikums-KG NJW-Spezial 2024, 48). Jedoch entspricht eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Norm auf andere Gesellschaftsformen wohl ohnehin nicht dem gesetzgeberischen Willen. Andernfalls wäre sie im Rahmen einer der vergangenen Reformen ohne weiteres möglich gewesen (Wilsing/Hoveyes EWiR 2022, 325-326).

Die Revision ist beim BGH anhängig unter dem Az. II ZR 137/23.