Sozialversicherungsrechtliche Folgen von nicht aktualisierten Gesellschafterlisten

I. Entwicklung durch das MoMiG

Die Gesellschafter einer GmbH sind im Handelsregister nicht direkt ersichtlich. Vielmehr besteht dafür das Instrument der Gesellschafterlisten - also Listen im Registerordner, die die persönlichen Daten der Gesellschafter, sowie ihre Beteiligungshöhe am Stammkapital der Gesellschaft enthalten.
Mit dem Inkrafttreten des MoMiG  hat sich die Bedeutung solcher Gesellschafterlisten enorm verändert.

 

1. Gesellschafterliste vor dem Inkrafttreten des MoMiG

Bis zum Inkrafttreten des MoMiG kannte das „alte“ GmbH-Recht zwar auch schon Gesellschafterlisten. Diese waren jedoch deutlich unbedeutender, insb. für die Wirksamkeit von Anteilsübertragungen irrelevant.
Nach § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. galt (nur) derjenige als Erwerber eines Gesellschaftsanteils, dessen Erwerb bei der Anmeldung des Überganges nachgewiesen wurde. § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. enthielt keine Bestimmungen zur Gesellschafterliste.

Lediglich § 40 Abs. 1 GmbHG a.F. enthielt Regelungen hinsichtlich der Gesellschafterliste. Danach hatte der Geschäftsführer einer GmbH unverzüglich jegliche Veränderungen im Bestand der Gesellschafter mittels einer Gesellschafterliste anzuzeigen. Diese Pflicht bestand ausdrücklich nur für Geschäftsführer - nicht etwa für mitwirkende Notare. Diese mussten eine etwaige Anteilsabtretung dem Registergericht aber anzeigen, § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG a.F.

 

2. Gesellschafterliste nach dem Inkrafttreten des MoMiG

Seit dem 01.11.2008 „gilt“ nunmehr lediglich derjenige als Gesellschafter der GmbH, der als solcher in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Materiellrechtlich ist der Erwerb eines Gesellschaftsanteils jedoch nicht von der Eintragung in die Gesellschafterliste abhängig - § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG statuiert vielmehr eine „Legitimationswirkung“. Die wohl herrschende Literaturmeinung versteht dies als unwiderlegliche gesetzliche Fiktion der Gesellschafterstellung des Listengesellschafters.  Dies gilt nun sowohl für rechtsgeschäftliche, als auch - anders als nach altem Recht - für Gesellschafterwechsel aufgrund Gesamtrechtsnachfolge.
Gem. § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer weiterhin die Pflicht, unverzüglich nach Veränderungen bei Personen der Gesellschafter oder deren Beteiligungsverhältnissen eine entsprechende Liste einzureichen. Wirkt ein Notar an der Veränderung mit, so trifft diesen allerdings nun die Pflicht zur Einreichung der Liste, § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG.

 

3. Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen - Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des MoMiG

Aus dem Obenstehenden ergibt sich sodann die Frage, ob es bei der Beurteilung, ob ein Gesellschafter abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig iSd § 7 Abs. 1 SGB IV ist, auf die tatsächliche Rechtslage oder den Inhalt der (möglicherweise fehlerhaften) Gesellschafterliste ankommt.

Bei einem Anteilserwerb vor dem Inkrafttreten des MoMiG hatte die Gesellschafterliste bis zum Inkrafttreten des MoMiG keine Bedeutung. Es war - wie bereits erörtert - ausschließlich relevant, ob die Veräußerung bei der Gesellschaft angemeldet wurde, § 16 Abs. 1 GmbHG a.F.

Nach dem 01.11.2008 hat nunmehr nach der Rechtsprechung des BSG alleinig die Gesellschafterliste in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht Relevanz. Nur der in der Gesellschafterliste Eingetragene kann gem. der aktuellen Fassung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG Gesellschafterrechte wahrnehmen. Somit ist die Gesellschafterliste entscheidend im Hinblick auf die Beurteilung der Abhängigkeit der Beschäftigung und damit der Sozialversicherungspflicht - nicht etwa die materielle Rechtslage.

 

II. Problem: Gesellschafterwechsel vor dem Inkrafttreten des MoMiG - „alte“ Liste in neuer Rechtslage

Die Frage, welche Wirkung eine vor dem 01.11.2008 eingereichte Gesellschafterliste nach dem Inkrafttreten des MoMiG (noch) hat, ist höchst umstritten. Probleme ergeben sich insbesondere, wenn die Gesellschafterliste von der materiellen Rechtslage abweicht. Solche falschen Gesellschafterlisten sind vielfach insb. durch Erbfälle und dadurch entstanden, dass der bei Abtretung von Gesellschaftsanteilen stets beteiligte Notar für die Einreichung der Gesellschafterliste vor dem Inkrafttreten des MoMiG nicht zuständig gewesen ist, (s. § 40 Abs. 1 GmbHG a.F.). Aufgrund des Fehlens von praxisrelevanten Folgen von unrichtigen Gesellschafterlisten hat dieses Phänomen bis zur Rechtsänderung lediglich überschaubares Interesse auf sich gezogen.

 

1. Standpunkt der Literatur

Fast einhellig kritisiert wird, dass der Gesetzgeber keine Übergangsregelung vorgesehen hat.  Über die Frage, ob ansonsten auf die Gesellschafterliste oder die materielle Rechtslage abzustellen ist, wird jedoch innerhalb der Literatur mitunter stark gestritten.

Teilweise wird vertreten, dass § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG auch auf bereits vor Inkrafttreten des MoMiG aufgenommene Gesellschafterlisten anzuwenden sei. Der Gesetzgeber habe durch den mit dem MoMiG bewirkten Systemwechsel den Gesellschafterbestand transparenter machen wollen. Die unbestimmte Fortgeltung der alten Rechtslage für Veränderungen im Gesellschafterbestand vor dem 01.11.2008 stünde diesem Ziel dauerhaft entgegen.

Von anderen wird das Ergebnis, dass ordnungsgemäß angemeldete Gesellschafter wohlmöglich mit dem 01.11.2008 ihre Rechte innerhalb der Gesellschaft verlieren und gleichzeitig bereits ausgeschiedene Gesellschafter formell legitimiert würden, als unbillig und vom Gesetzgeber nicht gewollt erachtet. Die Neuregelung würde so in ordnungsgemäße Rechtspositionen eingreifen und nach altem Recht bereits beendete Rechtspositionen wiederaufleben lassen. Dieser „rechtliche Wirrwarr“ sei mit dem Transparenzgedanken nicht zu vereinbaren.

 

2. Standpunkt der Rechtsprechung

Der BGH hat sich bis heute nicht eindeutig zu dieser Frage positioniert.

Das BSG jedenfalls hat in einer aktuellen Entscheidung  seinen Standpunkt bestätigt, dass in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht die Gesellschafterliste - auch wenn unrichtig - Vorrang vor der materiellen Rechtslage genießt. Dies folge bereits aus dem sozialversicherungsrechtlichen Bedürfnis nach Klarheit und Vorhersehbarkeit. Dass gerade für das Gesellschaftsrecht - für das der BGH höchstrichterlich zuständig ist - andere Wertungen bestehen, erkennt das BSG an.

Aus dem Fehlen einer Übergangsregelung zu § 16 Abs. 1 GmbHG (anders als bspw. bei § 16 Abs. 3 GmbHG) folgert das BSG, dass § 16 Abs. 1 GmbHG uneingeschränkt Geltung haben soll - auch für Listen, die bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG eingereicht wurden. Dies sei den Betroffenen auch zumutbar, da zum einen bereits nach altem Recht gem. § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG a.F. eine Pflicht zur Einreichung von Gesellschafterlisten bestand und andererseits auch nach neuem Recht jederzeit eine neue und richtige Liste eingereicht werden könne.

 

III. Fazit

Die Rechtslage ist nach wie vor - auch über 15 Jahre nach dem Inkrafttreten des MoMiG - extrem unsicher.

Unabhängig davon welchen Standpunkt man vertreten möchte, so ist einem jedenfalls die Unsicherheit gerade in gerichtlichen Prozessen gewiss. Es empfiehlt sich daher unbedingt, einen Einblick in das Handelsregister zu nehmen oder nehmen zu lassen und die dort hinterlegte Liste auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Stellen sich dabei Fehler heraus, sollte die Liste schnellstmöglich aktualisiert eingereicht werden. Ansonsten besteht insbesondere für Geschäftsführer ein Risiko, sich schadensersatzpflichtig zu machen.

Jedenfalls in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht scheint das BSG seiner Linie treu zu bleiben, dass ausschließlich der Inhalt der Gesellschafterliste zählt. Diese Entscheidung trifft für gesellschaftsrechtliche Fragen jedoch ausdrücklich keine Aussage und wird zudem in der Literatur mitunter kritisch bewertet.

 

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