Gemeindliches Vorkaufsrecht beim Immobilien-Share-Deal?

Die Stadt Hamburg hat erstmals ein gemeindliches Vorkaufsrecht bei einem Share Deal ausgeübt. Das Besondere an der Transaktion ist dabei, dass der Gemeinde ein gesetzliches Vorkaufsrecht grundsätzlich nur beim Asset Deal zusteht. Beim Asset Deal vollzieht sich die Veräußerung durch die Übertragung der zum Unternehmensvermögen gehörenden Gegenstände, wobei es zu einem Wechsel des Rechtsträgers kommt (Aichberger/ Groh in Weber kompakt, Rechtswörterbuch 9. Edition 2023, Unternehmen, beck-online). Beim Share Deal hingegen werden lediglich die Anteile an einer grundstückshaltenden Gesellschaft an den Erwerber übertragen. Das Grundstück selbst steht jedoch weiterhin im Eigentum der Gesellschaft (Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand: „Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal“, WD 7 – 3000 – 177/18, S. 5); es findet mithin kein Wechsel des Rechtsträgers statt. Der BGH lässt ein Vorkaufsrecht beim Share Deal nur in Umgehungsfällen zu, also wenn der Share Deal nur gewählt wurde, um ein gemeindliches Vorkaufsrecht auszuhöhlen und damit dem Verkauf eines Grundstücks gleichzustellen. Der folgende Beitrag wird den aktuellen Streitstand zur Problematik der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts beim Share Deal zusammenfassen.

Grundsätzlich haben Gemeinden ein gesetzliches Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken, welches sich im § 24 Baugesetzbuch (BauGB) niederschlägt. § 24 Abs. 1 S. 1 BauGB statuiert:

„Der Gemeinde steht ein Vorkaufsrecht zu beim Kauf von Grundstücken […]“.

Der Wortlaut dieser Norm wird allgemein dahingehend ausgelegt, dass hiervon einzig und allein Grundstückskaufverträge erfasst sind (Bundesrat, Drucksache 124/21 vom 11.02.2021, Gesetzesantrag des Landes Berlin: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. des BauGB (Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz), S. 1). Beim Share Deal kommt aber gerade kein Kaufvertrag über das mit dem Vorkaufsrecht belastete Grundstück zustande, sondern über die Anteile an dem Unternehmen, in dessen Eigentum sich das Grundstück befindet. Damit löst ein Share Deal generell keinen Vorkaufsfall aus, selbst wenn ein Grundstück der einzige Vermögenswert des Unternehmens ist (Grziwotz, in BeckOK BauGB, hrsg. Von Spannowsky/Uechtritz, 41. Edition, Stand: 1. Mai 2018, § 24 Rn. 8; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Kommentar zum Baugesetzbuch, 13. Auflage 2016, § 24 Rn. 16). Ergo besteht das gesetzliche Vorkaufsrecht der Gemeinden beim Verkauf von Grundstücken nach § 24 BauGB prinzipiell nur im Rahmen von Asset Deals (Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand: „Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal“, WD 7 – 3000 – 177/18, S. 5).

Problematisch hierbei ist allerdings, dass durch eine gezielte Transaktionsstrukturierung das Vorkaufsrecht der Gemeinde dauerhaft ausgeschlossen (Rödl & Partner, „Vorkaufsrecht beim Share Deal mit Grundstücksbezug: Änderungen im GrEStG und Baulandmobilisierungsgesetz“, www.roedl.de/themen/immobilienwirtschaft/agb-gestaltung-immobilienkaufvertrag, aufgerufen am 26. Februar 2024) und die Wirksamkeit dieses städtebaulichen Instruments beeinträchtigt werden kann. Insbesondere rechtspolitisch ist die Diskussion daher nicht neuartig. So hat das Land Berlin dem Bundesrat schon 2021 einen Gesetzesentwurf seines Senats zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. des BauGB

(Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz)

vorgelegt, über dessen Einbringung es noch zu entscheiden gilt. Jener Gesetzesentwurf schlägt die Ausweitung des gemeindlichen Vorkaufsrechts von Grundstücken auf Share Deals vor. Denn die bisherige wortlautnahe Gesetzesauslegung ist nicht praxisgetreu. Wie schon die Begründung des Berliner Senats zum Gesetzesentwurf über das Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz anmerkt, vollzieht sich die Übertragung der Verfügungsmacht über ein Grundstück bzw. des mit dem Grundstückseigentum verbundenen Vermögenswertes in der Praxis nicht immer durch einen Grundstückskaufvertrag. Vielmehr sind Share Deals zur Grundstücksübertragung längst gängige Praxis. Wirtschaftlich gesehen, ist das Ergebnis dabei das gleiche wie beim Grundstückskaufvertrag. Jedoch erfreut sich der Share Deal besonderer Beliebtheit, da er es ermöglicht, das gemeindliche Vorkaufsrecht zu umgehen sowie Grunderwerbssteuern zu sparen (Bundesrat, Drucksache 124/21 vom 11.02.2021, Gesetzesantrag des Landes Berlin: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. des BauGB (Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz), S. 1 f.). Dem sollte bereits mit Verabschiedung und Inkrafttreten des reformierten Gewerbesteuergesetzes entgegengewirkt werden. Ebenso antizipierte das 2021 in Kraft getretene Baulandmodernisierungsgesetz die Ausweitung des gemeindlichen Vorkaufsrechts, ist es doch nicht punktuell auf die vorliegende Problematik des Share Deals zugeschnitten. (Rödl & Partner, „Vorkaufsrecht beim Share Deal mit Grundstücksbezug: Änderungen im GrEStG und Baulandmobilisierungsgesetz“, www.roedl.de/themen/immobilienwirtschaft/agb-gestaltung-immobilienkaufvertrag, aufgerufen am 26. Februar 2024). Gesetzlich findet sich demnach keine Grundlage für ein gemeindliches Vorkaufsrecht beim Immobilien-Share Deal. Folglich ist in solchen Fallkonstellationen auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückzugreifen.

Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung lässt ein Vorkaufsrecht beim Share Deal als Ausnahme zum klassischen Kaufvertrag nur bei Umgehungsgeschäften zu. Ein Umgehungsgeschäft liegt bei kaufvertragsähnlichen Verträgen vor, die ihrerseits gegeben sind, wenn die Vertragsgestaltung der eines Kaufvertrags so nahekommt, dass sie ihm gleichgestellt wird und der Vorkaufsberechtigte in den Vertrag eintreten kann, ohne die vom Vorkaufsverpflichteten ausgehandelten Konditionen der Veräußerung (Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand: „Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal“, WD 7 – 3000 – 177/18, S. 5; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Oktober 1992 – V ZR 127/90, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1992, S. 236 (237)) zur Wahrung seines Erwerbs- und Abwehrinteresses zu beeinträchtigen (Senat, BGHZ 115, 335 [339 f.] = NJW 1992, 236; NJW 1998, 2136 [2137] = NZM 1998, 450; NJW 2003, 3769). Ob ein kaufvertragsähnlicher Vertrag vorliegt, wird vom BGH anhand folgender Kriterien bestimmt, deren Vorliegen für das Bestehen eines gemeindlichen Vorkaufsrechts sprechen können (BGH NJW 2012, S. 1354 (1355); Beckmann/Ellner, das gemeindliche Vorkaufsrecht nach §§ 24, 25 BauGB beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2018, S. 1187 (1189)):

  • Der Wille der Vertragsparteien ist auf eine Eigentumsübertragung der vorkaufsrechtsbelasteten Sache gerichtet,
  • Das wirtschaftliche Ergebnis der Transaktion ist dasselbe wie bei einem Verkauf des Grundstücks,
  • Der einzige Zweck der Gesellschaftsgründung war die Verwaltung der mit Vorkaufsrechten belasteten Grundstücke oder dieser Zweck steht bei mehreren erkennbar im Vordergrund (Deutscher Bundestag,

Wissenschaftliche Dienste, Sachstand: „Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal“, WD 7 – 3000 – 177/18, S. 6).

Der BGH stützt sich damit auf eine interessengerechte Auslegung des § 24 BauGB und begründet mit dieser die Gleichstellung von Share Deal und Grundstückskauf für die Auslösung des Vorkaufsrechts (Senat, BGHZ 115, 335 [339 f.] = NJW 1992, 236; NJW 1998, 2136 [2137] = NZM 1998, 450; NJW 2003, 3769). Denn immerhin dienen die Vorkaufsrechte der Gemeinde nicht allein der Sicherung der Bauleitplanung, sondern sollen ihnen beim Eigentumswechsel eine den bestehenden städtebaulichen Zielsetzungen entsprechende Grundstücksnutzung sichern (Bundesrat, Drucksache 124/21 vom 11.02.2021, Gesetzesantrag des Landes Berlin: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. des BauGB (Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz), S. 1).

Der Fall aus Hamburg wirft jedenfalls die Frage auf, was die Zukunft diese Schnittstelle aus Bodenpolitik und Recht birgt. Obwohl rechtspolitisch noch nicht viel geschehen ist, um die offensichtliche Lücke im Bereich des gemeindlichen Vorkaufsrechts zu schließen, wird der Gesetzgeber sich nach dem aktuellen Geschehen baldig positionieren müssen. Sei es, indem ein Share Deal an Voraussetzungen geknüpft wird, die den Gemeinden die rechtssichere Feststellung eines Umgehungsgeschäfts ermöglichen würden, oder sei es eine gesonderte Bestimmung in das BauGB einzufügen, nach der das gemeindliche Vorkaufsrecht auch bei Share Deals ausgeübt werden kann (Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand: „Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal“, WD 7 – 3000 – 177/18, S. 7). Denn Hamburg könnte eine Vorbildfunktion gegenüber weiteren Gemeinden zukommen. Wie bereits Finanzsenator Dr. Andreas Dressel in einer Pressemitteilung der Stadt Hamburg unterstreicht, sendet der Fall ein klares Signal an den Immobilienmarkt aus, dass mit der Stadt und ihrer Intervention gerechnet werden muss (Stadt Hamburg, www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/18244494/2024-02-22-fb-vorkaufsrecht-freudenberger/, aufgerufen am 23 Februar 2024). Eine gesetzliche Regelung scheint daher zukünftig unverzichtbar um eine praxisgerechte Gesetzgebung zu gewährleisten und weitere Rechtsunsicherheit vorzubeugen. Gerade wenn dieses Signal auch andere erreicht.

 

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