Personengesellschaft

I. Definition

Personengesellschaften setzen allgemein den vertraglichen Zusammenschluss von mindestens zwei Personen zur Förderung eines gemeinsamen (bestimmten) Zweckes voraus. Durch die Zweckbestimmung werden die Weichen gestellt, welche Form einer Personengesellschaft überhaupt entstehen soll.

Personengesellschaften sind in der Regel durch eine überschaubare Anzahl von Mitgliedern mit persönlichem Vertrauen geprägt. Ihr Bestehen ist von dem Bestand der Mitglieder abhängig. Die Ur-Form der Personengesellschaft ist die sogenannte Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Darüber hinaus gibt es spezielle Personenhandelsgesellschaften wie die Offene Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesellschaft (KG). Im Übrigen ist die Partnerschaftsgesellschaft (PartG) eine Form der Personengesellschaft.

Das Gegenstück zur Personengesellschaft ist die Körperschaft. Dessen Grundtypus ist der Verein. Eine wichtige Ausprägung sind vor allem sogenannte Kapitalgesellschaften, welche keine Abhängigkeit von der Zahl ihrer Mitglieder kennen. Die rechtliche Existenz wird erst durch eine Registrierung erlangt. So müssen etwa eine GmbH oder Aktiengesellschaft ins Handelsregister eingetragen werden. Der formale Gründungsaufwand einer Kapitalgesellschaft ist damit höher. Zudem müssen finanzielle Hürden überwunden werden: die GmbH erfordert ein Mindestkapital von 25.000 €, die Aktiengesellschaft sogar 50.000 €.




Personengesellschaften können vergleichsweise einfach gegründet werden. Dafür sind die Gesellschafter mit der Gesellschaft jedoch eng „verzahnt“. Neben einer unbeschränkten Haftung der Gesellschafter, welche in den Abschnitten II. bis IV. für jede Gesellschaftsform dargestellt wird, gibt es auch steuerrechtliche Unterschiede. Für Kapitalgesellschaften fallen Körperschafts- und Gewerbesteuer sowie der Solidaritätszuschlag an. Gesellschafter müssen zusätzlich Steuer entrichten, wenn Gewinne an sie ausgeschüttet werden.

Innerhalb einer Personengesellschaft werden Gewinne individuell versteuert, das heißt es wird grundsätzlich der Gesellschafter mit seinem wesentlichen Steuersatz  und nicht die Gesellschafter besteuert. Denn die Gesellschaft wird anders als eine Kapitalgesellschaft nicht als Steuersubjekt anerkannt, sondern dessen Gesellschafter. Im Übrigen fallen bei natürlichen Personen Einkommenssteuer und der Solidaritätszuschlag an. Die Höhe richtet sich einerseits nach Umfang der Beteiligung, andererseits nach der einzelnen Steuerlast.

In der Realität ist die Gründung einer Personengesellschaft mit hohen Insolvenz- und Haftungsrisiken behaftet. Diese Form wird daher bei weniger riskanten Tätigkeiten bevorzugt. Umgekehrt verspricht die unbeschränkte Haftung auch mehr Sicherheit für potentielle Darlehensgeber. Im Falle einer Insolvenz der Personengesellschaft könnte sich der Gläubiger an die Gesellschafter halten. Daher fällt es einer OHG in der Gründungsphase meist leichter Kredite aufzunehmen. Für Personen mit höherem Privatvermögen lohnt sich tendenziell mehr die Gründung einer Kapitalgesellschaft.


II. Offene Handelsgesellschaft


1. Entstehung

Eine OHG setzt den Betrieb eines kaufmännischen Handelsgewerbes voraus. Daher bezeichnet man die OHG auch als Personenhandelsgesellschaft.  Bei einer GbR genügt irgendein Zweck (dazu ausführlich unten IV.1.). Ein Handelsgewerbe ist nach der Definition des § 1 Abs. 2 HGB „jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert“.

Die Rechtsfähigkeit der OHG ergibt sich aus § 124 Abs. 1 HGB. Rechtsfähigkeit meint, dass die Personengesellschaft Träger eigener Rechte und Pflichten ist und folglich unter eigenem Namen klagen oder verklagt werden klagen.

Wichtig ist, dass die OHG grundsätzlich ins Handelsregister eingetragen werden muss, bevor sie als juristische Person nach außen auftreten kann. Eine Ausnahme ist in § 123 Abs. 2 HGB geregelt. Danach kann eine OHG auch vor Eintragung als Rechtspersönlichkeit gegenüber Dritten auftreten, wenn eine kaufmännische Tätigkeit unter gemeinschaftlicher Firma vorzeitig und mit Zustimmung aller Gesellschafter aufgenommen wird.

 

 


2. Vertretung der OHG

Die Vertretung einer OHG ist in § 125 Abs. 1 OHG geregelt. Danach kann jeder Gesellschafter die Gesellschaft einzeln nach außen vertreten. Die Einzelvertretung kann jedoch durch den Gesellschaftsvertrag abgeändert oder die Vertretungsmacht einem Gesellschafter entzogen oder auf einen Anderen (zum Beispiel Prokuristen) übertragen werden. Klauseln können frei gestaltet werden. Diese finden ihre Grenze lediglich im sogenannten Prinzip der Selbstorganschaft: um die Handlungsfähigkeit zu wahren, muss immer gewährleistet sein, dass zumindest ein Gesellschafter die Gesellschaft alleine vertreten kann.

Außerdem sind Beschränkungen der Vertretungsmacht im Außenverhältnis nach § 126 Abs. 2 HGB unwirksam. Von der externen Vertretung ist ferner die interne Geschäftsführungsbefugnis zu unterscheiden. Nach § 114 Abs. 1 HGB meint Letzteres Beschlüsse, die nur innerhalb der Gesellschaft gelten.

3. Haftung

Aus der in § 124 Abs. 1 HGB geregelten Rechtsfähigkeit ergibt sich zugleich die Haftung der OHG für Vertragspflichtverletzungen und Schäden aus unerlaubten Handlungen. Die Haftung für Verbindlichkeiten der OHG-Gesellschafter wird durch § 128 HGB begründet. Anders als zum Beispiel bei der GmbH kennt die offene Handelsgesellschaft kein Gründungskapital. Dies hat zur Folge, dass die Komplementäre unbeschränkt und persönlich mit ihrem Privatvermögen haften.

Weitere Informationen zur Offenen Handelsgesellschaft finden Sie hier.


III. Kommanditgesellschaft


1. Entstehung

Soweit in den §§ 161 – 177a HGB nichts anders geregelt ist, finden gemäß § 161 Abs. 2 HGB die für offene Handelsgesellschaften geltenden Vorschriften auch auf die KG Anwendung. Daher gilt für die Gründung einer Kommanditgesellschaft das Gesagte zu § 124 Abs. 1 HGB. Zu beachten ist, dass auch die KG grundsätzlich ins Handelsregister eingetragen werden muss, bevor sie als juristische Person nach außen auftreten kann.

Eine wichtige Besonderheit liegt allerdings in den zwei verschiedenen Arten von Gesellschaftern: auf die Haftsumme beschränkt haftende Gesellschafter (Kommanditisten) und persönlich haftende Gesellschafter (Komplementäre). Neben der Haftsumme muss eine Einlage erbracht werden. Die Kommanditgesellschaft kennt jedoch keine Mindestsumme. Auch ist die Pflichteinlage nicht zwingend in Geld zu erbringen. Alternativ können zum Beispiel Dienstleistungen eingebracht werden.

 

2. Vertretung

Für die Vertretung der Kommanditgesellschaft gelten die gleichen Grundsätze wie bei der OHG (II. 2.).

 

 


3. Haftung

Die Kommanditgesellschaft haftet wie die OHG nach § 124 Abs. 1 HGB und die Komplementäre haften unbeschränkt wie die Gesellschafter einer OHG. Anders verhält es sich beim Kommanditisten. Dessen Haftung hängt davon ab, ob die Verbindlichkeit nach Eintragung seiner Stellung im Handelsregister oder bereits davor zustande kam.

Der Kommanditist haftet nach Eintragung lediglich beschränkt auf seine Haftsumme. Die Haftsumme wird durch den Gesellschaftsvertrag festgelegt. Davon unbedingt zu trennen ist die Einlagesumme. Also eine Geldzahlung, die in das Vermögen der Gesellschaft erfolgt. Haftsumme und Einlagesumme können zwar identisch sein, müssen es aber nicht.

Vor Eintragung ist eine unbeschränkte Haftung für  Verletzungen vertraglicher Pflichten denkbar! Dieser Fall ist in § 176 Abs. 1 HGB geregelt. Dazu muss der Betroffene insbesondere dem vorzeitigen Geschäftsbeginn zugestimmt haben. Durch diese strenge Regel soll das Vertrauen des Rechtsverkehrs geschützt werden, welcher schließlich in Ermangelung der Eintragung keine Kenntnis von der privilegierten Stellung haben kann.

Weitere Informationen zur Kommanditgesellschaft finden Sie hier.


IV. Gesellschaft bürgerlichen Rechts


1. Entstehung

Die GbR entsteht durch Vertrag. Der gemeinschaftliche Zweck ist offener und es genügt  jeder gemeinsame, nicht zwangsläufig wirtschaftliche Zweck, der nicht kaufmännischer Art ist (dann läge eine OHG vor). So kann eine GbR bereites bei der gemeinschaftlichen Anschaffung einer Immobilie oder Organisation einer Gruppenreise  entstehen. Unabhängig vom Zweck ist jedoch stets Verpflichtungswille der Parteien notwendig. Erschöpft sich die Kooperation lediglich in Neben- und Schutzpflichten, fehlt es an einer hinreichenden Motivation rechtlicher Bindung.

Die Rechtsfähigkeit einer GbR war in der älteren Rechtsprechung umstritten. Heute gilt: wenn eine BGB-Gesellschaft nach außen im Rechtsverkehr auftritt, ist sie vergleichbar mit einer OHG und damit gilt 124 HGB entsprechend. Folglich ist sie zumindest „teil-rechtsfähig“. Anders als eine OHG oder KG kann die GbR jedoch ins Handelsregister eingetragen werden. Maßgeblicher Zeitpunkt ist also die tatsächliche Aufnahme der Geschäfte.

 

 


2. Vertretung

Nach § 128 HGB (analog) können Gesellschafter einer GbR Geschäfte im Namen der Gesellschaft schließen. Anders als bei OHG oder KG gilt hier keine Einzel-, sondern Gesamtvertretungsmacht, § 714 BGB. Dieses Prinzip, demnach die Gesellschaft nur mit Billigung aller Gesellschafter vertreten wird, kann vertraglich umgestaltet werden. Denkbar sind zum Beispiel Mehrheitsklauseln, die Vereinbarung von Einzelvertretung oder Bevollmächtigung einer dritten Person (§§ 167 ff. BGB). Auch hier muss das Prinzip der Selbstorganschaft gewahrt werden.

3. Haftung

Da der BGH die Teil-Rechtsfähigkeit der GbR bejaht, besteht folglich auch eine Haftung der Personengesellschaft gegenüber Dritten. Für die GbR-Gesellschafter greifen die Prinzipien zur OHG ein. Danach haften die Beteiligten mit ihrem vollen Privatvermögen.

Weitere Informationen zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts finden Sie hier.

 


V. Ausblick: Inkrafttreten des MoPeG

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) treten ab 1. Januar 2024 zahlreiche neue Regelungen in Kraft. Das zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Regelungskonzept soll mit gegenwärtigen praktischen Bedürfnissen konsolidiert werden. So ist zum Beispiel die Rechtsfähigkeit der nach außen auftretenden GbR dem Wortlaut der §§ 705 ff. BGB nicht unmittelbar zu entnehmen. Der BGH bejahte dies jedoch bereits im Jahr 2001 (BGH, Urteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341). Diese Schieflage wird beseitigt und das Rechtssubjekt einer Außen-GbR nun ausdrücklich anerkannt.

Künftig erlangt die GbR auch Registerfähigkeit und kann sich freiwillig in das neue Gesellschaftsregister am zuständigen Amtsgericht eintragen lassen. Dieses Register orientiert sich am Handelsregister und soll Rechtsklarheit schaffen, indem es den Rechtsverkehr über Haftungs- und Vertretungsverhältnisse aufklärt. Interessant ist, dass Rechte, die in öffentlichen Registern einzutragen sind (z. B. Patentrechte, Aktien, Anteile einer GmbH), nur bei einer Eintragung der GbR erworben werden können. Damit kann praktisch ein indirekter „Registerzwang“ hervorgerufen werden.




Neu sind auch Vorschriften zum Umgang mit fehlerhaften Gesellschafterbeschlüssen. Ein Beschlussmängelrecht gab es bei Personengesellschaften bislang nicht. Ein Verstoß gegen allgemeine Rechtsvorschriften oder den Gesellschaftsvertrag führte automatisch zur Nichtigkeit des Beschlusses. Die hierzu eingeführten Regelungen gelten für die OHG und KG und ähneln dem Umgang mit Rechtsverstößen innerhalb einer Aktiengesellschaft. Beschlüsse, die unter schwerwiegenden Mängeln leiden, bleiben nach wie vor nichtig. Beschlüsse mit einfachen Mängeln erlangen dagegen Rechtskraft, sofern sie nicht mit einer fristgemäß eingelegten Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft beseitigt worden sind.

Weitere Informationen zu dieser Gesetzesreform finden Sie in der nachfolgenden Rubrik „Aktuelle Fachbeiträge“.


Aktuelle Fachbeiträge

Digitalisierungsrichtlinie II – Die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht geht weiter!

I. Hintergrund

Die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht ist weiterhin dynamisch und wird von der EU und dem Bundesjustizministerium vorangetrieben. Den Startschuss bildete die Digitalisierungsrichtlinie 2019/1151. Diese setzte die Vorgaben des sog. Company Law Packages (vgl. dazu Linke, NZG 2021, 309; Bormann/Stelmaszczyk, NZG 2019, 601; Heckschen, NotBZ 2020, 241) um. Deren Vorgaben sind in Deutschland im Jahr 2021 mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) implementiert worden. Hintergrund dieser neuen Regelungen ist ein angestrebter Gewinn an Kostenersparnis und Zeiteffizienz. Das Herzstück des DiRUG ist die Online-Gründung der GmbH (ausf. dazu Knaier, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 5. Aufl. 2023, Kap. 2 Rz. 150 ff.). Auch für weitere Registeranmeldungen sind Online-Verfahren vorgesehen. Die im DiRUG enthaltenen Digitalisierungsfortschritte und Innovationen gingen der Bundesregierung jedoch nicht weit genug. Das DiRUG wurde daher – ebenfalls im Jahr 2022 – durch das DiREG ergänzt (ausf. dazu Heckschen, NZG 2022, 885). Durch dieses Gesetz wurde die Online-Beurkundung ausgeweitet. Darüber hinaus kam es zu Erleichterungen bei Online-Anmeldungen. Schließlich wurden erstmals Regelungen zu der virtuellen Gesellschafterversammlung in der GmbH getroffen.

 

II. Grundlagen

An diese jüngeren Entwicklungen knüpft die EU-Kommission, welche sich in ihrem Arbeitsprogramm das Motto „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ auf die Fahne geschrieben hat, mit ihrem jüngsten Vorschlag an. Am 23.03.2023 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Ausweitung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im EU-Gesellschaftsrecht vorgestellt, durch welchen die Digitalisierungsrichtlinie durch die Aufnahme neuer Vorschriften und die Änderung bestehender Vorschriften weiterentwickelt werden soll (Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 2009/102/EC and (EU) 2017/1132 as regards further expanding and upgrading the use of digital tools and processes in company law, COM(2023) 177 final). Ziel dieser Gesetzgebungsinitiative ist es, bestehende Formalitäten bei grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten weiter abzubauen und den Zugang zu registergebundenen Unternehmensinformationen zu verbessern. Dies gilt insbesondere für Konstellationen, in denen Unternehmen Informationen aus Unternehmensregistern in grenzüberschreitenden Situationen, wozu auch Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gehören, verwenden. Durch diese neuen Vorgaben soll es zu stärker digitalisierten und vernetzten grenzüberschreitenden öffentlichen Dienstleistungen für Gesellschaften kommen. Die Kommission möchte auf diesem Weg auch die Transparenz und das Vertrauen der Binnenmarktteilnehmer in grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten stärken. Dies soll es schließlich auch anderen Behörden auch erleichtern, Missbrauch zu bekämpfen. Gleichzeitig soll der in dem Vorschlag verbundene Bürokratieabbau jährlich rund 437 Mio. EUR an Verwaltungskosten einsparen.  Insbesondere sollen kleine und mittlere Unternehmen entlastet werden. Ein Ziel besteht darin, die Gründung ausländischer Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften bzw. ganz allgemein grenzüberschreitende Geschäftsaktivitäten zu erleichtern.

 

III. Der Entwurf im Einzelnen

Der bislang nur in englischer Sprache vorliegende Entwurf besteht im Wesentlichen aus den folgenden Vorschlägen, welche in die bestehende GesR-RL (RL 2017/1132), in der sich auch die Digitalisierungsrichtlinie wiederfindet, implementiert werden sollen, wobei Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften sowie die EWiV ausdrücklich mit einbezogen werden. Anders als z. B. bei der Mobilitätsrichtlinie (ausf. dazu Habersack, ZHR 187 (2023), 48; Heckschen/Knaier, GmbHR 2023, 317) sind also nicht nur Kapitalgesellschaften Ziel der Kommission.

 

1. Zwingende vorbeugende Kontrolle bei Gründung und Satzungsänderungen

Der Kommissionsentwurf sieht eine Neufassung des Art. 10 GesR-RL-E vor. Die vorgeschlagene Neuregelung beinhaltet die vorbeugende Kontrolle durch Verwaltung oder Judikative im Falle der Gründung und bei jeder Änderung des Errichtungsakts oder der Satzung bei Personen- und Kapitalgesellschaften. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gründungsform online, hybriden oder offline ist. Zudem sollen Mindeststandards für diese Rechtmäßigkeitsprüfung festlegt werden. Diese beinhalten gem. Art. 10 Abs. 2 GesR-RL-E die Einhaltung der formalen Anforderungen an den Gründungsakt bzw. die Satzung, das Nichtvorliegen offensichtlicher materiell-rechtlicher Unregelmäßigkeiten und die Kontrolle, dass die Geld- oder Sacheinlage im Einklang mit dem nationalen Recht geleistet worden ist. Der Entwurf sieht die Möglichkeit der Beteiligung von Notaren an dieser vorgelagerten Kontrolle ausdrücklich vor.

Spannend wird es sein, wie Länder, die im Prinzip nur Unternehmensdateien führen (Malta, Zypern, Irland), diese Vorgaben umsetzen.

 

2. Erweiterung der Registerinhalte

Zunächst sollen die bestehenden Registerinhalte erweitert wird. Dies gilt gem. Art. 14a GesR-RL-E in persönlicher Hinsicht für die Offenlegung von Informationen über Personengesellschaften. Diese sollen zukünftig Informationen wie beispielsweise den Namen, die Rechtsform oder den Vertragssitz in den nationalen Registern und über das durch die Digitalisierungsrichtlinie eingeführte System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (Business Registers Interconnection System bzw. BRIS) offenlegen müssen. Das BRIS verknüpft die mitgliedstaatlichen Register und ermöglicht die unionsweite Suche nach Informationen aus mitgliedstaatlichen Unternehmensregistern. Die erfassten deutschen Personengesellschaftsformen sind entsprechend des Annexes II zum Kommissionsentwurf die oHG und die KG. Die – ab dem 01.01.2024 durch das MoPeG (ausf. dazu Schäfer, Das neue Personengesellschaftsrecht, 1. Auflage 2022; Wertenbruch, JZ 2023, 78) reformierte – (eingetragene) GbR wird hingegen nicht erfasst.

Darüber hinaus sollen zukünftig gem. Art. 14b GesR-RL-E auch konzernbezogenen Informationen offengelegt werden müssen. Dazu zählen beispielsweise der Name und die Rechtsform jeder Tochtergesellschaft sowie der Mitgliedstaat, in welchem diese eingetragen sind. Grundsätzlich soll die Muttergesellschaft in ihrem nationalen Register grundlegende Informationen auch über alle ihre Tochtergesellschaften offenlegen. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die Muttergesellschaft dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegt. Unterliegt die oberste Muttergesellschaft dem Recht eines Drittlandes, solle die Offenlegungspflicht von der in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft erfüllt werden, die der obersten Muttergesellschaft in der Kette am nächsten steht. Darüber hinaus soll auch eine Visualisierung der mitunter komplexen Konzernstrukturen durch das System der Registerverknüpfung zur Verfügung gestellt werden.

Schließlich sollen Kapitalgesellschaften künftig gem. Art. 14 lit. l, m GesR-RL-E auch die Lokalisierung ihrer Hauptverwaltung und ihre Hauptniederlassung offenlegen, wenn diese nicht in dem Mitgliedstaat, in dem der Satzungssitz lokalisiert sind, belegen sind. Diese Vorschrift dient dem Schutz der Stakeholder (insbes. Gläubiger) durch Transparenz. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre Interessen schützen können.

 

3. Grundsatz der einmaligen Erfassung („once-only principle“)

Gegenwärtig besteht die Bürde, dass grenzüberschreitend aktive Unternehmen dieselbe Information mehrfach in unterschiedlichen Mitgliedstaaten einreichen müssen. Dies verursacht für die Unternehmen unnötigen Aufwand und unnötige Kosten. Hier setzt die Kommission an. Nach dem vorgeschlagenen Grundsatz der einmaligen Erfassung müssen Unternehmen bei der Errichtung einer Zweigniederlassung oder eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat die bereits in ihrem nationalen Unternehmensregister verfügbaren Informationen künftig nicht erneut dem Register des Mitgliedstaats, in dem die Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung angemeldet werden soll, übermitteln. Stattdessen sollen die Unternehmensregister die entsprechenden Informationen über das durch die Digitalisierungsrichtlinie eingeführte und mittlerweile in der Praxis bewährte System BRIS austauschen (vgl. Art. 13g Abs. 2a, 28a Abs. 5a GesR-RL-E). Das Register, in dem die Gesellschaft gegründet werden soll, soll diese Informationen aus dem BRIS abrufen.

 

4. Verknüpfung des BRIS mit Registern über Insolvenz und wirtschaftliche Eigentümer

Das BRIS soll zukünftig mit den mitgliedstaatlichen Insolvenzregistern (insolvency registers interconnection – IRI) und den Registern wirtschaftlicher Eigentümer (beneficial ownership registers interconnection system – BORIS)) verknüpft werden. Dadurch soll eine vereinfachte Suche nach Informationen über in der EU ansässige Unternehmen ermöglicht werden. Den Unternehmen soll aufgetragen werden, dass die in den Registern enthaltenen Informationen stets auf dem neuesten Stand müssen. Dies soll einerseits dadurch gelingen, dass Gesellschaften gehalten sind, ihre Informationen in den Unternehmensregistern rechtzeitig zu aktualisieren und einmal jährlich zu bestätigen, dass die Informationen auf dem neuesten Stand sind (vgl. Art. 15 GesR-RL-E). Wenn innerhalb eines Jahres keine Änderung eingetreten ist, soll die Mutter- oder Tochtergesellschaft dies ihrem Register bestätigen. Zur Durchsetzung dieser Vorgaben sollen die Mitgliedstaaten gewährleisten müssen, dass Sanktionen verhängt werden, wenn Gesellschaften Informationen nicht oder verspätet bei den Registern einreichen.

 

5. Einheitliches EU-Gesellschaftszertifikat

Zukünftig soll gem. Art. 16b GesR-RL-E ein von dem Register ausgestelltes – analog und elektronisch verfügbares – EU-Gesellschaftszertifikat mit grundlegenden Informationen über das jeweilige Unternehmen in allen mitgliedstaatlichen Sprachen und kostenlos verfügbar sein. Dieses wird von den mitgliedstaatlichen Registern ausgestellt. Die Gesellschaft kann dadurch grundlegende Informationen wie beispielsweise Existenz, Rechtsform, Sitz, Vertretung nachweisen. In diesem Gesellschaftszertifikat werden darüber hinaus wesentliche Gesellschaftsinformationen wie beispielsweise die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen, in Steuerangelegenheiten oder Genehmigungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat, verfügbar sein. Das Zertifikat muss in allen Mitgliedstaaten als schlüssiger Beweis für die Gründung der Gesellschaft und die in ihm enthaltenen Informationen anerkannt werden. Es wird allerdings aus dem bisherigen Entwurfstext nicht hinreichend klar, ob ein ganz wesentliches Problem des derzeitigen grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs endlich gelöst wird: Aus vielen Registern in Europa ist zwar ersichtlich, wer die vertretungsberechtigten Personen eines Unternehmens sind, nicht aber, wie sie vertreten können, wenn mehrere Vertretungsberechtigte bestellt sind. Anders als in Deutschland ist z. B. in Frankreich oder in den Niederlanden aus dem Register nicht erkennbar, ob mehrere vertretungsberechtigte Personen einzeln oder nur gemeinsam und in welcher Weise sie vertretungsberechtigt sind. Art. 16b Abs. (2) lit. k) ist insoweit unklar, da bei gesamtvertretungsberechtigten Personen nicht eindeutig geregelt ist, in welcher Weise sie mit anderen vertretungsberechtigten Personen vertreten dürfen. Insoweit stellt sich zu diesem Zertifikat die Frage, ob es auch aus Staaten, die bisher keine Registerprüfung nach deutschem Verständnis vorsehen (Malta, Zypern, Irland), zu akzeptieren ist.

 

6. Standardisierte EU Power of Attorney

Darüber hinaus ist die Einführung einer mehrsprachige Mustervollmacht, mit der eine Person in digital beglaubigter Form zur Vertretung eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat ermächtigt wird, vorgesehen. Diese muss im gesamten Binnenmarkt akzeptiert werden. Die Vollmacht wird aber weiter nach nationalem Recht erstellt und kann auch nach nationalem Recht widerrufen werden. Die Vollmacht soll im Unternehmensregister des Unternehmens hinterlegt werden. Dritte mit einem berechtigten Interesse sollen sie dort abrufen können. Ob eine derartige Vollmacht wirklich großen Nutzen bringt, erscheint sehr fraglich, da die Vollmachtgeber in der Praxis stets eine Vielzahl von Einschränkungen etc. wünschen. An dem Vorschlag der Mustervollmacht wird zu arbeiten sein.

 

7. Beseitigung weiterer Formalitäten, z.B. Entbehrlichkeit einer Apostille

Um Bürokratieaufwand einzusparen, sieht der Entwurf in Art. 16d und 16f die Beseitigung von Formalitäten wie der Notwendigkeit einer Apostille oder beglaubigter Übersetzungen von Unternehmensdokumenten vor, wenn beglaubigte Register- oder notarielle Dokumente zu einem gesellschaftsrechtlichen Vorgang grenzüberschreitend in einem anderen Mitgliedstaat verwendet werden. Die Beseitigung der Notwendigkeit einer Apostille im europäischen Rechtsverkehr des Gesellschaftsrechts wäre ein Meilenstein. Die Einholung einer Apostille (vereinfacht: einer Bestätigung, dass z.B. der Notar auch wirklich Notar ist) nimmt in der Praxis viel Zeit in Anspruch und löst erheblichen finanziellen Aufwand aus. Die Apostille war bislang beispielsweise bei der Gründung einer Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich und für fast jede notarielle Urkunde im grenzüberschreitenden Bereich, mit Ausnahme des Rechtsverkehrs mit Frankreich und Österreich, unerlässlich. Durch den Vorschlag würden Verwaltungshürden daher substantiell gesenkt. Das gleiche soll auch für Dokumente und Informationen gelten, die über das BRIS ausgetauscht werden sowie für notarielle Urkunden oder Verwaltungsdokumente im Zusammenhang mit den Verfahren nach der GesR-RL (z.B. Eintragung von Zweigniederlassungen oder grenzüberschreitende Umwandlungen).


IV. Fazit und Ausblick

Es ist sehr zu begrüßen, dass die Kommission bemüht ist, die Binnenmarktintegration weiter auszubauen und ein besseres wirtschaftliches Umfeld für Unternehmen, Verbraucher und Stakeholder wie beispielsweise Investoren und Gläubiger (Stichwort: Transparenz) zu erreichen. Der Entwurf scheint überwiegend ausgewogen und sehr zielführend. Die vorgeschlagenen Verbesserungen in puncto Digitalisierung fügen sich nahtlos in die vorangegangenen Maßnahmen ein und erscheinen geeignet, die anvisierten Ziele zu erreichen. Der Entwurf hat das Potential, die bestehenden bürokratischen Hürden spürbar abzusenken und dadurch den Binnenmarkt zu stärken. Hiervon werden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen profitieren, die im gesamten Binnenmarkt rund 98 – 99 Prozent aller Unternehmen ausmachen. In den nächsten Monaten werden sich das Europäische Parlament und der Rat als Gesetzgebungsorgane mit dem Vorschlag beschäftigen. Es kann daher noch zu inhaltlichen Änderungen kommen. Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass die die Vorgaben innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten der neuen Richtlinie umsetzen müssen. Bis zum Inkrafttreten der neuen nationalen Regelungen wird daher noch einiges an Zeit vergehen.

 

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