OLG Frankfurt a.M. 10 W 21/20
Zwangsgeld bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses wegen der Corona-Pandemie

27.01.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a.M.
09.07.2020
10 W 21/20
ZEV 2020, 557

Leitsatz | OLG Frankfurt a.M. 10 W 21/20

Die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Erben bei Weigerung der fristgerechten Erstellung eines Nachlassverzeichnisses durch Absage des Notartermins durch den Erben aufgrund möglicher eigener Gefährdung durch die Corona-Pandemie ist zulässig.

Sachverhalt | OLG Frankfurt a.M. 10 W 21/20

Die Beschwerdeführerin (77-jährige) wendet sich mit ihrer zulässigen sofortigen Beschwerde gegen die Verhängung eines Zwangsgeldes. Dieses ist ihr auferlegt worden, um der Erteilung eines bereits titulierten Auskunftsanspruchs durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nachzukommen. Diese bringt vor, dass ihr die Wahrnehmung des vereinbarten notariellen Termins nicht zuzumuten sei, da sie aufgrund eigener, stark erhöhten Gefährdungslage im Rahmen der Corona-Pandemie jedweden Kontakt zu Dritten meiden wolle und müsse.

Entscheidung | OLG Frankfurt a.M. 10 W 21/20

Die Verhängung des Zwangsgeldes ist zulässig.

Die Verhängung von Zwangsmaßnahmen wäre gem. § 888 ZPO zwischenzeitlich für den Zeitraum unzulässig, indem eine vorübergehende Unmöglichkeit vorliege. Dafür wäre speziell pandemiebedingt erforderlich, dass eine Terminwahrnehmung auch bei Einhaltung aller gebotenen Schutzmaßnahmen nicht zumutbar ist. Der reine Vortrag, die Beschwerdeführerin sei selbst eine stark gefährdete Person ohne weitere Ausführungen zur Unzumutbarkeit der Wahrnehmung eines Termins unter Einhaltung der spezifischen Hygienemaßnahmen, ist nicht ausreichend. Auf eine entsprechende Mitteilung der Rechtsauffassung des Senats und der Möglichkeit einer weitergehenden Stellungnahme hin erfolgte kein Vortrag.

Praxishinweis | OLG Frankfurt a.M. 10 W 21/20

Die Entscheidung des OLG Frankfurt aM ist wie fast jede aktuelle richterliche Entscheidung zur Covid-Pandemie mit Vorsicht zu genießen und kann im Regelfall nicht verallgemeinert werden. Häufig scheitert das Begehren des Beschwerdeführers oder Klägers bereits aufgrund unzureichendem Vortrag. Hier speziell, da das OLG Frankfurt aM unzureichenden Vortrag der Beschwerdeführerin zur Unzumutbarkeit in der Begründung anführt. Zwar führt das OLG aus, dass im Regelfall nach der Rechtsprechung des BGH eine persönliche Unterredung zwischen Notar und Erbe erforderlich ist, benennt hier unter der pandemiebedingten Situation aber die Möglichkeit, als Ausnahme von diesem Grundsatz abzuweichen. Auch nach diesseitiger Auffassung ist die Ausnahme mit Möglichkeit der Unterredung in Form einer fernmündlichen oder videotelefonischen Unterredung im Rahmen des Pandemieschutzes erstrebenswert. Aber auch bei diesen besonderen Umständen sollte im Einzelfall aufgrund hohen Alters, fehlender Kenntnisse im Umgang mit digitalen Angeboten oder mangels möglicher Hilfe durch Dritte von einer Verhängung eines Zwangsgeldes abgesehen werden können. Dem OLG Frankfurt a.M. blieb mangels Vortrags der Beschwerdeführerin allerdings keine andere Möglichkeit, als die Verhängung des Zwangsgeldes vorzunehmen.

Wir begrüßen allerdings die pandemiespezifische Möglichkeit, die das OLG Frankfurt a.M. mit dieser Entscheidung eröffnet, abweichend bei besonderen Gefährdungslagen auch fernmündliche Angebote unter Beachtung aller relevanten und sicheren digitalen Verfahrensmöglichkeiten anzubieten, um das Infektionsrisiko in dieser spezifischen Lage, insbesondere für stark gefährdete Personen, deutlich zu reduzieren.

Für die Praxis raten wir weiterhin an, verschiebbare Termine oder Termine die nicht zwingend in Präsenzform stattfinden müssen, mit Blick auf das Infektionsrisiko und die Verbreitung bei Risikogruppen derzeit nicht vorzunehmen, jedenfalls digital oder in absoluten Notfällen unter Einhaltung aller erdenklichen Schutzmaßnahmen stattfinden zu lassen.