01.03.2021
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Stuttgart
11.08.2020
20 W 9/20
EWiR 2020, 649
Die Parteien stritten in der Sache um die ordnungsgemäße Besetzung des Aufsichtsrates einer dualistisch-strukturierten SE und prozessual über den hierfür statthaften Rechtsweg. Ein Aktionär (Antragsteller) der Porsche Automobil Holding SE (Antragsgegnerin) behauptete, der Aufsichtsrat der SE müsse paritätisch, d.h. mit einem Arbeitnehmerteil besetzt sein und bestritt insbesondere die Wirksamkeit einer „Beteiligungsvereinbarung“ zwischen Aufsichtsrat und Betriebsrat, welche lediglich eine Besetzung mit Aktionären vorsah. Ende 2018 stellte der Antragsteller beim LG Stuttgart einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats mit dem Ziel einer paritätischen Besetzung“. Die Antragsgegnerin beantragte die Verfahrensverweisung an das – ihrer Ansicht nach ausschließlich zuständige – ArbG Stuttgart und hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens mit Fristgewährung, damit der Antragsteller dort einen Antrag stellen könne. Prozessual fraglich war also, ob der Streit über die anvisierte paritätische Besetzung zu einer Eröffnung der Arbeitsgerichtsbarkeit führt und ob hierfür eine Aussetzung vor dem Landgericht in Betracht kommt.
1. Das LG und das OLG Stuttgart wiesen die Rechtswegrügen der Antragsgegnerin zurück ohne in der Sache zu entscheiden. Das OLG entschied, dass für Streitigkeiten hinsichtlich der Besetzung eines SE-Aufsichtsrates – wie bei einem AG-Aufsichtsrat - das Statusverfahren nach § 98 Abs. 1 AktG i. V. m. Art. 9 Abs. 1 lit. c (ii) SE-VO mit ausschließlicher Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit statthaft ist.
§ 2a Abs. 1 Nr. 3 lit. e ArbGG führt nicht zur Zuständigkeit des Arbeitsgerichts. Danach entscheidet das Arbeitsgericht über sonstige gesellschafts- und konzernrechtliche, das Wahlrecht der Arbeitnehmer zum Aufsichtsrat und dessen persönliche Zusammensetzung betreffende Vorfragen. Zwar stritten die Parteien als Vorfrage über die Wirksamkeit der „Beteiligungsvereinbarung“ im Sinne des § 21 SEBG, worauf § 2a Abs. 1 Nr. 3 lit. e ArbGG nicht verweist. Jedoch umfasst die Verweisung auch die allgemeinen Mitbestimmungsrechte der §§ 34 ff. SEBG. Ein sachlicher Grund, dass sich die Verweisung darüber hinaus nicht auch sinngemäß auf den spezielleren § 21 SEBG beziehen soll, ist nicht ersichtlich. Diese Rechtswegabgrenzung gelte für die monoistisch wie dualistisch strukturierte SE.
2. Eine Aussetzung des Verfahrens (§ 21 Abs. 1 Satz 1 FamFG) kommt nicht in Betracht, da kein weiteres Verfahren anhängig sei – und der Antragsteller auch nicht gezwungen sein könne, ein solches arbeitsgerichtliches Verfahren zu initiieren. Auch ein sonst „wichtiger Grund“ liege nicht vor, da dem LG eine Vorfragenkompetenz auch hinsichtlich arbeitsrechtlicher Fragen (ein-schließlich Fragen zur Beteiligungs- bzw. Aussetzungsvereinbarung) zukomme, sofern von deren Beantwortung die Aufsichtsratszusammensetzung abhängt.
Die Klärung des Rechtswegs in SE-Besetzungsstreitigkeiten ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da die Anzahl der Streitigkeiten über die rechtmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsrats mit zunehmenden SE-Umwandlungen (Art. 2 Abs. 4 i. V. m. Art. 37 SE-VO) steigt. Die Entscheidung führt im Ergebnis zu einem begrüßenswerten prozessualen Gleichschritt bei der AG und SE sowie einer sachlichen Konzentrationswirkung bei den Zivilgerichten.