BAG 2 AZR 147/19
Zurückweisung der Kündigung namens einer GbR mangels Vollmachtvorlage

15.03.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BAG
05.12.2019
2 AZR 147/19
NJW 2020, 1456

Leitsatz | BAG 2 AZR 147/19

§ 174 BGB findet analoge Anwendung auf einseitige Rechtsgeschäfte, die ein abweichend von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB allein vertretungsberechtigter Gesellschafter im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vornimmt.

(amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | BAG 2 AZR 147/19

Gegenstand des Rechtsstreits war die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung durch einen zur Alleinvertretung der Gesellschaft berufenen GbR-Gesellschafter.

Die Beklagte betrieb als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) die Verwaltung eines Mietobjekts.

Die Klägerin war unter anderem bei der Beklagten aufgrund eines durch den alleinvertretungsbefugten Gesellschafter „in Vollmacht aller Gesellschafter“ unterzeichneten Arbeitsvertrages angestellt.

Noch innerhalb der Probezeit kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis der Parteien mit einem von dem alleinvertretungsbefugten Gesellschafter unterzeichneten Schreiben ordentlich „unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von 2 Wochen zum nächstmöglichen Termin“.

Die Klägerin wies die namens der Beklagten erklärte Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde rechtzeitig zurück und machte daraufhin die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 BGB im Rahmen einer Kündigungsschutzklage geltend.

Das ArbG Berlin wies die Klage zunächst ab, das LAG Berlin-Brandenburg gab ihr statt. Daraufhin legte die Beklagte Revision ein.

Entscheidung | BAG 2 AZR 147/19

Die Revision der Beklagten hatte überwiegend keinen Erfolg. Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, welches zuvor dem Kündigungsschutzantrag der Klägerin stattgegeben hatte.

Die Kündigung, der kein Nachweis der alleinigen Vertretungsmacht des Gesellschafters der Bekl. beigefügt war, habe das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Sie sei in analoger Anwendung von § 174 BGB unwirksam.

Nach dem Wortlaut des § 174 BGB gilt die Norm in direkter Anwendung nur in den Fällen einer rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht iSv. § 166 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Vorschrift sei jedoch analog auch auf solche Fälle anzuwenden, in denen einerseits für den Erklärungsempfänger eine vergleichbare Unsicherheit über die vom Vertreter in Anspruch genommene Vertretungsmacht besteht und andererseits die Vertretungsmacht auf einer Willensentscheidung des Vertretenen beruht, die von ihm gegenüber dem Erklärungsempfänger nachgewiesen werden kann.

Durch das Recht des Erklärungsempfängers, das einseitige Rechtsgeschäft mangels Vorlage einer Urkunde über die Vertretungsmacht zurückzuweisen werde sowohl dessen Interesse an einer billigen Rücksichtnahme als auch dem Interesse des Rechtsverkehrs entsprochen, der hierdurch nur unerheblich eingeschränkt sei.

So liege zwar grundsätzlich in den Fällen der gesetzlichen und auch der organschaftlichen Vertretung grundsätzlich keine vergleichbare Interessenlage vor mit der sich eine solche Analogie begründen lasse, eine Ausnahme bestehe jedoch dann, wenn eine organschaftliche Gesamtvertretung kraft Ermächtigung eines einzelnen Organmitglieds durch die zusammen mit ihm gesamtvertretungsbefugten Organmitglieder zu einer organschaftlichen Alleinvertretungsmacht erweitert wird.

Dies sei damit zu begründen, dass sich die Alleinvertretungsmacht keinem öffentlichen Register entnehmen lässt, diese jedoch ohne Weiteres durch Vorlage des Gesellschaftsvertrages (gegebenenfalls in Auszügen) oder durch eine Erklärung aller oder der übrigen Organmitglieder über die von der Grundregel der §§ 709, 714 BGB abweichenden Vertretungsbefugnis des Handelnden nachgewiesen werden kann.

§ 174 BGB findet damit auch analoge Anwendung auf einseitige Rechtsgeschäfte, die ein abweichend von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB gem. § 710 BGB allein vertretungsberechtigter Gesellschafter im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vornimmt.

Weiterhin schloss sich das Revisionsgericht auch der Auffassung des Berufungsgerichts an, dass die Zurückweisung der Kündigung nicht in analoger Anwendung von § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen war.

Da es bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerade an der Publizität des Handelsregisters fehlt, bedarf es eines nach außen erkennbaren Publizitätsaktes, etwa in Form einer Mitteilung des Vollmachtgebers, die sich – unter anderem – an den (späteren) Erklärungsempfänger richtet. Ein In-Kenntnis-Setzen i.S.d. § 174 S. 2 BGB liege weiterhin auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter – z.B. durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung – in eine Position berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist. Hierbei müsse jedoch die Stellung des Bevollmächtigten im Betrieb ersichtlich oder auf sonstige Weise bekannt gemacht werden.

Praxishinweis | BAG 2 AZR 147/19

Die Entscheidung des BAG folgt insofern der BGH-Rechtsprechung im Falle einseitiger Willenserklärungen durch einen Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH, Urt. v. 20.02.2014 – III ZR 443/13). Mit der Einräumung des Zurückweisungsrechts nach § 174 BGB wird vor allem den schützenswerten Interessen des von der Kündigung Betroffenen Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund, dass im Falle einer GbR kein Register existiert, aus dem sich die Vertretungsverhältnisse entnehmen ließen, besteht eine mit der Interessenlage des § 174 BGB vergleichbare Unsicherheit des Erklärungsempfängers.

Um der Zurückweisung einseitiger Willenserklärungen vorzubeugen sollte daher bei von der gesetzlichen Regelung abweichenden Vertretungsbefugnissen innerhalb von Personen- und Personenhandelsgesellschaften den vertretungsberechtigten Gesellschaftern eine von allen Gesellschaftern unterzeichnete Urkunde oder ein entsprechender Auszug aus dem Gesellschaftsvertrag ausgehändigt werden.