BFH II R 34/17
Zur Schenkungsteuer bei Erwerb eines Geschäftsanteils durch Pooltreuhänder im Managermodell

04.01.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
06.05.2020
II R 34/17
ZIP 2020, 2012

Leitsatz | BFH II R 34/17

Veräußert ein Gesellschafter einem vorformulierten Vertragswerk entsprechend seinen Geschäftsanteil an einen Pooltreuhänder, der diesen bis zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters treuhänderisch für die verbleibenden Gesellschafter hält, unterliegt der Vorgang bei den verbleibenden Gesellschaftern nicht der Schenkungsteuer.

Sachverhalt | BFH II R 34/17

Der Kläger und Revisionsbeklagte ist seit dem 01.07.1988 Gesellschafter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (W-GmbH). Mit Beschluss der Gesellschafter vom 30.06.2004 erging die Neufassung des Gesellschaftsvertrags als notariell beurkundetem Poolvertrag mit Managermodell der Gesellschafter untereinander. Vereinbart worden ist, dass mit Ablauf des 63. Lebensjahres die Mitgliedschaft der Gesellschafter enden soll. Die Gesellschafter verpflichteten sich, den Gesellschaftsanteil zu diesem Zeitpunkt nach einem bereits feststehenden vorformulierten Vertragsmuster auf einen Pooltreuhänder zu übertragen, der den Gesellschaftsanteil für die übrigen, verbleibenden Gesellschafter, aufgrund gesonderten Treuhandvertrags zu verwahren, bis ein neuer Gesellschafter in die Gesellschaft eintritt und die Anteile erwirbt. Die treuhänderisch verwahrten Anteile sind in diesem Zeitraum in der Gesellschafterversammlung ohne Stimmrecht. Der Pooltreuhänder erwirbt die Geschäftsanteile zum nominellen Gegenwert und zahlt den Kaufpreis an den ausscheidenden Gesellschafter. Die W-GmbH zahlt dem ausscheidenden Gesellschafter bisher aufgelaufene Gewinnanteile aus. Ein Anspruch auf Abfindung stiller Reserven oder eines Goodwills besteht nach dem Poolvertrag nicht. Der Pooltreuhänder ist im Außenverhältnis Vollrechtsinhaber.

Aus Altersgründen verkaufte und übertrug ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil entsprechend den Regelungen im Poolvertrag zum 30.06.2005 an den Pooltreuhänder zum Nennwert. Gegenüber dem Kläger setzte das FA Schenkungsteuer unter Berufung auf § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG fest.

Der Klage des Klägers vor dem FG wurde stattgegeben. Hier gegen richtet sich die Revision des FA.

Entscheidung | BFH II R 34/17

Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen.

In Bezug auf den Kläger ist der Vorgang nicht schenkungsteuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG), weil der Geschäftsanteil nicht auf den Kläger oder die W-GmbH, sondern auf einen Pooltreuhänder übertragen worden ist, der zivilrechtlich Vollrechtsinhaber geworden ist. Maßgeblich für die schenkungsteuerliche Betrachtung ist regelmäßig nicht der wirtschaftliche, sondern der zivilrechtliche Rechtserwerb. Dies folgt aus dem Wortlaut „Übergang des Anteils“, der originär an den zivilrechtlichen Rechtserwerb anknüpft. Für eine wirtschaftliche Bewertung fehlt es im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht an einer gesetzlichen Normierung. Weil der Poolvertrag diese Rechtsübertragung auch von vornherein vorgesehen hat, vertritt der BFH entgegen der Auffassung des revisionsklagenden FA, dass es sich nicht um die in § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG angelegte Rechtsfigur des abgekürzten Leistungsweges handele.

Zudem fehle es an einem für § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG erforderlichen „Ausscheiden eines Gesellschafters“ oder einer „Abfindung“, wenn es sich um ein derivativen Erwerb, also um eine Veräußerung des Geschäftsanteils unter Lebenden gegen einen zu entrichtenden Kaufpreis handelt.

In der Veräußerung eines Geschäftsanteils an einen Treuhänder, damit dieser den Geschäftsanteil interimsweise bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters hält und verwaltet, sieht der Senat keinen erkennbaren Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten iSd § 42 AO, da hier insbesondere Ansprüche auf Abfindung stiller Reserven oder eines Goodwills bereits im Poolvertrag ausgeschlossen worden sind, sodass es sich nicht um eine nur nach außen geltende rechtliche Einkleidung eines klassischen Ausscheidens eines Gesellschafters in die Hülle eines Kaufvertrages handelt.

In Bezug auf den Kläger ist der Vorgang auch nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerbar, weil jedenfalls keine Unentgeltlichkeit vorliegt. Hier beruhen alle Vermögensverschiebungen auf vertraglichen Verpflichtungen, die ihrerseits angesichts der Verknüpfung mit dem ursprünglichen Erwerb des Geschäftsanteils schon keine objektive Unentgeltlichkeit erkennen lässt.

Praxishinweis | BFH II R 34/17

Der BFH bekräftigt seine Auffassung und klare Rechtsprechung, dass nach derzeitiger Normierung ausschließlich auf den zivilrechtlichen Rechtserwerb und eben nicht auf die wirtschaftliche Bereicherung im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht abzustellen ist. Bei der Gestaltung eines Poolvertrages mit Konstruktion der verpflichtenden Veräußerung des Gesellschaftsanteils gegen Kaufpreiszahlung an einen Pooltreuhänder liegt nicht zwingend ein Missbrauch einer Gestaltungsmöglichkeit iSd § 42 AO. Es empfiehlt sich, für die optimale Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten in enger Zusammenarbeit von Notar und spezialisiertem Steuerberater eine auf jede Gesellschaft individuell zugeschnittene Lösung zu erarbeiten.