OLG Hamburg 11 U 90/19
Zur Nachhaftung des Kommanditisten bei Herabsetzung seiner Hafteinlage

04.05.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamburg
30.01.2020
11 U 90/19
ZIP 2020, 765

Leitsatz | OLG Hamburg 11 U 90/19

  1. Im Falle der Herabsetzung des Haftkapitals ist eine vormals begründete Außenhaftung des Kommanditisten für Altverbindlichkeiten analog § 160 HGB auf fünf Jahre begrenzt.
  2. Für den Fristbeginn des § 160 HGB ist nicht erst auf die spätere Eintragung der Herabminderung der Haftsumme in das Handelsregister abzustellen, wenn die Gläubiger bereits zuvor positive Kenntnis von der Herabsetzung des Haftkapitals hatten.

(amtliche Leitsätze)

Sachverhalt | OLG Hamburg 11 U 90/19

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Publikums-KG als Schuldnerin und nimmt die Beklagte, Kommanditistin der Schuldnerin, aus Nachhaftung wegen Einlagenrückgewähr in Anspruch. In der Vergangenheit waren an die Beklagte Ausschüttungen erfolgt, wobei der Kapitalanteil hierdurch unter den Betrag der Hafteinlage gesunken ist. Später wurde die Hafteinlage durch Beschluss herabgesetzt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, da die Voraussetzungen der Einlagenrückgewähr nach §§ 171 ff. HGB vorliegen würden. Die Haftung wäre insbesondere auch nicht durch die später beschlossene Herabsetzung der Hafteinlage ausgeschlossen, da die Altgläubiger sich diese gemäß § 174 HGB nicht entgegenhalten lassen müssten. Es komme auch kein Haftungsausschluss analog § 160 HGB in Betracht, da die Frist von 5 Jahres erst mit Eintragung der Herabsetzung im Handelsregister zu laufen beginne und hier nicht abgelaufen sei.

Entscheidung | OLG Hamburg 11 U 90/19

Das OLG hat entschieden, dass § 160 HGB auf den Fall der Herabsetzung der Hafteinlage entsprechend anzuwenden sei und es für den Beginn der 5-Jahres-Frist nicht auf die Eintragung der Herabsetzung, sondern der positiven Kenntnis der Gläubiger hiervon ankomme, sodass die Klage gegen die Beklagte verspätet erhoben war und eine Nachhaftung ausschied.

§ 160 HGB sei nicht nur auf das Ausscheiden eines Gesellschafters anwendbar, sondern wegen der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit auch auf die Herabsetzung der Hafteinlage. Bei wirtschaftlicher Betrachtung stelle sich die Herabsetzung nämlich als Teilausscheiden des Kommanditisten aus der Gesellschaft dar. Es sei nicht überzeugend, den Gesellschafter bei seinem vollständigen Ausscheiden einer nur begrenzten Nachhaftung zu unterwerfen, ihn im Falle des Teilausscheidens hingegen unbegrenzt weiterhaften zu lassen.

Für den Fristbeginn des analog anwendbaren § 160 HGB komme es auch nicht auf die Eintragung der Herabsetzung, sondern auf die positive Kenntnis bei den Gläubigern an. Das sei für das Ausscheiden des oHG-Gesellschafters aus seiner Gesellschaft geklärt. Sinn und Zweck der Eintragung sei es, den Gesellschafter einer oHG der Notwendigkeit zu entheben, alle Gläubiger einzeln von seinem Ausscheiden in Kenntnis zu setzen. Habe der Gläubiger vom Ausscheiden aber positive Kenntnis, würde in der Berufung auf die fehlende Eintragung eine zweckwidrige Ausnutzung einer formalen Rechtsposition liegen. Nichts anderes könne für den Fall des „Teilausscheidens“ des Kommanditisten gelten. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass es damit auf die Kenntnis eines Vorgangs ankommen würde, den es gemäß § 174 HGB rechtlich erst mit Eintragung in das Handelsregister gebe. Denn im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 174 HGB sei anerkannt, dass es für die Wirksamkeit der Herabsetzung der Hafteinlage die positive Kenntnis des Neugläubigers von der bei Begründung der Verbindlichkeit beschlossenen, aber noch nicht eingetragenen Herabsetzung genüge, damit sie diesem Gläubiger gegenüber wirke. Damit werde dem konstitutiven Charakter der Eintragung bereits im Rahmen von § 174 HGB keine Bedeutung beigemessen. Es sei auch nicht so, dass die positive Kenntnis bereits bei Begründung der Forderung gegeben sein müsse. § 160 HGB gelte schließlich gerade für Altgläubiger und außerdem wäre die Nachhaftung dann schon nach § 174 HGB ausgeschlossen.

Praxishinweis | OLG Hamburg 11 U 90/19

Die Revision ist unter dem Az.: II ZR 190/19 beim BGH anhängig. Insoweit bleibt die höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten. Im Ganzen überzeugt die Begründung allerdings, mit der sich dem OLG Dresden (Beschl. v. 08.07.2019 - 8 U 925/19) und dem OLG Stuttgart (Urt. v. 30.10.2019 - 20 U 8/19) angeschlossen wird.