KG Berlin 1 W 252/21
Zur Geltung der §§ 2113, 2114 BGB für den Vorerbentestamentsvollstrecker

25.07.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG Berlin
11.01.2022
1 W 252/21
RNotZ 2022, 173

Leitsatz | KG Berlin 1 W 252/21

  1. Der nur für die Vorerbschaft eingesetzte Testamentsvollstrecker ist nicht kraft Gesetzes an die Beschränkungen gebunden, die dem Vorerben gegenüber dem Nacherben in den §§ 2113, 2114 BGB auferlegt sind (Fortführung von KG, RJA 13, 252; entgegen OLG München, FamRZ 2016, 1302).
  2. Der Erblasser kann gemäß § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB anordnen, dass der für die Vorerbschaft ernannte Testamentsvollstrecker nur die Rechte des (nicht befreiten) Vorerben ausüben und deshalb der Beschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB unterliegen soll. Eine solche Beschränkung ist gemäß § 354 Abs. 2 FamFG in einem Testamentsvollstreckerzeugnis anzugeben.

Sachverhalt | KG Berlin 1 W 252/21

Die Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks sind die Beteiligte zu 1 zu 1/2 sowie die Beteiligte zu 1 und M in Erbengemeinschaft zu 1/2. Letztere Eintragung beruht auf einem, auf einem privatschriftlichen Testament beruhenden, Erbschein. Danach sei der Erblasser J 2017 von der Beteiligten zu 1 zu 2/3 und von M zu 1/3 beerbt worden. Zudem weist der Erbschein aus, M sei nur Vorerbe und Nacherbfolge sei insoweit angeordnet. Der Nacherbfall trete ein mit dem Tod des Vorerben und die Nacherben sollen die künftigen Abkömmlinge des Vorerben sein. Außerdem sei die Testamentsvollstreckung angeordnet.

Die Beteiligte zu 1, welche auch Testamentsvollstreckerin ist, bewilligte in einer notariellen Verhandlung vom 12.02.2021 die Eintragung einer Auflassungsvormerkung nebst Wirksamkeitsvermerk im Grundbuch. Die Verfügungsbefugnis wies sie mithilfe des Testamentsvollstreckerzeugnisses nach, nach welchem der Erblasser J angeordnet habe, dass die Beteiligte zu 1 den Nachlass hinsichtlich des Erbteils des M auch nach der Erledigung der ihr sonst übertragenen Aufgaben verwalte. Außerdem ende die Testamentsvollstreckung mit dem Tod des M.

Daraufhin wies das Grundbuchamt den Eintragungsantrag zurück, da es für den Wirksamkeitsvermerk an einer Mitwirkung der Nacherben fehle, für die gemäß § 1913 BGB ein Pfleger zu bestellen sei.

Entscheidung | KG Berlin 1 W 252/21

Die Beschwerde ist zulässig und begründet und hat mithin Erfolg.

Der Testamentsvollstrecker unterliege nicht den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB, weshalb die Vormerkung dem Nacherben gegenüber bei Eintritt des Nacherbfalls wirksam sei. Die Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1 ergebe sich aus § 2205 S. 2 u. 3 BGB., welche allein durch das Testamentsvollstreckerzeugnis nachgewiesen werden könne. Das Grundbuchamt sei hingegen gerade nicht zu einer eigenen, ergänzenden oder berichtigenden Auslegung der Verfügung von Todes wegen berechtigt. Nach dem durch die Beteiligte zu 1 eingereichten Zeugnis, sei der Testamentsvollstrecker nicht zum Nacherbenvollstrecker gemäß § 2222 BGB ernannt worden, weshalb sie nicht verpflichtet sei, die Rechte der Nacherben bis zum Eintritt der Nacherbfolge auszuüben und dessen Pflichten zu erfüllen. Zudem ergebe sich aus dem Zeugnis, dass die Beteiligte zu 1 gemäß § 2205 S. 2 Alt. 2 BGB befugt ist, über die Nachlassgegenstände mit voller Wirksamkeit zu verfügen, da gerade keine Abweichung von der gesetzlich eingeräumten Verfügungsbefugnis i.S.d. § 354 Abs. 2 FamFG vermerkt sei. Daraus folge sodann, dass die Beteiligte, welche nur für die Vorerbschaft eingesetzte Testamentsvollstreckerin ist, nicht kraft Gesetzes an die Beschränkungen gebunden sei, die dem Vorerben gegenüber dem Nacherben in den § 2113, 2114 BGB auferlegt sind. Diese erweiterte Rechtsstellung ergebe sich daraus, dass der Testamentsvollstrecker seine Rechtsstellung nicht von der des Vorerben ableite. Die unbeschränkte Verfügungsbefugnis stehe auch im Einklang mit der allgemeinen Meinung, dass eine Beschränkung gemäß § 2113 Abs. 1 BGB nicht gilt, wenn zugleich Testamentsvollstreckung für den Nacherben bis zum Ende der Vorerbschaft (§ 2222 BGB) oder ab Eintritt der Nacherbfolge angeordnet ist.

Damit liegen die Voraussetzungen für die Eintragung der Vormerkung und des Wirksamkeitsvermerks vor.

Praxishinweis | KG Berlin 1 W 252/21

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Verfügung von Todes wegen bei Vorhandensein eines Erbscheins i.d.R. vom Grundbuchamt nicht noch einmal ausgelegt werden kann. Abgesehen davon gilt bei der Auslegung generell, dass von den gesetzlichen Regeln abweichende Sonderregeln und -bestimmungen im Testament ausdrücklich festgelegt werden müssen. Sollten keine Abweichungen festgehalten worden sein, ist der Wille des Erblassers so zu verstehen, dass er sich an den Regeln des Gesetzes festhalten wollte.