FG Düsseldorf 14 K 2209/17 E
Zur einkommensteuerrechtlichen Relevanz der Rückveräußerung einer Mitarbeiterbeteiligung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

08.01.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

FG Düsseldorf
22.10.2020
14 K 2209/17 E
BeckRS 2020, 32568

Leitsatz | FG Düsseldorf 14 K 2209/17 E

Gewinne aus der Veräußerung von Mitarbeiterbeteiligungen sind nicht pauschal steuerbarer Arbeitslohn.

Für die Einordnung von Veräußerungserlösen aus Mitarbeiterbeteiligungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit oder Einkünfte aus Kapitalvermögen kommt es maßgeblich auf die Würdigung aller Umstände hinsichtlich einer beruflichen Veranlassung im Einzelfall an.

Ein Totalausfallrisiko ist dem Arbeitslohn im Grundsatz fremd.

Sachverhalt | FG Düsseldorf 14 K 2209/17 E

Der Kläger war seit dem 01.01.2000 in führender Stellung bei der A-GmbH angestellt. Mit notariellem Geschäftsanteilsübertragungsvertrags vom 19.12.2007 erwarb der Kläger von der B-GmbH einen Teilgeschäftsanteil an der A-GmbH in Höhe von 0,05% an dem zu diesem Zeitpunkt voll eingezahlten Stammkapital der A-GmbH. Die A-GmbH gehörte demselben Unternehmensverbund wie die B-GmbH an. Der Kaufpreis ergab sich aus einer im notariellen Geschäftsanteilsübertragungsvertrags festgelegten Berechnungsformel unter Einbezug des arithmetischen Mittels des EBIT der letzten drei abgelaufenen Geschäftsjahre, multipliziert mit dem Faktor 15,9, wiederum multipliziert mit dem Anteil am gehaltenen Stammkapital.

Im Geschäftsanteilübertragungsvertrag sind vielfältige Regelungen getroffen worden. Im Wesentlichen war die Übertragung des Teilgeschäftsanteils auflösend bedingt. Eine Rückübertragung sollte unteranderem ohne weitere Erklärungen stattfinden, wenn kein Arbeitsverhältnis mehr zwischen dem Kläger und der A-GmbH bestehe. Zudem sind Regelungen hinsichtlich der Teilhabe an Wertsteigerungen gefasst worden. Hieran sollte der Mitarbeiter erst nach einer Haltedauer der Anteile von 5 Jahren partizipieren. Wertminderungen sollten in jedem Fall berücksichtigt werden. Im Falle der Rückübertragung (zwingend an die B-GmbH oder von ihr benannte Dritte) berechne sich der Rückkaufspreis nach derselben Berechnungsmethode wie der Ankaufspreis. Der Rückkaufswert unterlag einer Untergrenze und sollte mindestens dem Wert des im Rückkaufszeitpunkt vorhandenen, im Konzernabschluss ausgewiesenen Eigenkapitals, multipliziert mit dem prozentualen Geschäftsanteil betragen. Neben anderen Gründen sollte der Ausschluss von der Partizipation an den Wertsteigerungen nur dann gelten, wenn u.a. die A-GmbH dem Kläger rechtswirksam das Arbeitsverhältnis kündigt (die anderen aufgeführten Gründe sind hier nicht relevant).

Mit Schreiben vom 04.10.2012 kündigte die A-GmbH dem Kläger wegen Verdachts der Untreue. Nachdem der Kläger rechtlich gegen die Kündigung vorgegangen ist, einigten sich die A-GmbH und der Kläger auf einen Aufhebungsvertrag (23.10.2012) mit dem das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2012 beendet worden ist. Im aufhebungsvertrag ist vereinbart worden, dass hinsichtlich der Rückübertragung der Geschäftsanteile eine notarielle Beurkundung im Dezember 2012 erfolgen solle. Mit notariellen Geschäftsanteilsübertragungsvertrages vom 21.12.2012 ist nach der im damaligen Ankaufsvertrag vom 19.12.2007 festgelegter Berechnungsmethode rückveräußert worden. Die Auszahlung des Rückkaufspreises erfolgte im März 2013.

Nach Einreichung der Einkommenssteuererklärung ohne Ausweis des Rückübertragungsausweises kam es zu einer Stichprobenprüfung durch das zuständige FA. Nachträglich wurde Einkommensteuer für den Rückkaufspreis beschieden. Nach mehreren Einsprüchen mit jeweilig folgenden Änderungsbescheiden haben der Kläger und seine gemeinschaftlich steuerlich veranlagte Ehefrau Klage, mit dem Antrag den Einkommensteuerbescheid aufzuheben, erhoben.

Für die mehrseitige Argumentationsbegründungen der jeweiligen Partei wird auf das Urteil verwiesen.

Entscheidung | FG Düsseldorf 14 K 2209/17 E

Die Klage ist begründet. Die Erhebung der Einkommensteuer hinsichtlich der Rückveräußerung des Teilgeschäftsanteils aus der Mitarbeiterbeteiligung erfolgte zu Unrecht die Beklagte, da es sich nicht um steuerbare Einkünfte handelt.

Der Veräußerungsgewinn stellt keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn im Rahmen der nichtselbständigen Einkünfte des Klägers im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar. Zwar steht grundsätzlich der Einordnung als Arbeitslohn die Zuwendung durch einen Dritten (hier die B-GmbH) nach höchstrichterlicher, gefestigter Rechtsprechung nicht entgegen.

Als steuerbarer Arbeitslohn (Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit) gehören nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 8 Abs. 1 EstG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Dabei seien Vorteile „für“ eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Dies sei nur der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt werde und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweise. Dagegen läge kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt werde. Diese sind dann auf als vom Arbeitsverhältnis unabhängigen Sonderrechtbeziehungen veranlasst, wenn ihnen andere erwerbsgrundlagen als die Nutzung der eigenen Arbeitskraft des Arbeitnehmers zugrunde lag. Abzustellen sei maßgeblich auf die objektiven Tatumstände.

Diese Grundsätze seien auch auf Kapitalbeteiligungen des Mitarbeiters zu übertragen, wobei es keinen Grundsatz gäbe, der Kursgewinne oder Wertsteigerungen, die durch eine Mitarbeiterbeteiligung erwirtschaftet werden stets als Vorteile aus einem Dienstverhältnis qualifiziere, sondern eine Mitarbeiterbeteiligung könne auch eine eigenständige Erwerbsgrundlage sein, sodass die Steuerpflicht bezogen auf Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berechnen wäre.

Entscheidend für die Annahme eines entsprechenden Sonderrechtsverhältnis sieht das erkennende Gericht in Aufgreifen der bisherigen BFH-Rechtsprechung hier, dass dieses unabhängig vom Arbeitsverhältnis besteht und den gesamten Leistungsaustausch als Vertragspartner abbildet, ohne dass daneben noch dem Arbeitsverhältnis zuzuordnende, lohnsteuerrechtlich erhebliche Leistungen vorliegen.

Für die Zuordnung der Zuwendung kommt es maßgeblich auf die Würdigung aller Umstände im Einzelfall unter Beachtung des wirtschaftlichen Gehalts an.

Zwar sei der Beklagten zuzusprechen, dass regelmäßig durch Mitarbeiterbeteiligungen Einfluss auf das Verhalten des Mitarbeiters genommen werden soll, so dass auch hier die Höhe der konkreten Rückzahlung zumindest nach dem ursprünglichen Teilanteilsankaufvertrags von der langjährigen Zugehörigkeit zum Unternehmen abhängig sei.

Demgegenüber überwiegen im konkreten Fall jedoch die Indizien, dass der Rückkaufpreis losgelöst vom Arbeitsverhältnis aus einem unabhängigen Sonderrechtsverhältnis resultiere.

Soweit die Beklagte vorbringt, ein konkreter Bezug zum Arbeitsrechtsverhältnis entstünde aus der vertraglich festgelegten Untergrenze des Rückkaufpreises, kann diesem nicht gefolgt werden. Der Kläger trug hier ein eigenständiges Totalausfallrisiko, da auch nach der festgelegten Berechnungsmethode für die Untergrenze ein Totalausfall möglich gewesen ist, denn die Berechnung bezog den im Konzernabschluss ausgewiesenen Eigenkapitalwert in die Multiplikation mit ein, sodass eine Reduzierung auf den Rückkaufspreis von 0,00 Euro möglich gewesen wäre. Ein solches Totalausfallrisiko widerspricht hingegen der Beständigkeit einer Arbeitslohnzahlung. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Rückkaufpreis vorliegend mit Klausel im Aufhebungsvertrag erneut in der Berechnungsmethode festgelegt worden ist. Die Klausel diente lediglich der Sicherung vor weiteren gerichtlichen Verfahren und somit der Abwicklung der vertraglichen Verpflichtung zur Rückübertragung.

Von entscheidender und ausschlaggebender Bedeutung ist indes, dass der Kläger den Anteil zu einem marktgerechten Preis erworben und auch zu einem marktgerechten Anteil veräußert habe. Weder sei ihm durch eine etwaige Verbilligung des Ankaufspreises noch durch eine Überhöhung des Rückkaufspreises ein geldwerter Vorteil entstanden. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist die im anteilankaufsvertrag festgelegte Berechnungsmethode eine zulässige und im konkreten Fall auch angemessene, Bewertungsmethode um den Marktwert auch aus Sicht eines Dritten darzustellen, sodass die Veräußerung der Fremdprüfung standhält.

Entgegen der Auffassung der Beklagten muss nicht zwingend von einem vereinfachten Ertragswertverfahren nach den §§ 199 ff. BewG ausgegangen werden, um den der Fremdprüfung standhaltenden Marktwert zu ermitteln. Dass der Kapitalisierungsfaktor in der Bewertungsmethode im vorliegenden Fall unwesentlich von dem Wert im vereinfachten Ertragswertverfahren abweicht, ist nicht relevant, da er aufgrund der gleichsam verwendeten Berechnungsmethode bei Ankauf und Rückveräußerung bei beiden Vorgängen Anwendung fand.

Auch stellt die Verwendung der vorläufigen statt der endgültigen Zahlen für das Jahr 2012 bei der Berechnung eine Methode dar, die von Dritten ebenfalls verwendet werde.

Zudem überzeugt die Ermittlung des gemeinen Werts im vereinfachten Ertragswertverfahren, wie von der Beklagten vorgenommen, nicht, denn diese hat entgegen § 200 Abs. 2, 3 BewG für die weit über 20 ausländischen Tochtergesellschaften nicht jeweils einen eigenständigen gemeinen wert ermittelt, sondern unzulässigerweise den jeweiligen Buchwert angesetzt. Dass ein nach Abschnitt 20 des Erlasses der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vorliegende Ausnahme als Fall von geringer Bedeutung vorliege ist anhand von weit über 20 Auslandsbeteiligungen nicht ersichtlich du der Wert der Beteiligungen auch nicht unbestritten.

Zwar kann in Erwägung gezogen werden, dass die Regelung im Geschäftsanteilsankaufsvertrag, eine Partizipation an Wertsteigerungen erfolge erst nach einer Haltefrist von 6 Jahren, für einen aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden geldwerten Vorteil streiten könne. Im konkreten Fall sit der Kläger aber mangels sechsjähriger Haltedauer nicht in den Genuss der Wertsteigerung gekommen. Die Regelung sei auch nicht so stark, dass sie zuungunsten des Klägers auf die übrigen Vertragsklauseln vollständig durchschlage.

Dass innerhalb des Aufhebungsvertrages zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klausel zur Regelung der Rückübertragung erfolgt ist, ändert auch nichts am Charakter der Veräußerung. Die Regelung liegt im Rahmen der Prozessökonomie und aus Gründen der Rechtssicherheit nahe.

Keine Auswirkungen hat ferner, dass die Beurkundung der Rückübertragung erst im Dezember 2012 erfolgt ist. Der von der Beklagten vorgebrachte Einwand, durch die zeitliche Verzögerung sei ein höherer Rückzahlungspreis aufgrund des vollständigen Ablaufs des letzten Jahres entstanden, geht ins Leere. Die Höhe des Rückkaufspreises resultiert aus der im ankaufsvertrag festgelegten Berechnungsmethode. Die Höhe ist auch unabhängig von einem zeitlichen Faktor, da der zeitliche Ausschluss an einer Wertsteigerung zu partizipieren hier nicht greift. Denn der Ausschluss der Wertsteigerungspartizipation war im konkreten Fall aufgrund der vertraglichen Regelungen wiederum ausgeschlossen, da dieser u.a. (einzig hier in Betracht kommender, der aufgelisteten Gründe für den zeitlichen Wertsteigerungspartizipationsausschluss) bei rechtswirksamer Kündigung durch die A-GmbH gelten sollte. Hier ist jedoch bereits aufgrund einer nicht erfolgten Anhörung des Klägers im Vorfeld der Verdachtskündigung von einer unwirksamen Kündigung auszugehen, sodass der Ausschluss ausgeschlossen ist und die Höhe des Rückkaufpreises unabhängig vom Verstreichen der Zeit bis zum Dezember 2012 aufgrund vertraglich vereinbarter Berechnungsmethode feststand.

Es handelt sich auch nicht um einkommensteuerrechtlich relevante Einkünfte aus Gewerbebetrieb iSd § 17 EstG, da es jedenfalls an der „Wesentlichkeit“ fehlt. Ferner muss auch keine Einkommensteuer im Rahmen des § 20 Abs. 2 EstG gezahlt werden, da der Anwendungsbereich aufgrund des Erwerbs vor dem 31.12.2008 nicht eröffnet ist. Darüber hinaus schließt die Haltedauer von mehr als einem Jahr eine Einkommensteuerpflicht nach § 22 Nr.2, iVm § 23 Abs. 1 s. 1 Nr. 2 S. 1 EStG aus.

Praxishinweis | FG Düsseldorf 14 K 2209/17 E

Wie immer lohnt sich die genaue Prüfung im Einzelfall. Rechnerisch vermag die Steuerlast je nach Einkommensteuersatz im Gegensatz zur Kapitalertragsteuer einen bedeutenden Unterschied zu machen. Das FG Düsseldorf stößt hier das Tor zu den steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen weit auf. Letztlich sind die Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend, sodass von Beginn an die steuerliche Gestaltung optimiert und fokussiert werden sollte.