BGH IV ZB 27/21
Zur beantragten Genehmigung eines Nachlasspflegers auf Ausschlagung der Erbschaft für die unbekannten Erben

22.06.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
16.03.2022
IV ZB 27/21
BeckRS 2022, 7975

Leitsatz | BGH IV ZB 27/21

Der Nachlasspfleger ist nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.

Sachverhalt | BGH IV ZB 27/21

Der Beteiligte zu 2 ist der Nachlasspfleger über den Nachlass der Erblasserin und wurde mit den Aufgabenkreisen Ermittlung der Erben sowie Sicherung und Verwaltung des Nachlasses betraut. Die Erblasserin stand unter Betreuung und war gesetzliche Erbin ihres vorverstorbenen Ehemannes. Über den, durch ihre bestellte Betreuerin, gestellten Antrag zur Ausschlagung der Erbschaft wurde aufgrund des Todes der Erblasserin nicht mehr entschieden. Daraufhin schlug der Beteiligte zu 2 mit notarieller Urkunde für die unbekannten Erben der Erblasserin die Erbschaft nach dem Ehemann aus und focht vorsorglich eine etwaige Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums an. Außerdem beantragte er die nachlassgerichtliche Genehmigung der Ausschlagungserklärung. Dem trat der Beteiligte zu 1 (bestellter Verfahrenspfleger zur Vertretung der unbekannten Erben) unter Hinweis auf die Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechts entgegen.

Das Nachlassgericht erteilte die Genehmigung mit Beschluss vom 27.05.2021. Daraufhin hob das OLG den Beschluss nach Beschwerde des Beteiligten zu 1 wieder auf und wies den Antrag auf Genehmigung zurück. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2.

Entscheidung | BGH IV ZB 27/21

Die Rechtsbeschwerde ist sowohl statthaft als auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Zu Recht habe das Beschwerdegericht angenommen, dass dem Beteiligten zu 2 die beantragte Genehmigung zu versagen sei. Das Nachlassgericht habe bis zur Annahme der Erbschaft gemäß § 1960 Abs. 1 BGB für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, was auch gilt, wenn der Erbe unbekannt ist. Der dafür nach § 1960 Abs. 2 BGB zu bestellende Nachlasspfleger sei dann der gesetzliche Vertreter der Erben. Um der Hauptaufgabe, der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses, entsprechend nachzukommen, obliege dem Nachlasspfleger grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis. Im Rahmen der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses sei maßgebend grundsätzlich nach objektiven Kriterien vor allem das wirtschaftlich und finanziell Vernünftige. Insbesondere sei er allerdings nicht berechtigt, die Erbschaft für die unbekannten Erben anzunehmen oder auszuschlagen, was auch aus dem Wortlaut des § 1960 BGB hervorkomme. Demnach müsse das Nachlassgericht „bis zur Annahme der Erbschaft“ entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Die zu beurteilende Frage im vorliegenden Fall sei jedoch eine andere, welche unterschiedlich beurteilt werde. Hier gehe es um die fragwürdige Berechtigung des Nachlasspflegers die – ggf. überschuldete – Erbschaft für die unbekannten Erben auszuschlagen, welche dem Erblasser noch vor seinem Tod angefallen und, die weder selbst angenommen noch ausgeschlagen wurde. Es werde einerseits vertreten, eine solche Ausschlagung des Unternachlasses sei möglich, sofern eine Genehmigung des Nachlassgerichts gemäß § 1915 Abs. 1 S. 1, § 1822 Nr. 2 BGB eingeholt werde.

Das Gericht hält allerdings die Gegenansicht, welche eine Ausschlagungsbefugnis ablehnt, für überzeugender. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft sei ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern persönlich zustehendes Recht. Schon aus § 1952 BGB ergebe sich in einer solchen Situation kein Sicherungsbedürfnis, da die Ausschlagungsfrist des Erbeserben für den Unternachlass frühestens mit dem Ende der Ausschlagungsfrist des Hauptnachlasses ende. Ein drohender Rechtsverlust für den Erbeserben bestehe mithin nicht. Dabei weise das OLG zu Recht daraufhin, dass die Annahme oder Ausschlang einer Erbschaft nicht immer nur nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolge, sondern vielmehr auch persönliche Überlegungen eine Rolle spielen können. Gegen einen möglichen Zugriff durch Gläubiger könne der Nachlasspfleger die Einrede der Dürftigkeit gemäß §§ 1990, 1991 BGB erheben oder sich auf den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gemäß § 780 Abs. 1 ZPO berufen.

Praxishinweis | BGH IV ZB 27/21

Auch, wenn einem Nachlasspfleger grundsätzlich eine umfassende Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis zusteht, ist diese nicht unbegrenzt. Für eine Berechtigung zur Ausschlagung des Unternachlasses für die unbekannten Erbeserben entscheidet sich der Senat für die gleiche Behandlung wie die Berechtigung zur Ausschlagung für die Erben. Die Befugnis des Nachlasspflegers sei dahingehend begrenzt, sodass dies allein den Erben bzw. Rechtsnachfolgern zustehen soll. Die Rechtsposition der Erben ist durch weitere Normen des Erbrechts nicht gefährdet, sodass eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt ist. Da die Ausschlagungsfrist eines Erbeserben jedoch weiterhin besteht, sollte sich der Erbeserbe für oder gegen eine Ausschlagung der Erbschaft so schnell es geht entscheiden, sobald er von seiner Erbstellung erfährt.