BGH II ZR 93/16
Zum Verstoß gegen § 30 GmbHG bei Grundschuldbestellung

27.11.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
21.03.2017
II ZR 93/16
DStR 2017, 1218

Leitsatz | BGH II ZR 93/16

Eine verbotene Auszahlung im Sinn von § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG zu Lasten des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens liegt mit der Bestellung einer dinglichen Sicherheit für einen Darlehensrückzahlungsanspruch eines Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter vor, wenn der Gesellschafter nicht voraussichtlich zur Rückzahlung in der Lage ist und zudem eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird. Damit und nicht erst mit der Verwertung der Sicherheit beginnt die Verjährung der Erstattungsansprüche der Gesellschaft nach § 31 Abs. 5 S. 2 GmbHG.

Sachverhalt | BGH II ZR 93/16

Der Kläger, ein Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH & Co. KG, wendet sich mit seinen Ansprüchen gegen die  Kommanditisten der Schuldnerin und Gesellschafter ihrer Komplementärin als Beklagte. Die Gesellschaft hatte 2003 einer Bank zur Sicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs gegen einen der Beklagten zu 1 eine Grundschuld an einem Betriebsgrundstück bestellt. Nachdem in 2011 die Bank besagtes Darlehen gekündigt hatte, meldete sie auch ihre hieraus resultierenden Forderungen nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen der GmbH & Co. KG zur Tabelle an und verlangte abgesonderte Befriedigung aus der Grundschuld. Aus dem Verkauf des Betriebsgrundstücks erhielt die Bank als Insolvenzgläubigerin daraufhin einen Teilbetrag des Verkaufserlöses. Mit Klage vom 31.12.2014 verlangt der Kläger nun von dem Beklagten zu 1 die Zahlung dieses Teilbetrages aus § 31 Abs. 1 GmbHG sowie hinsichtlich der Beklagten zu 2 bis 4 jeweils die Feststellung, dass sie verpflichtet seien, bei Ausfall des Beklagten zu 1 den streitgegenständlichen Betrag gemäß § 31 Abs. 3 S. 2 GmbHG zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die Klage zurückgewiesen. 

Entscheidung | BGH II ZR 93/16

Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine verbotene Auszahlung i.S.v. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG nicht nur Geldleistungen an Gesellschafter erfasst, sondern auch in der Bestellung einer dinglichen Sicherheit für den Darlehensrückzahlungsanspruch eines Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter zu sehen sei. Die Bestellung sei mithin als Auszahlung i. S. v. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG anzusehen, da mit der Überlassung einer Grundschuld für Zwecke der Kreditbeschaffung dem Gesellschafter Vermögen der Gesellschaft zur Verfügung gestellt und anderen Gläubigern der Zugriff darauf entzogen wird. Zu einer Auszahlung komme es allerdings nicht erst, wenn eine Inanspruchnahme der Sicherheit droht, sondern bereits im Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit. Nach § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG wäre die Auszahlung zu verneinen, wenn die Leistung der Gesellschaft durch einen vollwertigen Anspruch auf Freistellung von der Inanspruchnahme der Sicherheit gegen den Gesellschafter gedeckt sei. Dieser Anspruch sei vollwertig, sofern bei der Bestellung der Sicherheit damit zu rechnen sei, dass der Gesellschafter das Darlehen zurückzahlen könne. Ist der Gesellschafter hingegen voraussichtlich nicht zur Rückzahlung in der Lage und entstehe zudem eine Unterbilanz oder wird diese vertieft, sei eine verbotene Auszahlung zu bejahen. Eine spätere Verschlechterung der Bonität des Gesellschafters sei irrelevant. Ob im Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung eine Unterbilanz der Gesellschaft vorlag oder vertieft wurde, konnte mangels Vortrag des Klägers hier nicht festgestellt werden.

Dieser Punkt sei vorliegend aber auch unerheblich, da selbst wenn eine verbotene Auszahlung i.S.v. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG anzunehmen wäre, diese bereits mit dem Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung 2003 verwirklicht wurde und nach § 31 Abs. 5 GmbHG nunmehr in der Folge verjährt sei.

Praxishinweis | BGH II ZR 93/16

Aus der Entscheidung lässt sich die insbesondere für die Besicherungspraxis wichtige Erkenntnis gewinnen, dass bei dinglichen Sicherheiten bereits die Sicherheitenbestellung den maßgeblichen Zeitpunkt für eine Auszahlung darstellt und nicht erst die Verwertung. Daraus lässt sich nun ableiten, wie wichtig es ist, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft ihren Verpflichtungen zur fortlaufenden Prüfung der Vermögensverhältnisse des unterstützten Gesellschafters nachkommt und so auf eine sich womöglich nach der Sicherheitenbestellung andeutende Bonitätsverschlechterung mit der Anforderung von Sicherheiten oder der Durchsetzung des Freistellungsanspruchs reagieren kann. Ein Unterlassen kann hier eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 43 II GmbHG nach sich ziehen.

Wenn der BGH in der Stellung einer dinglichen Sicherheit bei Vorliegen eines vollwertigen Freistellungsanspruch einen zulässigen Aktivtausch annimmt, der keine Vermögensverschlechterung bewirkt und mithin auch keine verbotene Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG darstellt, so bestätigt er hier auch die sog. bilanzielle Betrachtungsweise.