OLG Hamm I-8 U 18/17
Zulässigkeit einer Altersgrenze von 60 Jahren als Kündigungsgrund

19.03.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamm
19.06.2017
I-8 U 18/17
NZG 2017, 1065

Leitsatz | OLG Hamm I-8 U 18/17

Die Vereinbarung eines Kündigungsrechts des Dienstberechtigten im Anstellungsvertrag eines GmbH-Fremdgeschäftsführers mit Vollendung des 60. Lebensjahres stellt jedenfalls dann keinen rechtswidrigen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der §§ 7, 1 AGG dar, wenn gewährleistet ist, dass dem Geschäftsführer ab dem Zeitpunkt seines Ausscheidens eine betriebliche Altersvorsorge zusteht.

Sachverhalt | OLG Hamm I-8 U 18/17

Der Kläger war einer der Geschäftsführer der Beklagten. Der Dienstvertrag des Klägers enthielt folgende Regelung: „Unabhängig davon behalten sich beide Vertragsschließenden vor, mit Ihrem Eintritt in das 61. Lebensjahr das Dienstverhältnis durch eine einseitige Erklärung mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende zu beenden. Eine solche Beendigung des Dienstverhältnisses gilt als Übergang in den Ruhestand und löst die Leistungen nach den Versorgungszusagen aus. Hinsichtlich der Höhe der Versorgungszusagen wird bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses durch die Gesellschaft unterstellt, das Dienstverhältnis hätte bei der regulären Laufzeit des Vertrages geendet.“ Der Dienstvertrag wurde zuletzt für den Zeitraum vom 31.08.2013 bis 31.08.2018 verlängert. Am 03.08.2015 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten den Kläger, der bereits in das 61. Lebensjahr eintreten war, als Geschäftsführer mit Wirkung zum 31.08.2015 abzuberufen und mit weiterem Gesellschafterbeschluss vom 23.06.2016 den Dienstvertrag des Klägers die ordentlich zum 31.12.2016 zu kündigen. Die Parteien stritten um den Fortbestand eines Dienstverhältnisses.

Entscheidung | OLG Hamm I-8 U 18/17

Das OLG Hamm wies die Klage als unbegründet ab, denn das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis sei durch die Kündigung der Beklagten wirksam beendet worden. Grundsätzlich könne ein befristeter Dienstvertrag zwar nicht ordentlich gekündigt werden, allerdings hätten die Parteien eine entsprechende Kündigungsmöglichkeit wirksam vereinbart. Die Regelung im Dienstvertrag verstößt nicht gegen das AGG, deswegen könne offen bleiben, ob, was durchaus strittig sei, das Gesetz überhaupt auf Geschäftsführer anwendbar sei. Die Benachteiligung wegen seines Alters nach §§ 7, 1 AGG sei gem. § 10 AGG gerechtfertigt. Der Senat folgt hier der Ansicht, dass eine Altersgrenze die unter der gesetzlichen liegt, zulässig sei, wenn dem Geschäftsführer ab dem Zeitpunkt seines Ausscheidens eine betriebliche Altersversorgung zustehe. Zudem bestehe ein legitimes Interesse des Unternehmers an der früheren Austauschmöglichkeit des Geschäftsführers. Unschädlich sei darüber hinaus, dass die betriebliche Altersversorgung (ca. 4.500 € mtl.) wesentlich geringer sei, als die ursprüngliche Vergütung (ca. 250.000 € jährlich). Zum einen orientiere sich die betriebliche Altersversorgung zulässigerweise an der Betriebszugehörigkeit und zum anderen sei die betriebliche Altersversorgung so hoch, dass der Kläger sozial abgesichert sei. Außerdem stelle § 10 S. 3 Nr. 5 AGG auch nicht auf die Höhe der Rente ab. Die gesetzte Altersgrenze von 60 sei auch unbedenklich. Aus denselben Gründen liege auch keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. AGB-Rechts vor, falls diese hier überhaupt anwendbar seien. Zuletzt sei die Kündigung auch wirksam erklärt. Durch Auslegung ergebe sich entgegen der Auffassung des Klägers, dass auch nach Eintritt in das 61. Lebensjahr die Kündigung erklärt werden konnte.

Praxishinweis | OLG Hamm I-8 U 18/17

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO habe und höchstrichterlich bisher nicht geklärt sei. Die Frage unter welchen Voraussetzungen sog. Altersklauseln in Anstellungsverträgen von Organen juristischer Personen nach dem AGG zulässig seien, sei zudem angesichts der Verbreitung derartiger Klauseln von erheblicher praktische Bedeutung. Daher bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich der BGH dazu äußert.