BFH II R 2/17
Widerruf einer Schenkung als der Grunderwerbssteuer unterliegender Erwerbsvorgang

21.12.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
04.03.2020
II R 2/17
NZG 2020, 1037

Leitsatz | BFH II R 2/17

  1. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG knüpft die Steuerpflicht an ein Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand.
  2. Ein Widerruf kann ein Rechtsgeschäft iSd § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt ist.
  3. Eine natürliche Person ist gegenüber den Weisungen eines Unternehmers in Bezug auf Gesellschaftsanteile verpflichtet iSd § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. a GrEStG aF, wenn sie rechtlich zur Herausgabe der Anteile verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung zur Herausgabe liegt in der Regel vor, wenn zivilrechtlich zwischen dem Unternehmer und der natürlichen Person ein unentgeltlicher Auftrag oder ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag besteht.

Sachverhalt | BFH II R 2/17

Der Kläger, der 2007 als Kommanditist zu 10 % an der A-GmbH & Co. Kg beteiligt war, übertrug seinen zwei Söhnen jeweils 45 % an dieser mittels eines Schenkungs- und Übertragungsvertrages im Dezember 1995. Die A-GmbH & Co. KG ihrerseits war 25 %ige Kommanditistin der grundbesitzenden E-GmbH & Co. KG. Ihr weiterer Kommanditist war der Kläger mit einem Anteil von 75 %.

Die Schenkung erfolgte unentgeltlich, unter Widerrufsvorbehalt und der Kläger behielt sich ebenfalls ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an den Anteilen vor. Auch ließ er sich von den Söhnen zu einem unwiderruflichen Ausübungsrecht der Stimm- und Verwaltungsrechte bezüglich der Anteile bevollmächtigen.

So kam es am 09.02.2007 zu einem Schenkungswiderruf- und Übertragungsvertrag, indem beide Söhne ihre Kommanditanteile zurück an den Vater abtreten sollten. Diese Abtretung stand jedoch „unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Kommanditanteilserwerbs an der E-GmbH & Co. KG durch F oder ein anderes von W kontrolliertes Unternehmen im Handelsregister der E-GmbH & Co. KG“.

Der Kläger veräußerte im Anschluss 94,9% der Kommanditanteile an der A-GmbH & Co. KG und diese wiederum 19,9% ihrer Kommanditanteile an die F.

Das Finanzamt sieht in dem Widerruf der Schenkung und der darauffolgenden Rückübertragung der Anteile den Tatbestand des § 1 III Nr. 1 GrEStG wurde verwirklicht.

Entscheidung | BFH II R 2/17

Der BFH gibt dem Finanzamt Recht und weist die Revision des Klägers mit dem Verweis auf die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides in Gestalt des Änderungsbescheides zurück. Soweit das Vermögen einer Gesellschaft ein inländisch belegenes Grundstück gehört, unterliegen dieses betreffende Rechtsgeschäfte grundsätzlich § 1 III Nr. 1 GrEStG, wenn es einen Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen begründet und durch diese unmittelbar oder mittelbar mind. 95 % der Gesellschaftsanteile in der Hand des Erwerbers vereinigt würden. Ab dieser prozentualen Anteilszahl hat der Anteilseigner laut Meinung des BFH die rechtliche Möglichkeit, seinen Willen in der Personengesellschaft in grunderwerbssteuerrechtlicher Weise durchzusetzen.

Auch ein Widerspruch als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann ein Rechtsgeschäft iSd § 1 III Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Widerrufsrecht in einem schuldrechtlichen Geschäft, zum Beispiel einer vertraglichen Vereinbarung angelegt ist. Es genügt, dass der Widerruf als solcher den Inhalt eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses ändert.

Die Steuerbarkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger noch vor Anteilserwerb und Beteiligung am Gesellschaftskapital seinen tatsächlichen Willen mittels dem Nießbrauchsrecht und die unwiderrufliche Bevollmächtigung über die Anteile ausüben konnte. Die Bevollmächtigung reiche hierfür nicht aus. Die Söhne hätten noch immer die Möglichkeit gehabt, faktisch ihre Stimm- und Verwaltungsrechte auszuüben, der Gesellschafterbestand ädert sich nicht mit der Vollmacht iSd § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG, womit die Anteile zu diesem Zeitpunkt grunderwerbssteuerrechtlich weiterhin dem Vollmachtgeber zuzurechnen seien.

Der Widerruf begründete einen grunderwerbsteuerrechtlich relevanten Anspruch des Klägers gegen seine Söhne auf Rückübertragung der ihnen geschenkten Anteile an der A-GmbH & Co. KG iHv insgesamt 90 %.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Steuerbarkeit nach § 1 III Nr. 1 GrEStG auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil seine Söhne 2003 „abhängige Personen“ iSd § 1 IV Nr. 2 lit.a GrEStG aF gewesen und damit die Anteile an der A-GmbH & Co. KG schon zu diesem Zeitpunkt in seiner Hand vereinigt gewesen wären. „Abhängige Personen“ nach dieser Vorschrift können zwar auch natürliche Personen sein. Die müssten aber so einzugliedern sein, dass sie den Weisungen des Unternehmers in Bezug auf die Anteile zu folgen verpflichtete sind. Wie jedoch bereits dargelegt, sind hinsichtlich des lebenslangen Nießbrauchsrechts grundsätzlich nicht zur Herausgabe der Anteile an den Kläger verpflichtet. Ein solcher Herausgabeanspruch liegt in der Regel bei einem unentgeltlichen Auftrag (§ 662 BGB) oder einem entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 GBG) vor.

Dies ist hier nicht der Fall. Die Söhne B und C sind keine abhängigen Personen im Sinne der Vorschrift.

Praxishinweis | BFH II R 2/17

Bei einem Widerruf einer Schenkung können unter genannten Umständen und der Manifestierung der Gesellschafterstellung durch faktisch Stimm- und Verwaltungsrechtsausübungsmöglichkeit erneut grunderwerbssteuerrechtliche Abgaben anfallen. Hier ist Vorsicht bei der Kalkulation geboten.