BFH I R 62/17
vGA bei überhöhter Verzinsung eines Gesellschaftsdarlehens

09.02.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
18.05.2021
I R 62/17
ZIP 2021, 2445

Leitsatz | BFH I R 62/17

  1. Bei der Ermittlung des fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen steht die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) einem Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich der fehlenden Darlehensbesicherung nicht entgegen.
  2. Es widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Tatgericht ohne gegenteilige Tatsachenfeststellungen davon ausgeht, dass ein fremder Dritter für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen.

 

Sachverhalt | BFH I R 62/17

Die Klägerin ist eine inländische GmbH, welche im Streitjahr 2012 von der T sämtliche Anteile an der T GmbH erworben hatte. Die T GmbH wurde daraufhin mit Verschmelzungsvertrag auf die Klägerin verschmolzen (steuerlicher Übertragungsstichtag: 31.12.2011). Im Streitjahr nahm die Klägerin bei der D GmbH (Alleingesellschafterin) ein Gesellschaftsdarlehen zur Finanzierung des Kaufpreises auf, welches mit 8 % p.a. verzinst wurde. Die Zinsen waren mit Ablauf des Darlehensvertrags am 31.12.2021 zu entrichten. Die D GmbH nahm ihrerseits Fremdmittel in gleicher Höhe mit derselben Verzinsung bei ihren Gesellschaftern auf, mithin auch von ihrer niederländischen Gesellschafterin N. U.A. Zudem erhielt die Klägerin ein Bankdarlehen, welches mit durchschnittlich 4,78 % p.a. verzinst und vollumfänglich, auch von der D GmbH, besichert wurde. Außerdem bekam sie ein Verkäuferdarlehen vom Verkäufer, das mit 10 % p.a. verzinst wurde. Dabei sollte das Gesellschafterdarlehen gegenüber den anderen Darlehen nachrangig sein.

Das Finanzamt (der Beklagte) legte dem Körperschaftssteuerbescheid vom 16.02.2016 hinsichtlich des Gesellschafterdarlehens die Auffassung zugrunde, dass fremde Dritte einen Zinssatz von 5 % vereinbart hätten. Das Einkommen der Klägerin sei für das Streitjahr zu erhöhen, da in Höhe der Differenz zum tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 8 % eine vGA gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG vorliege.

Die Klage der Klägerin gegen den Körperschaftssteuerbescheid hatte keinen Erfolg. Sie legt Revision ein.

Entscheidung | BFH I R 62/17

Die Revision ist zulässig und begründet. Es sei entgegen der Annahme des Finanzgerichts wegen der vereinbarten Verzinsung von 8 % p.a. für das Gesellschaftsdarlehen nicht von einer vGA zugunsten der D GmbH auszugehen.

Unter einer vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG sei bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer öffentlichen Ausschüttung steht. Der Beurteilung liegt der Fremdvergleich zugrunde. Es ist zu untersuchen, ob die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätten. Der Untersuchung sei das Finanzgericht nicht ausreichend nachgekommen. Es sei fehlerhaft anzunehmen, dem streitigen Darlehen läge der mit dem Bankenkonsortium vereinbarte durchschnittliche Zinssatz von 4,78 % als Maßstab zugrunde. Denn im Gegensatz zu dem Kredit des Bankenkonsortiums sei das streitige Darlehen unbesichert und nachrangig. Bei dem Fremdvergleich sei lediglich das „Nahestehen“ hinwegzudenken, wodurch der Darlehensgeber gerade kein Gesellschafter, sondern ein fremder Dritter sei. Es widerspreche in einem solchen Fall den allgemeinen Erfahrungssätzen anzunehmen, dass ein fremder Dritter ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen zu einem Zinssatz von lediglich 5 % gewährt haben würde. Ein fremder Dritter würde mutmaßlich nicht ohne eine finanzielle Kompensation freiwillig den Vorrang einer Forderung eines anderen Drittgläubigers akzeptieren. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die D GmbH als Kreditgeberin in dem Vermögen der Klägerin eine hinreichende Sicherheit für die Darlehensrückzahlung sah, sodass sie keine Notwendigkeit für einen Risikozuschlag im Zinssatz annahm.

Der Senat weist darüber hinaus auf einige Gesichtspunkte hin. Zunächst habe das Finanzgericht anhand der Grundsätze des BFH zu prüfen, ob der Darlehensvertrag dem Grunde nach steuerrechtlich anzuerkennen ist. Ist dies nicht der Fall, wäre der Zinsaufwand von vornherein nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Sollte der Vertrag anzuerkennen sein, dann müsste das FG prüfen, ob der „Preis“ für die Kapitalüberlassung das Maß des Fremdüblichen überschritten hätte. Welche Methode das Tatgericht bei der Beurteilung anwendet, sei dem Gericht selbst überlassen. Sollte die Beurteilung anhand eines internen Preisvergleiches durchgeführt werden, sollten die Umstände der Nachrangigkeit und der Unbesichertheit derart einbezogen werden, dass eine eventuelle Preisanpassung in Erwägung gezogen werden müsse.

Praxishinweis | BFH I R 62/17

Grundsätzlich sollte bei der Gewährung von Gesellschafterdarlehen auf eine angemessene Verzinsung des Darlehens geachtet werden. Bei einer unangemessen hohen Verzinsung kann der Anschein einer versteckten Gewinnausschüttung entstehen, was zu einer Steuernachzahlung führt. Trotzdem hält der BFH fest, dass ein höherer Zinssatz bei nachrangigen und unbesicherten Darlehen gerechtfertigt sein kann.