OLG Köln 18 Wx 22/19
Verzicht auf Anteilsgewährung bei Verschmelzung von Schwestergesellschaften

05.08.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Köln
22.01.2020
18 Wx 22/19
ZIP 2020, 556

Leitsatz | OLG Köln 18 Wx 22/19

  1. Im Rahmen einer Verschmelzung von Gesellschaften kann durch notarielle Verzichtserklärung der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers von der Gewährung von Gesellschaftsanteilen an der übernehmenden Gesellschaft abgesehen werden (§ 54 Abs. 1 S. 3 UmwG).
  2. Der Verzichtserklärung steht nicht entgegen, dass der geschäftsführende und alleine Gesellschafter beider Gesellschaften personenidentisch ist.
  3. Eine Verzichtserklärung in notarieller Form muss nicht ausdrücklich geleistet werden. Die Erklärungen der Urkunde sind der Auslegung zugänglich, wobei aufgrund des Formerfordernisses keine Zweifel bestehen dürfen, dass die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers den Verzicht erklärten.

Sachverhalt | OLG Köln 18 Wx 22/19

Die betroffenen Gesellschaften A und B schlossen einen Verschmelzungsvertrag. Alleiniger und geschäftsführender Gesellschafter beider Gesellschaften ist der C. Eine ausdrückliche Verzichtserklärung gemäß § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG sieht der Verschmelzungsvertrag nicht vor.

Im notariellen Verschmelzungsvertrag heißt es auszugsweise:

„Die Verschmelzung erfolgt, ohne dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft gewährt werden.“

Auf die notarielle Eigenurkunde des vormals beurkundenden Notars, dass die Nichtgewährung von Anteilen als Verzichtserklärung zu verstehen sei, hat das AG Köln mit Beschluss vom 09.10.2019 den Antrag auf Eintragung der Verschmelzung, mangels Eintragungsfähigkeit kostenpflichtig zurückgewiesen. Nach Auffassung des Ag Köln, sei der Verschmelzungsvertrag aufgrund des Verstoßes gegen die Anteilsgewährungspflicht unheilbar nichtig und nicht bloß anfechtbar. Ferner sei eine Neuvornahme des Vertrages wegen Versäumnis der Frist aus § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG nicht möglich.

Der Beschwerde des Antragstellers ist durch das AG Köln in der Folge nicht abgeholfen und dem OLG Köln die Sache zur Entscheidung vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, dass eine Anteilsgewährungspflicht bei Schwesterngesellschaften nicht bestehe, im Übrigen wirksam auf die Anteilsgewährung verzichtet worden und ohnehin eine Gefährdung des Rechtsverkehrs aufgrund der Personenidentität der Gesellschafter nicht gegeben sei. Da es sich nicht um einen unverzichtbaren Vertragsbestandteil handele, könne die Erklärung auch formgerecht nachgeholt werden.

Entscheidung | OLG Köln 18 Wx 22/19

Die Beschwerde hat Erfolg. Nach Auffassung des OLG Köln ist der Verschmelzungsvertrag wirksam. Einer möglichen Nichtigkeit des Verschmelzungsvertrags wegen Verstoßes gegen die Anteilsgewährungspflicht steht der Verzicht des Gesellschafters des übertragenden Rechtsträgers entgegen.

Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Anteilsgewährung besteht auch bei Schwesterngesellschaften.

In der auszugsweisen Regelung im notariellen Verschmelzungsvertrag ist eine konkludente, wirksame Verzichtserklärung zu sehen. Im Gegensatz zu sonstigen konkludenten Erklärungen ist eine restriktive Auslegung des notariellen Vertrages aufgrund des Formerfordernisses des § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG und des besonderen Schutzzwecks der Regelung zu Gunsten des Gesellschafters des übertragenden Rechtsträgers geboten. Aus dem Schutzgedanken folgt jedoch nicht, dass eine konkludente formgerechte Erklärung des Gesellschafters gar nicht möglich ist. Es aber besondere Anforderungen an die Auslegung zu stellen. So darf kein Zweifel an der Abgabe der Erklärung bestehen.

Im konkreten Beschwerdegegenstand ist zu Gunsten des Antragstellers und Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass aufgrund der alleinigen Gesellschafterstellung bei beiden Gesellschaften der Anteilsgewährungsverzicht keine Auswirkungen auf die Anteilsverteilung zu den Anteilseignern hat.

Zwar fehle es der auszugweise dargestellten Erklärung im notariellen Verschmelzungsvertrag an einer klaren Abgrenzung zwischen Bildung von neuen Anteilen und der Gewährung von Anteilen gegenüber den hinzukommenden Gesellschaftern. Zudem sei auch nicht ersichtlich, ob die Erklärung als Gesellschafter oder als Geschäftsführer abgegeben worden ist. Eindeutig ist jedoch ersichtlich, dass aufgrund der Formulierung der Regelung die Beteiligten keine Kapitalerhöhung und keine Veränderung der Anteilsverteilung gewollt haben. Insofern wäre es bei Schwestergesellschaften, deren alleiniger Gesellschafter personenidentisch ist, reiner Formalismus an die Trennschärfe erhöhte Anforderungen zu stellen. Es besteht kein Zweifel, dass die einzig beteiligte natürliche Person als unterzeichnender Geschäftsführer eine Erklärung abgeben würde, die er selbst als Gesellschafter nicht gewollt hätte.

Der Schutzzweck der Regelung des § 54 UmwG ist hier ebenfalls nicht beeinträchtigt. Die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers sollen durch die Anteilsgewährungspflicht und die Formanforderung an die Verzichtserklärung vor Rechtsverlusten geschützt werden. Bei alleinigem und personenidentischem Gesellschafter, ist dieses Schutzbedürfnis aber gerade nicht erforderlich, da er nicht Gefahr läuft, eine Rechtsposition wie z.B. Mitgliedschaftsrechte zu verlieren. Ein Verstoß gegen den Schutzzweck des Formerfordernisses ist insoweit auch nicht ersichtlich, weil die vorgesehene Warnfunktion gar nicht betroffen ist.

Praxishinweis | OLG Köln 18 Wx 22/19

Das OLG Köln bekräftigt mit dieser Entscheidung einerseits die Verpflichtung der Einzelfallprüfung der Registergerichte. Andererseits stärkt es auch den Rechtsverkehr, indem es eine unnötige Formalisierung anprangert und in derart eindeutigen Konstellationen, in denen die Anteilsverteilung unverändert bleibt, zusätzliche Erklärungen für nicht erforderlich ansieht. Es bleibt jedoch bei unserer Empfehlung Verzichtserklärungen gemäß § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG eindeutig und ausdrücklich zu gestalten. Die recht eindeutig gelagerte Konstellation von Schwestergesellschaften mit alleinigem und personenidentischen Gesellschafter kann keine starke Aussagekraft für leicht abgewandelte Konstellationen mit kleinen Rechtsverlusten zugesprochen werden. Insoweit empfiehlt es sich, im Zuge des notariellen Verschmelzungsvertrags eine ordnungsgemäße und ausdrückliche Erklärung der Gesellschafter durch einen im Gesellschaftsrecht spezialisierten Notar aufnehmen zu lassen. Die Entscheidung des OLG Köln lässt aufgrund der angemerkten Kritik an der Trennschärfe auch vermuten, dass in ähnlich aber nicht gleichgelagerten Fällen eine Auslegung an der Formulierung scheitern könnte. Um Folgekosten und eine Verzögerung der Eintragung zu verhindern, ist eine ausdrückliche Regelung dringend zu empfehlen.