BGH II ZR 140/20
Verpflichtung eines ehemaligen GmbH-Geschäftsführers zur Auskunftserteilung bei begründetem Verdacht einer Pflichtverletzung

11.05.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
22.06.2021
II ZR 140/20
DStR 2021, 1959 = NZG 2021, 1356

Leitsatz | BGH II ZR 140/20

  1. Ein Geschäftsführer einer GmbH ist auch nach erfolgter Abberufung und Beendigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrags der GmbH zur Auskunftserteilung verpflichtet.
  2. Der Umfang einer solchen nachvertraglichen Auskunftspflicht des Geschäftsführers hängt vom Informationsbedürfnis der Gesellschaft ab und besteht nicht uneingeschränkt. Handelt es sich um einen vorbereitenden Auskunftsanspruch, so ist das Aufklärungsbedürfnis zur Geltendmachung eventuell bestehender Hauptansprüche maßgebend.

(nicht amtliche Leitsätze)

Sachverhalt | BGH II ZR 140/20

Der Bekl. war zunächst alleiniger Geschäftsführer der klagenden GmbH. Später wurde B zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Der Bekl wurde später als Geschäftsführer abberufen und legte auch sein Amt nieder.
Die Kl. wirft dem Bekl. vor, er habe ihren Geschäftsbetrieb ohne Kompensation und Zustimmung der Gesellschafterversammlung auf Wettbewerber übertragen. Sie verlangt im Wege der Stufenklage Auskunft und Schadensersatz.

 

Entscheidung | BGH II ZR 140/20

Geschäftsführer einer GmbH sind der Gesellschaft gegenüber gem. § 666 iVm §§ 675, 611 BGB zur Auskunft verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch nach Abberufung und Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags.

Im Haftungsprozess gegen den ehemaligen Geschäftsführer trägt dieser zwar die Darlegungs- und Beweislast für sein pflichtgemäßes Verhalten. Ein Auskunftsinteresse ergibt sich aber ungeachtet dessen aus dem begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung und der Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens. Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Geschäftsführer mit der verlangten Auskunft eine Pflichtverletzung offenbaren würde.

Praxishinweis | BGH II ZR 140/20

Dieses Urteil des BGH ist zweifach wertvoll für die Praxis. Aus prozessualer Sicht zeigt es wie sich die Darlegungs- und Beweislast in einem Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche der GmbH gegen ihren (ausgeschiedenen) Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG zwischen ihr und ihrem Geschäftsführer verteilt. Materiell klärt der BGH, dass der GmbH auch gegen ihren ausgeschiedenen Geschäftsführer Ansprüche auf Auskunft gem. § 666 Alt. 2 BGB i.V.m. §§ 611, 675 BGB zustehen können.

Folglich kann die Gesellschaft durch geschicktes prozessuales Vorgehen, die Organhaftungsklage aus § 43 Abs. 2 GmbHG mit einer vorgeschalteten Auskunftsklage gegen den Geschäftsführer aus § 666 BGB vorbereiten.