BFH X R 31/20
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: Abgrenzung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten bei teilweisem Ausschluss der Übernahme eines pflegebedingten Mehrbedarfs

04.05.2022

Leitsatz | BFH X R 31/20

  1. Sind wiederkehrende Barleistungen in einem vor dem 01.01.2008 abgeschlossenen Vermögensübergabevertrag vereinbart worden, stellen sie dauernde Lasten dar, wenn sie abänderbar sind. (Rn.17)
  2. Eine Abänderbarkeit der Leistungen kann trotz eines teilweisen Ausschlusses der Übernahme des pflegebedingten Mehrbedarfs gegeben sein. Es reicht aus, wenn sich der Vermögensübernehmer entweder zur persönlichen Pflege (mindestens im Umfang der bis 2016 geltenden Pflegestufe 1 bzw. des ab 2017 geltenden Pflegegrades 2) oder in entsprechendem Umfang zur Übernahme der Kosten für die häusliche Pflege oder der Kosten für die externe Pflege verpflichtet hat.(Rn. 24 )(Rn. 32)

Sachverhalt | BFH X R 31/20

Die Kläger sind Eheleute und wurden für die Streitjahre 2012 bis 2014 zur Einkommenssteuer zusammenveranlagt. Der Ehemann hatte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb am 29.04.2004 übernommen. Im Gegenzug wurde den Eltern ein lebenslanges Wohnrecht für bestimmte Räumlichkeiten eingeräumt und der Kläger zahlt alle Kosten der gewöhnlichen Unterhaltung sowie einen monatlichen Betrag von 1.000 Euro. Für letzteres gilt § 323 ZPO nach seinem materiellen Gehalt.

Der notarielle Übernahmevertrag enthält einen Ausschluss der Abänderungsmöglichkeit. Dieser wurde mit schriftlicher Vereinbarung dahingehend geändert, dass Änderungen in der Bedürftigkeit der Eltern, die durch die Unterbringung im Alten- oder Pflegeheim bedingt sind, außer Betracht bleiben sollen. Der Beklagte ist das Finanzamt. Dieser berücksichtigte bei dem Ehemann in den Streitjahren als Sonderausgaben lediglich pro Jahr einen Teilbetrag von 3.200 Euro der Zuwendungen an die Eltern. Die vom Kläger gezahlten Nebenkosten wurden vollständig übernommen. Die monatlichen Zahlungen von 1.000 Euro wurde hingegen lediglich als Leibrente mit einem Ertragsgehalt von 20 % steuermindernd anerkannt.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Das Finanzamt hat Revision eingelegt.

Entscheidung | BFH X R 31/20

Die Revision ist unbegründet und vom Senat zurückzuweisen, da die Barleistungen des Klägers zurecht als dauernde Last abziehbar sind.

Der Vertrag vom 29.04.2004 sei zurecht als Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen gewürdigt worden. Dabei seien als Sonderausgaben solche Renten und dauernde Lasten abziehbar, die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhen und nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Private Versorgungsrenten stellen dabei weder Veräußerungsentgelt beim Übergeber noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sodass sie als Sonderausgaben und wiederkehrende Bezüge eingestuft würden. Es sei im Streitfall davon auszugehen, dass die Leistungen aus den Nettoerträgen des übertragenen Vermögens erbracht werden können.

Maßgeblich sei die Abgrenzung der Leibrente von dauernden Lasten, wofür der BFH bereits Grundsätze entwickelt hat. Danach liegen dauernde Lasten vor, wenn die wiederkehrenden Sach- und Geldleistungen abänderbar sind. Es reiche für eine steuerlich zu beachtende Änderungsklausel nicht aus, wenn lediglich ausdrücklich Bezug auf § 323 ZPO genommen wird. Hingegen soll von einer Leibrente ausgegangen werden, wenn trotz einer Bezugnahme auf § 323 ZPO eine Abänderung infolge eines Mehrbedarfs wegen dauernder Pflegebedürftigkeit oder Heimunterbringung ausgeschlossen ist. Dies gelte für Fälle, in denen die Erbringung höchstpersönlicher Pflegeleistungen nicht schon aus dem Wesen des Vertrags abgeleitet werden kann. Bei der Abgrenzung solle auf die gesamten vereinbarten Versorgungsleistungen abzustellen sein. Für die Annahme einer dauernden Last reiche es aus, wenn der Übernehmer den Mehrbedarf wegen dauernder Pflegebedürftigkeit durch eine der drei Durchführungswege abdeckt. Entweder verpflichtet er sich zur persönlichen Pflege oder zur Übernahme der zusätzlichen Kosten für die häusliche Pflege oder zur Übernahme der zusätzlichen Kosten für eine externe Pflege. Lediglich der vollständige Ausschluss führe zur Annahme einer Leibrente.

Der vorinstanzlichen Entscheidung sei zuzustimmen. Die Vorinstanz habe den Vertrag dahingehend ausgelegt, dass mit der Bezugnahme auf § 323 ZPO eine Abänderbarkeit der wiederkehrenden Barleistungen vereinbart worden sei und die übrigen Regelungen die Anpassungsmöglichkeit nicht in einer Weise einschränken, die einer bloßen Wertsicherungsklausel entspreche. Möglich sei trotz des vertraglichen Ausschlusses weiterhin die Unterbringung der Eltern in der eigenen Wohnung, bei den Klägern oder sonstigen Familienmitgliedern. Damit verstoße das FG nicht gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln, weshalb die Auslegung für die Revisionsinstanz gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend sei. Mithin handele es sich, wie vom FG festgestellt, um eine dauernde Last und die Revision des FA ist unbegründet.

Praxishinweis | BFH X R 31/20

Für die Annahme einer dauernden Last, welche beim Übernehmer zu einer vorteilhafteren steuerlichen Berücksichtigung führt, darf die Abänderung wegen eines Mehrbedarfs bei (dauernder) Pflegebedürftigkeit nicht vollständig ausgeschlossen sein. Es ist den Parteien somit anzuraten, den Wortlaut des Übernahmevertrags derart zu formulieren, dass eine Auslegung in Richtung einer Abdeckung des Mehrbedarfs in Form einer der drei Durchführungswege weiterhin möglich ist. Der Senat hebt jedoch auch hervor, dass gerade einer der drei Durchführungswege für die Annahme einer dauernden Last ausreichend sei.