AG Biedenkopf 50 C 208/19
Unzumutbarkeit einer Eigentümerversammlung an einem Feiertag

05.04.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

AG Biedenkopf
14.09.2020
50 C 208/19
BeckRS 2020, 27639

Leitsatz | AG Biedenkopf 50 C 208/19

Die Einberufung einer Eigentümerversammlung an einem allgemeinen Feiertag mit christlichem Ursprung (Himmelfahrtstag) ist unzumutbar, selbst wenn alle Miteigentümer muslimischen Glaubens sind.

(amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | AG Biedenkopf 50 C 208/19

Der Streit handelt von der Frage, um die Wirksamkeit von Beschlüssen einer Eigentümerversammlung in einem WEG-Verfahren. Die Beteiligten sind Wohnungsmiteigentümer und damit Teil der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anteile am Eigentum sehen wie folgt aus: die Klägerin zu 1) 212/1000 Anteile, der Kläger zu 2) 189,8/1000 Anteile, der Beklagte zu 1) 114/1000 und 185,1/1000 Anteile, der Beklagte zu 2) 185,1/1000 Anteile. Zudem haben der Kläger zu 2) und der Beklagte zu 2) einen Miteigentumsanteil von 114/1000 Anteilen je zu ½.

Der Beklagte zu 1) ist faktisch der Verwalter der WEG, ohne formelle Bestellung zu dieser Position. Er lud am 30.04.2019 schriftlich zu einer Eigentümerversammlung für den 30.05.2019. An diesem Tag ist zugleich Christi Himmelfahrt, ein gesetzlicher Feiertag in Deutschland. Der Kläger zu 2) teilte mit, dass er aufgrund des Feiertags nicht teilnehmen werde. Die Klägerin zu 1) bat um Verlegung der Eigentümerversammlung. Der Beklagte zu 1) führte die Eigentümerversammlung dennoch durch, in Anwesenheit des Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 1) erklärte die Eigentümerversammlung für beschlussfähig und nahm mit dem Beklagten zu 2) eine Reihe an Beschlüssen vor.

Die Kläger sind der Auffassung, dass die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 30.05.2019 nichtig seien, weil die Ansetzung der Eigentümerversammlung an einem Feiertag nur unter Zustimmung sämtlicher Eigentümer hätte erfolgen dürfen. Außerdem sei die Eigentümerversammlung nicht beschlussfähig gewesen, weil weniger als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten waren.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Versammlung hätte stattfinden dürfen, weil die Abhaltung an einem Feiertag bisher kein Problem war. Außerdem ist Christi Himmelfahrt ein christlicher Feiertag. Alle Beteiligten seien muslimischen Glaubens, womit dieser Tag kein Hindernis darstellen sollte. Die Beschlussfähigkeit der Versammlung lag ebenfalls vor, weil der Beklagte zu 2) sein Stimmrecht aus dem hälftigen Eigentumsanteil für sich und den Kläger zu 2) ausgeübt habe.

Entscheidung | AG Biedenkopf 50 C 208/19

Die Klage hat Erfolg, weil sie zulässig und begründet ist. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 30.05.2019 sind ungültig, weil die Versammlung unter mehreren formalen Mängeln leidet. Formale Mängel führen zur Ungültigkeit des Beschlusses, wenn sich die Mängel kausal auf das Beschlussergebnis ausgewirkt haben. Davon ist grundsätzlich auszugehen, es sei denn, es wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt, dass auch ohne Mängel kein Unterschied im Beschlussergebnis vorgelegen hätte. Ein entsprechender Beweisvortrag der Beklagtenseite liegt nicht vor.

Zunächst mangelt es an einer ordnungsgemäßen Ladung bzw. Terminierung der Eigentümerversammlung, weil eine Ansetzung der Eigentümerversammlung an einem Feiertag nach allgemeinen Erwägungen unzumutbar für die Wohnungseigentümer ist. Gesetzliche Feiertage, wie Christi Himmelsfahrt, dienen der Erholung, Regeneration und Zerstreuung. Tätigkeiten abseits dieser Zielsetzung sind nur mit Zustimmung aller Beteiligten möglich. Diese Zustimmung lag jedoch nicht vor. Es ist unerheblich welchen Glauben die Beteiligten dabei angehören, denn Christi Himmelsfahrt ist ein bundesweiter gesetzlicher Feiertag, welcher an alle sich im Bundesgebiet aufhaltenden Menschen gerichtet ist.

Des Weiteren mangelt es an der Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung. Für die Beschlussfähigkeit müssen über die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten sein. Die von dem Kläger zu 2) und dem Beklagten zu 2) gemeinsamen Anteile sind bei der Bestimmung der Beschlussfähigkeit keiner Seite zuzurechnen, weil Eigentümer an gemeinsamen Miteigentumsanteilen nur gemeinsam stimmberechtigt sind. Eine Einigung der Eigentümer des gemeinsamen Miteigentumsanteils, bzw. eine Vertretung des Klägers zu 2) durch den Beklagten zu 2) lag nicht vor, womit dieser nicht stimmberechtigt war. Daher waren bei der Eigentümerversammlung weniger als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten.

Praxishinweis | AG Biedenkopf 50 C 208/19

Eine Eigentümerversammlung an einem Feiertag ist für Wohnungseigentümer unzumutbar, weil ein Feiertag der Erholung, Regeneration und Zerstreuung dient. Die Eigentümerversammlung ist dann nur möglich, wenn alle Beteiligten mit der Abhaltung an diesem Feiertag einverstanden sind. Die Eigentümer eines gemeinschaftlichen Wohnungseigentumsanteils sind nur gemeinsam stimmberechtigt.