OLG Karlsruhe 5 UF 125/20
Unwirksamkeit eines Ehevertrages

25.10.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Karlsruhe
31.03.2021
5 UF 125/20
NZFam 2021, 461

Leitsatz | OLG Karlsruhe 5 UF 125/20

Dass ein Ehevertrag erst mehrere Monate nach der Heirat geschlossen wird, steht dessen Beurteilung als sittenwidrig aufgrund einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände nicht grundsätzlich entgegen.

Sachverhalt | OLG Karlsruhe 5 UF 125/20

Die beteiligten Ehegatten, welche mittlerweile rechtskräftig geschieden sind, streiten um die Folgesachen Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt. Der Antragsteller ist deutscher Staatsbürger, die Antragsgegnerin hat die weißrussische Staatsbürgerschaft. Nachdem die Antragsgegnerin im Januar 2003 endgültig mit ihrem Sohn zum Antragsteller zieht, heiraten die Beteiligten am 19.12.2003. Einen ersten notariellen Ehe- und Erbvertrag schließen sie erst am 17.03.2004 mit folgendem Inhalt:

Die Ehegatten einigen sich über den Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes und vereinbaren den Güterstand der Gütertrennung gemäß § 1414 BGB. Derjenige Ehegatte, der im Falle einer Scheidung im Jahr vor der Scheidung ein geringeres Jahreseinkommen hatte, kann vom jeweils anderen Ehegatten einen Betrag von 2.000,00 Euro verlangen. Der Versorgungsausgleich wird teilweise dahingehend ausgeschlossen, dass die in der Ehezeit bis zur Einbürgerung der Ehefrau erworbenen Versorgungsanwartschaften nicht auszugleichen sind. Des Weiteren verzichten die Beteiligten auf nachehelichen Unterhalt, sollte die Ehe binnen drei Jahren geschieden werden.

Der Antragsteller setzt die Antragsgegnerin erbvertraglich zu einem Drittel als seine Erbin ein. Nachdem sie die Ehe ohne eigenes Erwerbseinkommen einging, verdiente sie ab Mai 2010 1.400,00 Euro und seit 2011 mehr als 2.000,00 Euro monatlich.

Am 15.03.2013 schlossen die Ehegatten daraufhin einen Änderungsvertrag dahingehend, dass für den Fall der Scheidung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG der Versorgungsausgleich für die gesamte Ehezeit völlig ausgeschlossen und auf den nachehelichen Unterhalt vollständig verzichtet wurde. Darüber hinaus wurde die Erbeinsetzung der Antragsgegnerin aufgehoben und ihr stattdessen ein Betrag von 5.000,00 Euro sowie ein Wohnrecht für die Dauer von 6 Monaten im Hause des Antragstellers jeweils vermächtnisweise zugewandt.

Im Jahr 2018 trennten sich die Ehegatten. Nach Antragstellung schlussendlich beider Beteiligten, die Ehe scheiden zu lassen, stellte die Antragsgegnerin zusätzlich einen Stufenantrag zum Zugewinn. Das Familiengericht scheidet die Ehe und stellt fest, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Beide Eheverträge seien wirksam.

Die Antragsgegnerin beantragt eine Abänderung des Beschlusses des Familiengerichts, der Antragsteller beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidung | OLG Karlsruhe 5 UF 125/20

Das OLG Karlsruhe ersieht die Beschwerde als zulässig, insbesondere form- und fristgerecht an. Gegenstand der Beschwerde ist der Versorgungsausgleich und der gesamte Anspruch auf Zugewinnausgleich.

Das Gericht hält sowohl den ersten Ehe- und Erbvertrag aus dem Jahr 2004 als auch den Änderungsvertrag aus dem Jahr 2013 für nichtig gemäß §§ 138, 139 BGB. Damit stehen der Antragsgegnerin die Auskunftsansprüche gemäß § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB zu.

Auch wenn die gesetzlichen Regelungen über den nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich dispositiv und damit grundsätzlich der Privatautonomie unterliegt, darf die vertragliche Ausgestaltung der Vertragsparteien nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen beliebig unterlaufen wird. Das Gericht sieht sich insbesondere verpflichtet, jegliche Verträge, die einer Vertragspartei vertragliche Lasten besonders einseitig aufbürden und zu einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner führen, sodass ein Vertragspartner den Vertrag faktisch einseitig bestimmen kann, zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Im Bezug auf Eheverträge sollen Gerichte jedenfalls die in Art. 3 Abs. 2 GG verankerte gleichberechtigte Partnerschaft schützen.
Das Gericht überprüft den Vertrag mithin dahingehend, ob es schon bei Vertragsschluss zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass es als ein Verstoß gegen die guten Sitten zu bewerten ist, was zur Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelungen führte.

Während die Vereinbarung der Gütertrennung isoliert betrachtet grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, sei der Vertrag unter Würdigung der Gesamtumstände als sittenwidrig zu beurteilen. Dabei stellt das Gericht insbesondere auf den vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs ab, welcher als Kernbereich der Scheidungsfolgen nur begrenzt vertraglich gestaltet werden könne. Ein klares Indiz für die Sittenwidrigkeit sei das erhebliche und gesicherte Einkommen des Antragstellers, welches gegenüber seiner einkommenslosen Ehefrau zu einer klaren Überlegenheit führt.

Dieser Umstand allein kann jedoch noch nicht zur Bejahung der verwerflichen Gesinnung des Antragstellers führen. Vielmehr muss es außerhalb der Vertragsurkunde zu zusätzlichen Anhaltspunkten, wie die Ausnutzung einer Zwangslage, soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit oder intellektuelle Unterlegenheit geben. Eine solche Unterlegenheit liege im Falle der Antragsgegnerin deshalb vor, weil sie eine neu zugereiste Ausländerin war, die in ihrer Heimat eine lukrative Arbeitsstelle mit schon erreichter Zusage einer guten Altersvorsorge aufgegeben hatte, was zu einer völligen wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit führte. Damit hat der Antragssteller im Wege des Vertrages all seine persönlichen vermögensrechtlichen Interessen zu wahren versucht, ohne einen angemessenen Vorteil für seine Ehefrau zu schaffen.

Beide Verträge sind somit infolge der Gesamtnichtigkeit unwirksam. Das Verfahren ist bezüglich des Anspruchs auf Zugewinnausgleich und des Anspruchs zum Versorgungsausgleich an das Familiengericht zurückzuweisen.

Die weiteren von der Antragstellerin gestellten Anträge auf Auskunft über unentgeltliche Zuwendungen sowie auf Auskunft über den Wert der bezeichneten Vermögensgegenstände ist unbegründet beziehungsweise unzulässig.

Praxishinweis | OLG Karlsruhe 5 UF 125/20

Die gesetzlichen Regelungen betreffend die Eheschließung sind grundsätzlich dispositiv und können daher von den Ehegatten auch vertraglich, das heißt abseits der gesetzlichen Regelungen festgelegt werden. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass nicht der Schutzzweck der Norm unterlaufen wird, da auch ein Ehevertrag der Sittenwidrigkeitskontrolle unterliegt. Insbesondere der erwerbsmäßig überlegene Ehepartner sollte bei vertraglicher Einigung über den Güterstand der Gütertrennung darauf achten, eine ausreichende Kompensation des benachteiligten Ehepartners in den Vertrag mit aufzunehmen. Die Beurteilung über eine vorhandene Sittenwidrigkeit findet im Wege einer Gesamtabwägung aller Umstände statt, wobei beiden Partnern zumindest nicht grob ungleiche Rechte und Pflichten zustehen sollten.