BGH IV ZB 30/20
Unwirksamkeit einer Erbeinsetzung in einem eigenhändig geschriebenen Testament bei Verweis auf maschinengeschriebene Anlage

21.10.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
20.10.2022
IV ZB 30/20
ZErb 2022, 111

Leitsatz | BGH IV ZB 30/20

Zur Unwirksamkeit einer Erbeinsetzung, wenn die Erben in einem eigenhändigen Testament erst durch Bezugnahme auf eine nicht die Testamentsform wahrende Anlage individualisierbar bestimmt werden. (amtl. Ls.)

Sachverhalt | BGH IV ZB 30/20

Die Beteiligten stritten darüber, ob die B1 und B2 Miterben nach dem am 24.04.2017 verstorbenen Erblasser geworden sind. B3 ist die Tochter des Erblassers aus erster Ehe.

Der Erblasser und seine zweite Ehefrau errichteten am 10.03.2011 ein gemeinschaftliches, eigenhändiges Testament, welches von beiden unterzeichnet wurde. Hierin setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben ein und verfügten weiter:

„Unser gemeinsam erarbeitetes Kapital ist in zwei Ländern angelegt in Deutschland und in Italien mit in etwa gleicher Wertigkeit. Deswegen geben wir eine genaue Anweisung für die Nach/Schlußerben.
Wir haben zwei Häuser mit Grundstück, eines in W./D. und ein Ferienhaus in P./I. (…) Für diese beiden Erbteile verfügen wir in vollem Einverständnis miteinander über die Nacherben. Nach dem Tod beider Partner soll das Erbe wie vorgesehen weiter gegeben werden an:

Erbteil W. an (…) (die Bet. zu 3) Erbteil P./I. fällt an eine Erbengemeinschaft aus 5 befreundeten Familien, da (…) (die Ehefrau) außer ihrem Ehemann keine Erben hat (…) Namen und Adressen für das Erbteil Italia sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben. (…)“

Als Anhang wurde dem Testament eine maschinengeschriebene „ANLAGE Gemeinschafts-TESTAMENT NAMENSLISTE der ERBENGEMEINSCHAFT“ beigefügt, in der durch Querstriche getrennt fünf Paare, darunter die B1 und B2, mit ihren jeweiligen Namen, Adressen und Kontaktdaten aufgeführt sind. Die Anlage ist handschriftlich auf den 10.03.2011 datiert und vom Erblasser und seiner Ehefrau unterschrieben. Nachdem die Ehefrau verstorben war, errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er die B3 als Alleinerbin einsetzte.
Nach dem Tod des Erblassers beantragten die B1 und B2 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Erben zu je 1/20 ausweist. Das Nachlassgericht hat die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Auf die Beschwerde der B3 hat das OLG den Beschluss des NachlassG aufgehoben und den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der B1 und B2 mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgten.

Entscheidung | BGH IV ZB 30/20

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet und hat daher in der Sache keinen Erfolg.

Die B1 und B2 sind durch das Testament vom 10.03.2011 nicht wirksam als Erben eingesetzt worden, da die erforderlichen Formvorschriften nach §§ 2247 Abs. 1, 2267 S. 1 BGB nicht eingehalten wurden. Werden die konkreten Erben in einem eigenhändigen Testament erst durch die Bezugnahme auf eine Anlage, die nicht den Formvorschriften entspricht, bestimmt und nicht bereits allein durch den Wortlaut des Testaments, liegt eine keine wirksame Erbeinsetzung vor.

Sämtliche testamentarischen Verfügungen des Erblassers müssen der Form nach §§ 2247 Abs. 1, 2267 S. 1 BGB entsprechen. Bzgl. des Inhalts der letztwilligen Verfügung kann der Erblasser grds. nicht auf Schriftstücke Bezug nehmen, die nicht der Testamentsform genügen (sog. „testamentum mysticum“). Zulässig ist die Bezugnahme nur zum Zweck der näheren Erläuterung der testamentarischen Bestimmungen, da es sich dann nur um die Auslegung des bereits formgerecht erklärten, erkennbaren Willens handele.

Im vorliegenden Fall geht der Wille, die B1 und B2 als Miterben nach dem Längstlebenden einzusetzen, nicht bereits aus dem formgültigen Testament hervor, auch nicht im Wege der Auslegung. Die im eigenhändigen Testament bzgl. des „Erbteils P./I.“ getroffene letztwillige Verfügung ist nicht hinreichend bestimmt und damit unvollständig. Denn der Angabe „5 befreundeten Familien“ allein lassen sich die Erben – ohne Rückgriff auf die Anlage – nicht im Einzelnen entnehmen.

Auch im Wege der Auslegung des Testaments nach § 133 BGB und unter Anwendung der Andeutungstheorie ergibt sich nichts anderes. Zwar lässt der Begriff „5 befreundete Familien“ Raum für Auslegung. Die Andeutungstheorie kann jedoch nicht dazu führen, Formnichtigkeit zu überwinden. Die Formvorschriften dienen dem Zweck, die Echtheit letztwilliger Verfügungen festzustellen und Streitigkeiten über den Inhalt zu vermeiden. Ergibt sich erst aus einer nicht den Formvorschriften entsprechenden und damit fälschungsanfälligen Anlage, wer Erbe sein soll, widerspricht dies dem vorgenannten Zweck.

Praxishinweis | BGH IV ZB 30/20

Bei der Errichtung von Testamenten ist insbesondere der Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten. Da muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden, ob eine Anlage, auf die Bezug genommen wird, lediglich erläuternd oder inhaltsbestimmend ist. Im letzteren Fall muss auch die Anlage den testamentarischen Formvorschriften entsprechen, um nicht die Nichtigkeit des gesamten Testaments zu riskieren.