BGH II ZR 255/18
Unwirksame Hauptversammlungsbeschlüsse infolge Bekanntmachungsfehler

11.08.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
14.07.2020
II ZR 255/18
GWR 2020, 471

Leitsatz | BGH II ZR 255/18

Die aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung der Minderheitsaktionäre auf die Tagesordnung zu setzenden Gegenstände müssen bei einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft so rechtzeitig bekanntgemacht werden, dass die Aktionäre ausreichend Zeit haben, sich mit der ergänzten Tagesordnung zu befassen, darüber zu befinden, ob sie an der Hauptversammlung teilnehmen wollen, und die Teilnahmevoraussetzungen zu erfüllen.

Sachverhalt | BGH II ZR 255/18

Die Klägerinnen sind Aktionäre der nicht börsennotierten Beklagten. Der Vorstand der Beklagten lud auf den 29.07.2016 zur Hauptversammlung mit dem einzigen Tagesordnungspunkt „Aufsichtsratswahl“ ein. Für die Teilnahme und die Ausübung des Stimmrechts war nach der Satzung der Beklagten eine Anmeldung spätestens bis zum 25.07.2016 erforderlich. Am 30.06.2016 verlangte eine Klägerin die Ergänzung der Tagesordnung um Beschlussfassungen über zwei Sonderprüfungsanträge – im Ergebnis erfolglos. Daraufhin beantragte diese am 13.07.2017 beim Amtsgericht, zwei Tagesordnungspunkte bezüglich Sonderprüfungen auf die Tagesordnung einer Hauptversammlung der Beklagten zu setzen. Das Gericht ermächtigte am 21.07.2017 die Klägerin zur Ergänzung der Tagesordnung. Am gleichen Tag beauftragte die Klägerin den Bundesanzeiger, woraufhin am 25.07.2017 die Ergänzung der Tagesordnung veröffentlicht wurde. OLG und BGH hatten nun über die gegen die auf die gesonderten Tagesordnungspunkte folgenden Beschlüsse gerichteten Anfechtungsklagen zu entscheiden.

Entscheidung | BGH II ZR 255/18

Entgegen dem OLG München billigte der BGH die Beschlussfassung nicht. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger erfolgte am letzten möglichen Tag vor Ablauf der Frist zur Anmeldung. Den Aktionären müsse eine angemessene Frist gewährt werden, um sich mit dem Tagesordnungspunkt zu befassen und die Entscheidung über eine Teilnahme an der Hauptversammlung zu treffen, eine Stimmkarte zu beantragen sowie den Hinterlegungsanforderungen nachzukommen. Dieses Recht der Aktionäre auf sachgerechte Information sei auch im Spannungsverhältnis mit dem Recht der Minderheit zu wahren, durch eine Tagesordnungsergänzung den Willen anderer Aktionäre in einer Hauptversammlung zu beeinflussen. Vorliegend sei die Bekanntmachung am letzten Tag der Anmeldefrist verspätet gewesen und habe das Recht der Aktionäre auf sachgerechte Information verletzt. Die den Aktionären verbleibende Zeit sei zu kurz gewesen, um sich mit der um die Sonderprüfungsanträge ergänzten Tagesordnung befassen und eine Entscheidung über die Teilnahme treffen zu können.

Praxishinweis | BGH II ZR 255/18

Die Entscheidung verleiht dem Ergänzungsverlangen eines Minderheitsaktionärs einen straffen Zeitplan. Da der BGH die Frage, wann eine Ergänzung noch rechtzeitig ist, nicht beantwortet hat, scheint weiterhin ein Vorlauf von mindestens 15 Tagen empfehlenswert. Praktisch dürften diese zeitlichen Vorgaben vor dem Hintergrund der Konsultation sowohl des Vorstandes als auch des Amtgerichts jedoch kaum je zu halten sein, wenn die Fristen gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 AktG weitgehend ausgenutzt werden. Insoweit erscheint es praxisgerecht eine kürzere Frist von einigen Tagen ausreichen zu lassen.