BGH V ZR 245/20
Unverjährbarkeit des Zustimmungsanspruchs aus § 888 Abs. 1 BGB und Verjährung des gesicherten Anspruchs

23.09.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.05.2021
V ZR 245/20
DNotZ 2022, 376

Leitsatz | BGH V ZR 245/20

  1. Der aus § 888 Abs. 1 BGB folgende Zustimmungsanspruch des Vormerkungsberechtigten ist in entsprechender Anwendung von § 902 Abs. 1 BGB unverjährbar.
  2. Ist allerdings der durch die Vormerkung gesicherte schuldrechtliche Anspruch verjährt, kann der vormerkungswidrig Eingetragene im Grundsatz die dem Schuldner zustehende Einrede der Verjährung gegen den gesicherten Anspruch erheben und die Zustimmung aus diesem Grund verweigern.

Sachverhalt | BGH V ZR 245/20

Dem Kläger wurde zu seinen Gunsten 1999 eine Auflassungsvormerkung im Wohnungsgrundbuch eingetragen. Zugunsten einer Innungskrankenkasse als Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde 2001 eine Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch eingetragen. Diese sollte nach Darstellung der Beklagten Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegen den damaligen Eigentümer der Wohnung sichern. Am 05.03.2002 wurde der Kläger als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen.

Der Kläger vertrat die Behauptung, erst 2018 beim Weiterverkauf der bezeichneten Wohnung von der Eintragung zugunsten der Innungskrankenkasse Kenntnis erlangt zu haben. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung der Zwangssicherungshypothek und will ferner festgestellt wissen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die durch den verzögerten Weiterverkauf der Wohnung entstandenen Schäden zu ersetzen und die Kosten der Löschung zu tragen. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das OLG Dresden gab ihr hingegen im vollen Umfang statt. Mit der vom OLG zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidung | BGH V ZR 245/20

Der BGH teilte die Meinung des Berufungsgerichts, dass der Kläger einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der Zwangssicherungshypothek gem. § 888 I BGB hat, ausdrücklich nicht. Grundsätzlich habe des Berufungsgericht richtig erkannt, dass sich ein Anspruch aus § 888 I BGB ergeben kann, wenn derjenige, zu dessen Gunsten eine Vormerkung besteht, von dem Erwerber eines eingetragenen Rechts oder eines Rechts an einem solchen Recht die Zustimmung zur Eintragung der Löschung verlangen kann, die zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist. Ein Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 BGB könne hingegen in casu nicht bestehen, da das Grundbuch nicht unrichtig werde, wenn der Eigentümer zugunsten eines Dritten eine Verfügung vornehme, welche der Vormerkung widerspreche. Dagegen schütze die Vormerkung nicht absolut, sondern nur relativ.

Fraglich sei es jedoch nach Ansicht des BGH, ob überhaupt ein der Vormerkung zugrundeliegender Anspruch bestehe. Die Vormerkung würde nicht oder nicht mehr bestehen, wenn der zugrundeliegende Anspruch untergegangen wäre. Dies hätte die Konsequenz, dass auch der mit der Klage geltend gemachte Anspruch aus § 888 I BGB nicht bestehen würde. Das Berufungsgericht hätte voreilig das Bestehen der Vormerkung angenommen, wenn es vertrete, dass der gesicherte Anspruch in unverjährter Zeit erfüllt worden sei. Dies hätte mithin die Konsequenz, dass auch die Vormerkung als streng akzessorisches Sicherungsrecht erloschen sein müsste aber die Eintragung fortbestand. Entscheidungserheblich sei demnach, ob der Kläger weiterhin im Wege der Erfüllung lastenfrei die Übertragung des Eigentums beanspruchen kann. Hierbei wäre der Parteivortrag der Klägerseite unter Verstoß gegen § 138 ZPO übergangen worden. Vorausgesetz ein Vortag der Klägerseite würde ergeben, dass ein Anspruch auf lastenfreie Übertragung des Eigentums bestand, wäre wegen der mit Rang vor der Zwangssicherungshypothek eingetragenen Vormerkung der Anspruch aus § 888 I BGB gegeben.

Der Anspruch auf lastenfreie Übertragung sei dabei nicht verjährt. Hierzu führt der BGH aus, dass die Vorschrift des § 216 I BGB auf die Vormerkung nicht anwendbar sei, da diese die Erlangung eines Rechts erst vorbereiten solle. Sei der zugrundeliegende Anspruch mithin verjährt, könne sich der vormerkungswidrig Eingetragene daher grundsätzlich auf die dem Schuldner zustehende Einrede der Verjährung berufen. Der gesicherte Anspruch sei zum einen nicht nach § 195 BGB aF verjährt. Zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs sah diese Vorschrift eine regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren vor. Damals sein das Eigentum nicht lastenfrei übertragen worden und mithin sei keine Erfüllung eingetreten (§§ 433 I 1, 434, 440 I BGB aF). Zum anderen ändere sich dies auch nicht durch das Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 01.01.2002. Zwar gelte grundsätzlich der Art. 229 § 6 I 1 EGBGB wonach die Frist nach dem ab dem 01.01.2002 geltenden Recht bestimmt wird. Allerdings wäre hierfür nicht die Frist des § 196 BGB (10 Jahre) sondern die Vorschrift des § 438 I Nr. 1b BGB (30 Jahre) Anzuwenden. Auch nach geltendem Recht hätte hier ein Rechtsmangel vorgelegen (§ 422 I 2 BGB). In diesem Fall könne der Käufer nach §§ 435, 437 Nr. 1 BGB Nacherfüllung verlangen.

Letztlich sei nach Ansicht des BGH der Anspruch aus § 888 I BGB in analoger Anwendung von § 902 I 1 BGB unverjährbar. Einerseits fehle es an einer Vorschrift, welche eine Unverjährbarkeit normiere. Dennoch könnten andere Verjährungsvorschriften (bspw. § 438 I Nr. 1b BGB oder § 196 BGB) ebenso wenig herangezogen werden. Letztlich sei daher aufgrund vergleichbarer Interessenlage und gegebener Regelungslücke der § 902 I 1 BGB heranzuziehen. Dies hätte für die Rechtspraxis aber nur geringfügige Auswirkungen, da der zugrundeliegende schuldrechtliche Anspruch der Verjährung unterliege, § 194 I BGB. Eine durch § 888 I BGB realisierbare Zustimmung könne im Zweifelsfall dennoch verweigert werden.

Praxishinweis | BGH V ZR 245/20

Mit diesem Urteil verdeutlicht der BGH, dass der Zustimmungsanspruch aus § 888 I BGB unverjährbar ist. Hingegen der zugrundeliegende sicherungsbedürftige Anspruch aufgrund seines schuldrechtlichen Charakters der Verjährungsfrist des § 194 I BGB unterliegt.

Im Falle eines Eigentumserwerbs an Grundstücken o.Ä. sollte der Erwerber daher zeitnah genau studieren, ob er tatsächlich lastenfrei Erworben hat. Auch wenn man sich aufgrund der Unverjährbarkeit des Zustimmungsanspruchs aus § 888 I BGB in Sicherheit wiegen könnte, so ist diese Sicherheit erheblichen Risiken ausgesetzt. Vormerkung und zu sichernder Anspruch hängen eng miteinander zusammen – es handelt sich um ein akzessorisches Sicherungsrecht. Verjährt der zugrundeliegende Anspruch, so ist auch der § 888 I BGB nicht mehr durchsetzbar. Die Rechtsdurchsetzung sollte daher zeitnah betrieben werden.