LG Essen 6 O 83/22
Haftung des Rechtsvorgängers für nicht erfüllte Einlageverpflichtung

31.05.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Essen
11.08.2022
6 O 83/22
NZI 2023, 84 (m. Anm. Riewe)

Leitsatz | LG Essen 6 O 83/22

Für die nicht erfüllte Einlageverpflichtung eines ausgeschlossenen Gesellschafters haftet gegenüber der Gesellschaft auch der letzte sowie jeder frühere Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters, der im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt. (Leitsatz des Gerichts)

Sachverhalt | LG Essen 6 O 83/22

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH (Schuldnerin) die Nachzahlung einer Stammeinlage i.H.v. 12.500 Euro von dem Beklagten. Über die Schuldnerin war im Juni 2020 auf Eigenantrag das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beklagte war Gründungsgesellschafter der 1999 mit einem Stammkapital von 25.000 Euro gegründeten Schuldnerin. Der Beklagte übernahm eine Stammeinlage i. H. v. EUR 10.000, der andere Gründungsgesellschafter H eine Stammeinlage von 15.000 Euro. Beide Gründungsgesellschafter zahlten die Stammeinlagen nur zur Hälfte ein. Weitere Zahlungen auf die Stammeinlagen blieben aus. 2019 veräußerte der Beklagte seinen Geschäftsanteil in Höhe von 10.000 Euro an H.

Der Kläger forderte H mehrfach erfolglos zur Zahlung der 12.500 Euro auf. Der in dieser Zeit zahlungsunfähig gewordene H wurde im Dezember 2021 seines Geschäftsanteils an der X-GmbH gem. § 21 Abs. 2 GmbHG für verlustig erklärt. Gleichzeitig forderte der Kläger den Beklagten zur Zahlung von 12.500 Euro auf und erhob nach Fristablauf Klage.

Entscheidung | LG Essen 6 O 83/22

Das LG Essen sieht die Klage als teilweise begründet an. Der Kläger habe Anspruch auf Zahlung in Höhe von 5.000 EUR gegen den Beklagten aus § 22 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO. Für eine von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht erfüllte Einlageverpflichtung hafte gegenüber der Gesellschaft nach § 22 Abs. 1 GmbHG auch der letzte und jeder frühere Rechtsvorgänger des Ausgeschlossenen, der im Verhältnis zu Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gelte. Voraussetzung hierfür sei, dass ein Gesellschafter nach § 21 GmbHG ausgeschlossen worden sei. § 21 Abs. 1 GmbHG verlange hierfür eine verzögerte Einzahlung und eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung des Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen habe. Im zu entscheidenden Fall sei eine verzögerte Einzahlung gegeben, denn sowohl die Einlage des Gesellschafters H. i.H.v. 7.500 Euro als auch die Einlage im Hinblick auf den von dem Beklagten erworbenen Geschäftsanteil i.H.v. 5.000 Euro sei bisher nicht geleistet worden. Die Ausschlussfrist des § 22 Abs. 3 GmbHG sei noch nicht abgelaufen.

Das LG Essen führt weiter aus, dass kein Anspruch auf Zahlung der weitereren 7.500 Euro aus § 22 Abs. 1 GmbHG bestehe, da der Beklagte nicht Rechtsvorgänger dieses kaduzierten Geschäftsanteils sei, der sich seit Gründung im Vermögen des H befinde. Darüber hinaus habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 7.500 Euro nach § 24 GmbHG. Diese Regelung sehe vor, dass die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag aufzubringen haben, soweit eine Einlage im Kaduzierungsverfahren weder von den Zahlungspflichtigen eingezogen noch durch den Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden könne. Hier stützt sich das LG auf eine Entscheidung des BGH vom 19.5.2015 (- II ZR 291/14, NJW 2015, 2731), dass „übriger Gesellschafter“ im Sinne des § 24 GmbHG derjenige sei, der zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Einlage noch Gesellschafter sei. Die Satzung der X-GmbH enthalte aber keine Fälligkeitsregelung und es sei auch bis zum Ausscheiden des Beklagten kein Einforderungsbeschluss gefasst worden. Hiermit sei die Stammeinlage nicht fällig und der Beklagte somit kein „übriger“ Gesellschafter.

Ebenfalls mangels Fälligkeit der Einlage zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten aus der X-GmbH sei auch kein Anspruch auf Zahlung der weiteren 7.500 Euro aus § 16 Abs. 2 GmbHG gegeben, wonach Erwerber und Veräußerer für rückständige Einlageverpflichtungen bei Veräußerung eines Geschäftsanteils hafteten. Für den seit Gründung von Gesellschafter H gehaltenen Geschäftsanteil komme eine Haftung des Beklagten auch deshalb nicht in Betracht, weil dies eine von § 16 Abs. 2 GmbHG nicht umfasste fremde Einlageverbindlichkeit darstelle.

Praxishinweis | LG Essen 6 O 83/22

Für die Praxis ist diese Entscheidung interessant, da sie die Voraussetzungen der Haftung des Rechtsvorgängers nach eingezogenem Geschäftsanteil durchexerziert. Hieraus ergeben sich Anhaltspunkte für die Beratungspraxis: Entscheidend sind die Ausführungen zur Fälligkeit der Einlage.

Für Insolvenzverwalter ist der geschilderte Fall Alltagsgeschäft.

Im Rahmen der Vertragsgestaltung wird die Relevanz von (fehlenden) Fälligkeitsregelungen in der Satzung hervorgehoben.