BGH III ZR 112/18
Unredlichkeit bei Differenz zwischen An- und Verkaufspreis

28.07.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
05.12.2019
III ZR 112/18
DNotZ 2020, 330

Leitsatz | BGH III ZR 112/18

  1. Eine große Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis eines Grundstücks bei kurz aufeinanderfolgenden Verträgen ist ein Anhaltspunkt für die Verfolgung unerlaubter oder unredlicher Zwecke, an welcher der Notar weder durch die Beurkundung noch durch die Abwicklung der Kaufverträge mitwirken darf (Bestätigung von Senat, Urteil vom 17.07.2014 -III ZR 514/13, WM 2014, 1611, Rn. 32 und BGH, Beschluss vom 28. Juli 2008 -NotSt (B) 1/08, BeckRS 2008, 17806).
  2. Dieser Anhaltspunkt kann jedoch nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls nicht durchgreifen, insbesondere wenn der Preisunterschied erklärbar ist.

(amtliche Leitsätze)

Sachverhalt | BGH III ZR 112/18

Die Klägerin nimmt den beklagten Notar wegen einer notariellen Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin ist eine Drittkäuferin von Wohnungen. Seit 2004 beurkundete der Beklagte eine Reihe von Vertragserklärungen betreffend den An- und Verkauf von Wohnungen in drei Wohnungseigentumsanlagen. Die Rechtsvorgängerin der Streithelferin (im Weiteren Streithelferin) erwarb die Wohnungen von den bisherigen Eigentümern und veräußerte sie an Drittkäufer weiter. Die Preise, die die Streithelferin dabei von den Drittkäufern verlangte, lagen deutlich über den von ihr gezahlten Preisen. Diese wurden von einer Bank in vollem Umfang kreditfinanziert. Angeworben wurden die Drittkäufer über ein Prospekt der Streithelferin zum Kauf von Wohnungen als Investitionsobjekt mit dem Hinweis auf sichere Mietzahlungen.

Am 02.08.07 ließ die Klägerin vor einem Notar zwei Angebote zum Abschluss von Kaufverträgen über Eigentumswohnungen zum Kaufpreis von ca. 98.000 € sowie weiterer Nebenkosten je Wohnung beurkunden. Der Gesamtaufwand pro Wohnung einschließlich der zurückgezahlten Umsatzsteuer betrug 120.592,87 €. In den Kaufvertragsangeboten war vorgesehen, dass für die Sanierung der Anlage von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen wurde, dass von jedem Eigentümer eine Sonderumlage aus dem Kaufpreis zu leisten sei.

Am 08.08.07 beurkundete der Beklagte die Ankaufverträge zwischen dem früheren Wohnungseigentümer und der Streithelferin zum Kaufpreis von 44.000 €. Der Beklagte leitete die von der Bank auf das Notaranderkonto des Beklagten überwiesenen Beträge an die im Kaufvertrag benannten Empfänger weiter. Jeweils ca. 5000 € entfielen auf die Sonderumlage der Streithelferin.

2012 verklagte die Klägerin die Streithelferin auf Vertragsrückabwicklung und Schadensersatz. Sie nahm die Klage nach einer außergerichtlichen Einigung wieder zurück.

Die Präsidentin des OLG erhob wegen der in Rede stehenden Vorgänge Klage gegen den Beklagten, gerichtet auf dessen Entfernung aus dem Amt mit dem Vorwurf, er habe an betrügerischen Geschäften mitgewirkt. Der Notarsenat des OLG konnte jedoch einen Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO nicht feststellen.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe systematisch an Kettenkaufverträgen zum Nachteil der Erwerber und der finanzierenden Bank mitgewirkt. Die Streithelferin habe den Dritterwerbern und ihren Banken einen zu hohen Immobilienwert vorgespiegelt, um sie zum Abschluss eines Kauf- und Darlehensvertrages zu veranlassen, den sie bei Kenntnis des wahren Werts nicht abgeschlossen hätte. Dem Beklagten habe sich bei der Beurkundung der zeitlich nahestehenden Kaufverträge bzw. der Annahme der Angebote aufdrängen müssen, dass er an einem unerlaubten oder unredlichen Geschäft mitwirke. Er hätte von der Beurkundung der notariellen Annahmeerklärung bzw. der Vertragsabwicklung absehen müssen.

Entscheidung | BGH III ZR 112/18

Die Revision hat keinen Erfolg. Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO sei nicht gegeben. Ein unerlaubter oder unredlicher Zweck in diesem Sinne könne vorliegen, wenn eine Immobilie zu einem sittenwidrig überhöhten Preis verkauft werden soll oder der Verdacht bestehe, dass die Tätigkeit des Notars der Begehung einer Straftat diene. Dies sei der Fall, wenn z.B. der beurkundete Kaufpreis zur Täuschung einer kreditgebenden Bank oder eines späteren Erwerbers zu hoch oder zu niedrig angesetzt werde. Große Differenzen zwischen An- und Verkaufspreisen bei sog. Kettenkaufverträgen seien ein, für den Notar erkennbarer, Anhaltspunkt für einen unerlaubten oder unredlichen Zweck.

Zwar sei es nicht unredlich, eine Immobilie mit einem erheblichen Aufschlag weiterzuverkaufen. Die Unredlichkeit liege aber umso näher, je massiver die Kaufpreissteigerungen sind und je kurzfristiger An- und Verkauf aufeinander folgen. Entscheidend sei, ob der Notar nach entsprechender Prüfung von einer sachlichen oder nachvollziehbaren Erklärung für die Kaufpreissteigerungen innerhalb des Kettenkaufvertrags ausgehen könne. Die wiederholte Beurkundung von Kettenkaufverträgen mit großen Unterschieden zwischen An- und Verkaufspreis begründe die Pflicht des Notars zu erhöhter Wachsamkeit. Dennoch habe der Beklagte annehmen dürfen, dass ein nachvollziehbarer Grund für die Preisdifferenzen gegeben gewesen sei.

Sind die Preisunterschiede erklärbar, liege auch bei Kettenkaufverträge, bei denen An- und Verkauf kurz aufeinander beurkundet und erhebliche Preisunterschiede erzielt werden, kein Anhaltspunkt für eine Unredlichkeit vor. Es könne zahlreiche Gründe geben, sich von einer Immobilie zu einem geringen Preis zu trennen, weshalb bei deren Weiterverkauf hohe Preisdifferenzen entstehen können. Die erhebliche Abweichung stelle daher nur ein Indiz für einen überteuerten Weiterverkaufspreis dar.

Es habe kein Grund dafür bestanden, anzunehmen, dass die Verkaufspreise nicht durch einen entsprechenden Verkehrswert gerechtfertigt seien. Ein die Sittenwidrigkeit begründendes grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung sei erst gegeben, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch wie der Wert der Gegenleistung ist. Voraussetzung sei eine Verkehrswertüberschreitung oder -unterschreitung von 90 %. Bei den Sachverständigengutachten sei jedoch ein Verkehrswert von 140.000 € und ca. 158.000 € angenommen wurden. Auf dieser Grundlage habe sich für die Wohnungen der Klägerin ein Verkehrswert von ca. 120.000 € ergeben. Der Beklagte konnte sich aufgrund der übereinstimmenden Grundaussauge auf die Ausführungen der Sachverständigen verlassen. Eine eigene Wertermittlung musste der Notar nicht vornehmen.

Auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen An- und Verkauf sei unbedenklich gewesen. Unstreitig habe es im zeitlichen Zusammenhang mit den beurkundeten Geschäften bereits Sanierungsmaßnahmen gegeben, wodurch eine Wertsteigerung der Wohnung naheliege. Ob die Sanierung zwischen An- und Verkauf erfolgt ist, sei gleichgültig. Denn aus Sicht der Klägerin komme es nicht darauf an, wer die Kosten der Sanierung trägt, soweit sie nicht selbst belastet wurde.

Zu prüfen sei, ob für den Beklagten konkrete Verdachtsgründe für unredliche oder unerlaubte Zwecke erkennbar waren. Insbesondere musste sich vorliegend damit auseinandergesetzt werden, ob Aspekte gegeben waren, die aus Sicht des Beklagten für eine Übervorteilung der Klägerin sprachen. Die Klägerin trage hier die Darlegungs- und Beweislast für eine die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen. Den Beklagten treffe die sekundäre Darlegungslast, soweit sich dieser mit Vorbringen verteidigt, dem Tatsachen zugrunde liegen, die allein in seiner Kenntnissphäre liegen. Der Beklagte habe substantiiert bestritten, dass er einen überteuerten Kaufpreis erkannt oder vor dieser Tatsache die Augen verschlossen habe. Die Klägerin konnte dem nicht mit einem konkreten Sachvortrag oder einem Beweis entgegentreten.

Praxishinweis | BGH III ZR 112/18

Nach § 4 BeurkG und § 14 Abs. 2 BNotO soll der Notar die Beurkundung ablehnen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn seine Mitwirkung bei erkennbar unerlaubten oder unredlichen Zwecken verlangt wird. Diese Pflicht steht im Spannungsverhältnis mit der Urkundsgewährungspflicht aus § 15 Abs. 1 BNotO. Eine große Differenz zwischen An- und Verkaufspreis eines Grundstücks bei kurz aufeinanderfolgenden Verträgen stellt einen Anhaltspunkt für die Verfolgung unerlaubter oder unredlicher Zwecke dar. Unredliche Zwecke sind für den Notar häufig allerdings nur schwer erkennbar, da er keinen Einblick in die Kalkulationen der Beteiligten erhält und die Parteien ihn naturgemäß nicht über ihre kollusiven unerlaubten Absichten einweihen. Dennoch sollte der Notar in diesen Fällen mit Vorsicht agieren, damit ihm später nicht der Vorwurf gemacht werden kann, er habe seine Augen verschlossen.