OLG Nürnberg 15 W 2283/21
Uneingeschränkte Vertretungsbefugnis des Verwalters für die Abgabe sämtlicher Grundbucheintragungsbewilligungen der WEG

13.06.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Nürnberg
12.07.2021
15 W 2283/21
MittBayNot 2022, 145

Leitsatz | OLG Nürnberg 15 W 2283/21

  1. Der Verwalter hat die uneingeschränkte Vertretungsmacht für die Abgabe sämtlicher im Verkehr mit dem Grundbuchamt vorkommender Eintragungsbewilligungen. (nichtamtl. Ls.)
  2. Ein Nachweis dieser Vertretungsmacht muss nicht geführt werden, da § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht ausdrücklich anordnet. Daraus folgt, dass der Rechtsverkehr auf die Vertretungsmacht des Verwalters vertrauen kann. Der Vertragspartner muss sich nur über die Wirksamkeit der Verwalterbestellung versichern, beispielsweise durch Vorlage des Protokolls der Eigentümerversammlung über die Bestellung. (nichtamtl. Ls.)

Sachverhalt | OLG Nürnberg 15 W 2283/21

Die Beteiligte zu 1 ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Eigentümer Miteigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks sind. Die Miteigentümer bestellten mit notarieller Urkunde vom 06.05.2021 eine Grunddienstbarkeit. Danach sollen sie berechtigt werden, über den Innenhof des Grundstücks einen Kamin zu fuhren bzw. zu installieren. Dessen Eintragung wurde durch den Verwalter der Beteiligten zu 1 beantragt und bewilligt. Der Vollzug der Urkunde wurde mit Schreiben vom 11.06.2021 vom Urkundsnotar beantragt. Daraufhin verkündete das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 15.06.2021, dass der Eintragung ein Hindernis entgegenstehe. Danach genüge die Bewilligung durch den Verwalter nicht, da die Teilungsklausel keine entsprechende Öffnungsklausel enthalte. Vielmehr sei die Bewilligung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich.

Der Urkundsnotar legt hiergegen Beschwerde ein und verweist auf § 9b Abs. 1 S. 1 WEG. Das Grundbuchamt half der Beschwerde mit Beschluss vom 29.06.2021 nicht ab.

Entscheidung | OLG Nürnberg 15 W 2283/21

Die statthafte Beschwerde als unbeschränkte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde habe in der Sache Erfolg, da der Verwalter als gesetzlicher Vertreter der Beteiligten zu 1 die Bewilligung für die Eintragung der Grunddienstbarkeit aufgrund seiner unbeschränkten Vertretungsmacht wirksam habe abgeben können. Dabei handele es sich um eine umfassende Vertretungsmacht. Der Verwalter benötige lediglich gemäß § 9b Abs. 1 Hs. 2 WEG für den Abschluss von Grundstückskauf- und Darlehensverträgen im Außenverhältnis den Beschluss der Wohnungseigentümer. Dies gelte für Verpflichtungsgeschäfte, nicht hingegen für dingliche Rechtsgeschäfte. Daher habe der Verwalter uneingeschränkte Vertretungsmacht für die Abgabe sämtlicher im Verkehr mit dem Grundbuchamt vorkommender Eintragungsbewilligungen. Ein Nachweis darüber, dass der Verwalter eine solche uneingeschränkte Vertretungsmacht innehabe, sei nicht erforderlich, sodass der Rechtsverkehr auf die Vertretungsmacht des Vertreters vertrauen könne. Daher müsse sich der Vertragspartner lediglich über die Wirksamkeit der Verwalterbestellung versichern. Dieser Nachweis sei im vorliegenden Fall durch Vorlage des Protokolls über die Eigentümerversammlung am 11.06.2015 Ziffer 6 erbracht worden.

Praxishinweis | OLG Nürnberg 15 W 2283/21

In der notariellen Praxis stellt sich an verschiedenen Stellen die Frage, wer befugt ist, die jeweils erforderlichen Erklärungen abzugeben und wessen Bewilligung dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO nachzuweisen ist. Das OLG scheint allerdings nicht ausreichend zu differenzieren zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft, die kraft Gesetzes vom Verwalter vertreten wird und den Eigentümern, die Eigentümer des Grundstücks in einer Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB sind. Die Betroffenen einer Grunddienstbarkeit sind jedoch die jeweiligen Eigentümer, die somit eigentlich die Eintragung bewilligen müssten. Eine Vertretung durch den Verwalter bestünde also nicht kraft Gesetzes, könnte jedoch rechtsgeschäftlich begründet werden. Auch wenn das OLG Nürnberg hier entschieden hat, dass der Verwalter eine entsprechende Vertretungsmacht innehabe, sei es den Eigentümern einer Wohnungseigentümergemeinschaft anzuraten, den Verwalter rechtsgeschäftlich zur Vornahme solcher dinglichen Rechtsgeschäfte zu berechtigen, sofern dies gewollt sein sollte.