BGH IV ZR 269/20
Testamentarischer Ausschluss des Ausgleichsanspruchs gemäß § 2057a BGB im Pflichtteilsrecht

28.12.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
24.03.2021
IV ZR 269/20
ZEV 2021, 449

Leitsatz | BGH IV ZR 269/20

  1. Zugunsten des Pflichtteilsberechtigten und zulasten des Erben ist es dem Erblasser gestattet, den „Einwerfungsposten“ des § 2057a BGB, auf den sich der Erblasser aufgrund geleisteter Unterstützung im Grundsatz nach § 2316 Abs. 1 BGB berufen könnte, testamentarisch auszuschließen. (n. amtl. Ls.)
  2. Ein solcher Ausschluss ist zumindest dann nicht sittenwidrig, wenn der Leistende durch seine Alleinerbeinsetzung einen Ausgleich erhalten hat. (n. amtl. Ls.)
  3. Eine von dem Pflichtteilsberechtigten dem Erblasser erbrachte Leistung nach § 2057a BGB kann dieser dagegen nicht zu dessen Lasten ausschließen (arg. Aus § 2316 Abs. 3 BGB). (n. amtl. Ls.)

 

Sachverhalt | BGH IV ZR 269/20

Die Parteien der Erbstreitigkeit sind zwei der drei Kinder der verwitweten Erblasserin. Die Erblasserin bestimmte in einem notariellen Testament aus dem Jahr 2015 den Beklagten als Alleinerbin. Ihre zwei weiteren Kinder sollen lediglich ihren Anspruch auf den Pflichtteil geltend machen können.

Zur Begründung führt die Erblasserin an, der Beklagte kümmere sich seit der Pflegebedürftigkeit der Erblasserin (Oktober 2007) allein um die Pflege der Erblasserin und die Verwaltung des Mehrfamilienhauses, sowie die Grabpflege des verstorbenen Ehemannes. Darüber hinaus fügt sie hinzu, der Kläger habe zur Anrechnung auf den Pflichtteil bereits 10.000 Euro erhalten. Der Nettonachlass belief sich auf 337.249,29 Euro, von dem der Beklagte dem Kläger bereits 14.541,55 Euro zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zahlte. Der Beklagte lehnte weitere Zahlungen unter Hinweis auf einen ihm zustehenden Anspruch aus § 2057a BGB, wegen der Erbringung von Pflegeleistungen, ab.

Der Kläger verlangte mit seiner Klage die Zahlung weiterer 41.666,66 Euro, woraufhin ihm das Gericht unter Abweisung der Klage im Übrigen 31.666,66 Euro nebst Zinsen zugesprochen hat. Das Berufungsgericht bestätigt die folgenden Ausführungen des Landgerichts:

Der Pflichtteilsanspruch des Klägers betrage 1/6 des Nachlasses und somit 56.208,21 Euro, wovon der Beklagte bereits einen Teilbetrag geleistet habe. Abgezogen werden zudem die bereits durch die Erblasserin an den Kläger geleisteten 10.000 Euro, sodass sich ein Anspruch in Höhe von 31.666,66 Euro ergebe. Ein Kürzungsrecht gemäß 2318 Abs. 1 BGB stehe dem Beklagten nicht zu, da die Erblasserin einen Ausgleichsanspruch nach § 2057a BGB des Beklagten ausgeschlossen habe. Das Berufungsgericht lässt die Revision zu, welche vom Beklagten schließlich eingelegt wird.

Entscheidung | BGH IV ZR 269/20

Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht die Voraussetzung für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO als nicht gegeben an.

Zunächst ist der BGH der Ansicht, der Rechtssache käme keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zu. Diese sei gegeben, wenn die Rechtssache eine Rechtsfrage als im konkreten Fall entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Im Falle des Ausgleichsanspruches nach § 2057a BGB liege hingegen eine einhellige Auffassung in der Literatur, sowie in der Rechtsprechung dahingehend vor, dass dieser durch Verfügung von Todes wegen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann.

Darüber hinaus habe die Revision des Beklagten auch keine Aussicht auf Erfolg, da das Berufungsgericht die Berufung rechtsfehlerfrei zurückgewiesen habe. Der Ausgleichsanspruch könne problemlos – wie auch durch die Erblasserin – durch letztwillige Verfügung ausgeschlossen werden. Erfassen wollte der Gesetzgeber vielmehr Fälle, in denen derjenige, der Pflegeleistungen erbracht hat, mangels Testaments keinen Ausgleich erhalten würde. Für die in § 2057a BGB niedergelegte Vermutung des Willens zum Ausgleich sei kein Raum, wenn sich der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung ausdrücklich geäußert hat. Der Ausschluss sei auch nicht sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB, insbesondere da der Beklagte, anstelle eines Ausgleichsanspruchs aus § 2057a BGB, als Alleinerbe eingesetzt wurde und somit einen anderen Ausgleich erhalten habe.

Das Berufungsgericht habe das Testament der Erblasserin in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgelegt, dass die besonderen Pflegeleistungen des Erblassers mit der Alleinerbschaft ausreichend kompensiert werden sollten und der Ausgleichungsanspruch mithin ausgeschlossen wurde.

Eine andere Beurteilung ergäbe sich auch nach § 2318 BGB nicht. Einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer könne ein Vermächtnis nur insoweit gekürzt werden, dass ihm noch der Pflichtteil verbleibt (§ 2318 Abs. 2 BGB). Der Kläger macht hingegen lediglich seinen Pflichtteil geltend, wodurch ein Kürzungsrecht des Beklagten hier gemäß § 2318 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sei.

Das Revisionsverfahren wurde schließlich durch Zurücknahme der Revision erledigt.

Praxishinweis | BGH IV ZR 269/20

Bei der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen soll stets der Wille des Erblassers zugrunde gelegt werden. Mithin steht es dem Erblasser frei, besondere Pflegeleistungen durch einen Pflichtteilsberechtigten auszugleichen oder nicht. Trifft der Erblasser keinerlei Entscheidungen zur Kompensation, so soll ein Ausgleichungswunsch vermutet werden. Vor allem, wenn ein Pflichtteilsberechtigter mit der Alleinerbschaft belohnt wird, kann hingegen davon ausgegangen werden, dass der Erblasser einen darüberhinausgehenden Ausgleichsanspruch nicht gewollt hat.