OLG Brandenburg 7 U 89/21
Stimmverbot bei Beschluss der GmbH-Gesellschafterversammlung über Sonderprüfung

18.11.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
18.05.2022
7 U 89/21
ZIP 2022, 1752

Leitsatz | OLG Brandenburg 7 U 89/21

  1. Die Gesellschafterversammlung kann nach § 46 Nr. 6 GmbHG eine Sonderprüfung beschließen, sofern deren Anlass auf konkrete Tatsachen gestützt wird.
  2. In analoger Anwendung von § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG hat ein Gesellschafter/Geschäftsführer bei der Abstimmung über die Durchführung einer Sonderprüfung kein Stimmrecht, wenn diese mit dem Ziel durchgeführt werden soll, gegen ihn Ersatzansprüche zu untersuchen.
  3. Wird ein Beschluss auf Durchführung einer Sonderprüfung dennoch verabschiedet, dann kann der Mitgesellschafter diesen anfechten und gleichzeitig Feststellungsklage erheben, dass dieser Beschluss nicht wirksam zustande gekommen ist. Sie ist in derselben Frist wie die Anfechtungsklage zu erheben; die von der Feststellung betroffenen Gesellschafter sind zu beteiligen und ihnen ist rechtliches Gehör zu gewähren.
  4. Eine solche Klage wird nicht unzulässig, wenn die Gesellschaft gekündigt worden ist. Denn der hierdurch eingeleitete Auflösungsprozess berührt nicht das Interesse der Gesellschaft, ob ihr Schadensersatzansprüche gegen einen pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer zustehen.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 7 U 89/21

Der Kläger ist Gesellschafter einer GmbH und erhob Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung. Der Kläger regte einen Beschluss über die Anordnung einer Sonderprüfung des Geschäftsführers an. Im Vorfeld kam es zu Uneinigkeiten bezüglich der Befugnisse des Geschäftsführers und ob er durch seine Entscheidungen und sein Verhalten der GmbH wirtschaftlichen Schaden zugefügt habe. Der Beschluss zur Sonderprüfung wurde durch die Gesellschafterversammlung abgelehnt, dabei waren die Stimmen des Geschäftsführers entscheidend, er hatte 42,5% der Stimmrechte. Der Kläger hält die Beschlussfassung aufgrund der Mitwirkung des Geschäftsführers entgegen eines Stimmrechtsausschluss für nichtig, der Beschluss über die Anordnung einer Sonderprüfung sei gefasst worden. Das LG Potsdam gab der Klage statt. 

Entscheidung | OLG Brandenburg 7 U 89/21

Das OLG Brandenburg hielt die Anfechtung des Beschlusses für begründet. § 47 IV 2 GmbHG schließe das Stimmrecht eines Gesellschafters dann aus, wenn ein Beschluss die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber dem Gesellschafter selbst begründe. Damit sollen Interessenkonflikte vermieden werden und die Norm sei weit auszulegen und analogiefähig. Vorliegend habe die Sonderprüfung das Ziel, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der GmbH gegen den Geschäftsführer (und Gesellschafter) zu ermöglichen. Zudem solle auch der Jahresabschluss überprüft werden. Damit, so das OLG, werde seine Geschäftsführertätigkeit überprüft. Es bestünde das Risiko, dass der Geschäftsführer bei Abgabe seiner Stimme sein Haftungsrisiko und sein soziales Ansehen berücksichtige und dadurch ein Interessenkonflikt besteht. Genau hierfür schafft § 47 IV 2 GmbHG eine Lösung.

Ohne die Stimme des Geschäftsführers habe eine Mehrheit für die Sonderprüfung gestimmt, somit sei der Beschluss zustande gekommen. Die Gesellschafterversammlung habe mit dem Beschluss zur Sonderprüfung ihre Rechte aus § 46 Nr. 6 GmbHG geltend gemacht, ein tatsachengestützter Anlass besteht. Weiterhin muss ein solcher Beschluss geeignet und verhältnismäßig sein, die Grenze hierfür ist die Treuwidrigkeit. Vorliegend gebe es Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen durch den Geschäftsführer, Individualinteressen an der Sonderprüfung seien nicht ersichtlich und auch ein unverhältnismäßiger Prüfungsaufwand bestünde nicht. Der Beschluss zur Sonderprüfung sei damit auch materiell rechtmäßig.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 7 U 89/21

Die Stimmrechtsverbote aus § 47 IV 2 GmbHG sind wichtig, um die Interessen aller Gesellschafter und der Gesellschaft selbst zu wahren. Vorliegend hatte auch eine Analogie zum aktienrechtlichen Stimmverbot im Rahmen der Sonderprüferbestellung nach § 142 I 2 AktG ein Stimmrechtsverbot begründet.