BFH II R 46/19
Steuerbegünstigung für ein Familienheim bei Zuerwerb

02.05.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
06.05.2021
II R 46/19
NJW 2021, 3743

Leitsatz | BFH II R 46/19

  1. Erwirbt ein Steuerpflichtiger von Todes wegen eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt, kann dieser Erwerb als Familienheim steuerbegünstigt sein, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist. (Rn. 12) (Rn. 13)
  2. Der wegen der Beseitigung eines gravierenden Mangels eintretende Zeitverzug steht der unverzüglichen Selbstnutzung nicht entgegen, wenn der Erwerber den Baufortschritt angemessen fördert. (Rn.19) (Rn. 20) (Rn. 25)

Sachverhalt | BFH II R 46/19

Der V ist im Oktober 2013 verstorben und wird vom Kläger allein beerbt. Zum Nachlass gehört eine Doppelhaushälfte, welche der Erblasser bis zu seinem Tod selbst bewohnt hatte und an welche die vom Kläger bewohnte Doppelhaushälfte angrenzt. Seit August 2016 bewohnt der Kläger beide Doppelhaushälften, indem er diese zu einer Wohnung verbunden hat. Das Finanzamt, der Beklagte, erließ seit dem Tod des Erblassers mehrere Erbschaftsteuerbescheide und lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für den Erwerb der Doppelhaushälfte des Nachlasses ab. Die Klage wurde vom Finanzgericht abgewiesen. Die Klageabweisung wurde dabei überwiegend darauf gestützt, dass es an der erforderlichen unverzüglichen Bestimmung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken fehle, unabhängig davon, dass der Wille des Klägers zur Selbstwohnnutzung nicht in Zweifel gezogen werde.

Der Kläger legt Revision ein und macht eine Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG geltend, da das Finanzgericht die Umstände des Einzelfalls verkannt habe. Da es im vorliegenden Fall einen klassischen „Einzug“ nicht gegeben habe, könne es auf dieses Kriterium allein nicht ankommen. Vielmehr habe er schon durch die Nutzung der Doppelhaushälfte als Lagerräume seine Bestimmung zur Selbstbenutzung zum Ausdruck gebracht. Dagegen hält das Finanzamt, der Kläger habe die Doppelhaushälfte erst ca. 34 Monate nach dem Erbfall selbst bewohnt und genutzt. Dass er die Verzögerung des Einzugs nicht zu vertreten habe, habe der Kläger nicht hinreichend darlegen können.

Entscheidung | BFH II R 46/19

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Daher wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückgewiesen.

§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG bestimmt die Steuerfreiheit für sog. Familienheime und legt deren Voraussetzungen fest. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen auch der Erwerb durch Erbfall. Wenn das Familienheim an eine bereits bewohnte Wohnung des Erwerbers angrenzt (§ 181 Abs. 1 BewG), kann dies ebenfalls zur Steuerbefreiung führen, sofern die hinzugeworbene Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt werde. Dies sei der Fall, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und er diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Die Absicht müsse durch äußere Umstände, also durch einen Einzug und die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, feststellbar sein. Die Nutzung als Lagerräume reiche nicht aus. Diese Selbstnutzung müsse auch unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen. Dabei soll dem Erwerber eine angemessene Prüfungs- und Überlegungszeit gewährt werden, was im Regelfall mit sechs Monaten nach dem Erbfall bemessen werde. Eine unverzügliche Erklärung der Selbstnutzung könne auch noch nach den sechs Monaten erfolgen, sofern eine Darlegung glaubhafter Gründe, warum ein früherer Einzug nicht möglich war, erfolgt und warum der Erwerber diese Gründe nicht zu vertreten hat. Bei der Vornahme von Renovierungsarbeiten obliege es dem Erwerber mithilfe zumutbarer Maßnahmen die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt.

Der Erwerber trage die objektive Beweislast, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG darzulegen und zu beweisen. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts sei eine Steuerbefreiung nicht nur dann möglich, wenn der Erwerber beschleunigende und möglicherweise kostenintensivere Maßnahmen zur Renovierung und Schadensbeseitigung ergreift. Da es sich hierbei um einen zu engen Maßstab handele, sei das Urteil aufzuheben und nach den dargelegten Maßstäben neu zu entscheiden.

Praxishinweis | BFH II R 46/19

Für eine mögliche Steuerbefreiung sollte in ein vererbtes Heim so schnell wie möglich eingezogen werden, da normalerweise spätestens ein halbes Jahr nach dem Erbfall die Bestimmung zur Selbstnutzung zu Wohnzwecken erfolgt sein muss. Insbesondere reicht eine Äußerung der Absicht gegenüber Dritten nicht aus. Sollten Mängel an der Wohnung den Einzug verhindern, müssen unverzüglich Maßnahmen zur Mängelbeseitigung ergriffen werden. Dafür sollten am besten Dritte beauftragt werden, sodass eine unverzügliche Beauftragung als Beweis für das Finanzamt bzw. -gericht dienen kann.