BGH I ZB 60/18
Stärkung der Vorsorgevollmacht: Bevollmächtigter kann eidesstattliche Versicherung abgeben

27.04.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
23.10.2019
I ZB 60/18
NJW 2020, 1143

Leitsatz | BGH I ZB 60/18

  1. Ein nicht prozessfähiger Schuldner kann bei der Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung gem. § 51 III ZPO auch durch einen Vorsorgebevollmächtigten vertreten werden.
  2. Ein Vorsorgebevollmächtigter ist anders als ein gerichtlich bestellter Betreuer nicht verpflichtet, für einen nicht prozessfähigen Schuldner die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versicherung abzugeben.

Sachverhalt | BGH I ZB 60/18

Der Schuldner war gegenüber der Gläubigerin aus einem Prozessvergleich zur Zahlung verpflichtet. Mit notarieller Urkunde bevollmächtigte der Schuldner eine Rechtsanwältin (nachfolgend Vorsorgebevollmächtigte) zur Vertretung in allen Vermögensangelegenheiten, insbesondere zur Vertretung gegenüber Gerichten bei allen denkbaren Anträgen und Verfahrens- sowie Prozesshandlungen. Später bestellte das Amtsgericht dem Schuldner für familienrechtliche Angelegenheiten eine Betreuerin. Aus dem Prozessvergleich betrieb die Gläubigerin schließlich die Zwangsvollstreckung, wobei der Gerichtsvollzieher die Vorsorgebevollmächtigte zur Abgabe der Vermögensauskunft über das Vermögen des Schuldners lud. Hiergegen hat sich die Vorsorgebevollmächtigte gewendet, wobei das Beschwerdegericht der Auffassung war, dass ein Vorsorgebevollmächtigter für den prozessunfähigen Schuldner keine Vermögensauskunft abgeben könne.

Entscheidung | BGH I ZB 60/18

Der BGH hält eine Vertretung durch den Vorsorgebevollmächtigten gemäß § 51 Abs. 3 ZPO bei der Abgabe der Vermögensauskunft samt eidesstattlicher Versicherung für zulässig. Allerdings sei der Vorsorgebevollmächtigte nur berechtigt, nicht verpflichtet, von seiner Vertretungsmacht Gebrauch zu machen, weswegen die Ladung des Vorsorgebevollmächtigten vor den Gerichtsvollzieher ausscheide.

Der Schuldner müsse die Vermögensauskunft allerdings grundsätzlich selbst abgeben, weil die Abgabe der Vermögensauskunft eine Wissenserklärung ist und eine rechtsgeschäftliche Vertretung im Wissen nicht möglich ist. Für die eidesstattliche Versicherung gemäß § 802c Abs. 3 S. 1 ZPO folge dies zudem aus dem über § 802c Abs. 3 S. 2 ZPO entsprechend anwendbaren § 478 ZPO, nach der der Eid von dem Schwurpflichtigen in Person zu leisten ist. Der Schuldner müsse hierfür allerdings prozessfähig sein. Nicht prozessfähige Schuldner würden durch gesetzliche Vertreter wie einen Betreuer vertreten.

Nach § 51 Abs. 3 ZPO stehe die schriftliche Bevollmächtigung einer anderen natürlichen Person der gesetzlichen Vertretung gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen. Demgemäß sei die Abgabe der Vermögensauskunft samt eidesstattlicher Versicherung durch den Vorsorgebevollmächtigten zulässig.

So würden im Zwangsvollstreckungsverfahren die Vorschriften der §§ 1-252 ZPO sinngemäß gelten, sofern sich nicht aus den §§ 802a-882h ZPO etwas anderes ergeben würde. Demnach sei § 51 Abs. 3 ZPO anzuwenden. Dem stünde die Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht entgegen, da sich diese nur auf die Vollstreckungsvoraussetzungen und die Zugriffstatbestände beziehe, nicht dagegen auf die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung wie die Prozessfähigkeit und die Vertretung.

Auch der Umstand, dass mit der Zulässigkeit eines Vorsorgebevollmächtigten das Verfahren mit komplexen Rechtsfragen überfrachtet werde, sei hinzunehmen. So habe der Gerichtsvollzieher zwar die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 ZPO gemäß § 56 ZPO von Amts wegen zu prüfen., wozu gehören würde, ob die Vollmacht wirksam errichtet wurde, der Schuldner zu diesem Zeitpunkt insb. geschäftsfähig war, die Vollmacht schon und noch in Kraft ist, die Vollmacht die Vertretung im gerichtlichen Verfahren erfasst, der Schuldner aktuell nicht prozessfähig ist und die Vollmacht geeignet ist, die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen. Auch ansonsten habe der Gerichtsvollzieher aber von Amts wegen die Prozessfähigkeit und die Vertretungsverhältnisse auf Gläubiger- und Schuldnerseite zu prüfen, was z.B. die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordern könne. Im Übrigen werde die Prüfung der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht dadurch erleichtert, dass die Wirkamkeit solange vermutet werde, wie ihre Unwirksamkeit nicht positiv festgestellt sei, ein bloßer Verdacht genüge nicht. Für die Geschäftsfähigkeit des Schuldners im Zeitpunkt der Errichtung streite insbesondere auch eine notarielle Vorsorgevollmacht, da der Notar nach § 11 Abs. 1 BeurkG die Beurkundung ablehnen soll, wenn einem Beteiligten nach seiner Überzeugung die Geschäftsfähigkeit fehlt. Da § 51 Abs. 3 ZPO aber ausdrücklich die Schriftform genügen lassen, sei der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht notarielle Vorsorgevollmachten beschränkt.

Eine enge Auslegung des § 51 Abs. 3 ZPO würde zudem dem Gedanken der Subsidiarität, der § 1896 Abs. 3 BGB zugrunde liege, widersprechen. Danach sollen Betreuungen soweit wie möglich vermieden werden. Denn es gehöre zu den wesentlichen Zielen des Betreuungsrechts, die verbliebenen Reste der Selbstbestimmung Fürsorgebedürftiger zu wahren und zu fördern. Der Betroffene soll die Besorgung seiner Angelegenheiten möglichst selbst ohne staatliche Einmischung organisieren können.

Der Anwendung des § 51 Abs. 3 ZPO würde im Übrigen auch nicht entgegenstehen, wenn gleichzeitig eine Betreuerin für denselben Aufgabenkreis bestellt worden wäre. Weder beeinträchtige die Vorsorgevollmacht die Betreuerbestellung noch umgekehrt. Zuletzt schränke auch § 53 ZPO, wonach eine Partei, die im Prozess durch einen Pfleger oder Betreuer vertreten werde, für den Rechtsstreit als nicht prozessfähig gelte, die Vorsorgevollmacht nicht ein. Denn § 53 ZPO soll nach dem Willen des Gesetzgebers in den Fällen des § 51 Abs. 3 ZPO keine Anwendung finden.

Allerdings könne, auch wenn damit die Abgabe von Vermögensauskunft und eidesstattlicher Versicherung durch den Vorsorgebevollmächtigten zulässig sei, dieser hierzu nicht verpflichtet werden. Im Gegensatz zum Betreuer stehe es dem Bevollmächtigten frei, von seiner Vertretungsmacht Gebrauch zu machen. Die Freiwilligkeit der Ausübung der Vertretungsmacht führe jedoch nicht dazu, dass die Vorsorgevollmacht grundsätzlich nicht mehr im Sinne des § 51 Abs. 3 ZPO geeignet sei, die Erforderlichkeit einer Betreuung nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB entfallen zu lassen. Das sei erst dann der Fall, wenn der Vorsorgebevollmächtigte sich tatsächlich weigert, für den Vollmachtgeber in bestimmter Hinsicht tätig zu werden.

Praxishinweis | BGH I ZB 60/18

Diese Entscheidung des BGH ist zum Zwangsvollstreckungsverfahren ergangen. Dementsprechend konnte § 51 Abs. 3 ZPO, anders als etwa im Erbscheinsverfahren, unmittelbar und nicht nur dem Rechtsgedanken nach angewendet nicht. Die Erwägungen des BGH sind jedoch auf das Erbscheinsverfahren übertragbar, insoweit auch dort die Zulässigkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Vorsorgebevollmächtigten in Streit steht (dazu OLG Celle, Beschl. v. 20.06.2018 – 6 W 78/18, NJW-RR 2018, 1031). Im Erbscheinsverfahren gilt nämlich im Hinblick auf die Prüfung der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht – insoweit weitergehend als im Zwangsvollstreckungsverfahren – sogar der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG. Die übrigen Erwägungen des BGH beanspruchen unproblematisch auch im Erbscheinsverfahren Geltung.